Fossile Wale Teil 7: Noch mal ein paar Überlegungen über Makaracetus

Eigentlich sollte jetzt ein Teil über einige andere Archaeoceti folgen, aber ich habe mich kurzfristig entschieden, vorher doch noch einmal im Speziellen auf Makaracetus bidens einzugehen. Ich habe bereits vor Jahren hier über Makaracetus geschrieben, wollte aber, da ich diese Art vor kurzem nochmals ausführlich mit meinem Freund Cameron McCormick diskutiert habe, doch noch einmal einen kurzen Blogpost widmen. Zunächst einmal noch ein paar kurze Vorbemerkungen. Makaracetus wurde 2005 anhand von Fossilien beschrieben, welche aus der frühe Mitte des Eozäns Pakistans stammten, aus einem Gebiet das einstmals an der Küste des Tethys-Meeres lag. Leider hat man außer dem Schädel nur sehr fragmentische Reste des restlichen Körper gefunden, so dass man schwer sagen kann inwieweit er noch amphibisch oder möglicherweise schon vollaquatisch gewesen ist.

Aufgrund der besonderen Merkmale des Schädels ging man teilweise davon aus, dass Makaracetus eine Art kurzen Rüssel hatte. Doch hatte er das wirklich? Letztendlich wird man es niemals erfahren wie dieser bizarre Archaeocet zu Lebzeiten ausgesehen hat.  Zweifellos hatte Makaracetus eine ungewöhnliche Schnauze, und sicherlich weitaus mehr Weichgewebe als verwandte Arten. Ein großes Problem ist, dass man selbst bei den heutigen Tieren aufgrund der Schädelform kaum sagen kann, ob sie so etwas wie einen Rüssel haben oder nicht, beziehungsweise wie groß er ist, oder wie er aussieht. Wirklich viele Tiere mit Rüsseln gibt es ohnehin nicht, Elefanten sind die einzigen die einen echten Rüssel haben, daneben gibt es noch Arten wie Tapire, die ebenfalls einen recht gut entwickelten kurzen Rüssel haben, sowie eine Reihe von anderen Arten wie Saigas, Dik-diks und andere, welche ebenfalls so etwas wie einen (sehr) kurzen Rüssel haben. Dann gibt es noch Arten mit sehr fleischigen Nasenregionen, wie etwa Elche, oder auch schwer definierbare Entwicklungen wie man sie bei Seeelefanten oder Klappmützen findet. Dabei finden sich ganz verschiedene Schädel-und Nasenformen, und es lässt sich so gut wie kein klarer Zusammenhang zwischen Form und Ausbildung des einen mit dem anderen zu erkennen.

Makaracetus hatte große Nervkanäle und Ansätze für Muskeln die ein Organ im Schnauzenbereich bewegten, doch dies muss nicht unbedingt ein Rüssel gewesen sein. Es könnten auch sehr stark ausgebildete fleischige Lippen gewesen sein, nicht ganz unähnlich jenen von Seekühen oder Walrossen. Mein Freund Cameron McCormich hat vor einiger Zeit eine Rekonstruktionszeichnung angefertigt (tatsächlich eine der allerersten überhaupt), welche nicht von einem Rüssel ausgeht, sondern eher von sehr muskulösen dicken Lippen, ähnlich wie bei Seekühen. Interessanterweise haben auch unter den modernen Walen einige sehr dicke und bewegliche Lippen, nämlich die Belugas, welche ebenfalls größtenteils am Boden ihre Beutetiere finden. Ähnlich wie bei Manatis hat Cameron die Lippen mit kurzen steifen Borsten dargestellt. Das ist zwar bloße Spekulation, aber durchaus gut vorstellbar.

makaracetuswhyyounohavetrunk

 

Ich habe zum Vergleich noch einmal ein paar andere Schädel moderner Tiere mit mehr oder auch weniger stark vergrößerten „Nasen“ oder Lippen in den Artikel eingebracht, welche sowohl am Schädel als auch am lebenden Tier sehr unterschiedlich sein können. Hier etwa der Schädel einer Klappmütze (aus dem Rosenstein-Museum Stuttgart):

Klappmützen-Schädel Rosensteinmuseum

Bei diesem ebenfalls im Rosenstein-Museum ausgestellten Seeelefantenschädel sieht man ebenso wie bei der Klappmütze dass die Nasenhöhle nach hinten verlängert ist, um entsprechenden Platz für das aufblähbare Nasenorgan zu bieten. Bislang kennt man nur einen einzigen Schädel von Makaracetus, daher ist es kaum zu sagen, ob ihre seltsame Schnauzenregion vielleicht wie bei Seeelefanten und Klappmützen möglicherweise nur bei Männchen ausgeprägt war, und vielleicht gar nichts mit der Nahrungssuche zu tun hatte.

Seeelefanten-Schädel Rosensteinmuseum (1)

Ein weiterer schöner Schädel aus dem Rosensteinmuseum, hier eines Manatis. Diese Seekühe haben extrem vergrößerte und komplexe Lippen um Pflanzen abzuweiden, und auch bei ihnen lassen sich einige Parallelen zum Schädel von Makaracetus erkennen.

Manati-Schädel Rosenstein-Museum

Schweine haben seitlich am Schädel Einbuchtungen an denen Muskeln für die Bewegung der Schnauzenspitze sitzen, welche den Muskelansatzstellen am Schädel von Makaracetus sehr ähnlich sehen, doch der Rest der Schnauzenregion ist völlig verschieden. Man kann die Einbuchtungen hier sehr gut im mittleren Drittel dieses Wildschweinschädels aus dem Rosenstein-Museum Stuttgart sehen, zwischen der Augenhähle und dem großen Foramen infraorbitale auf der linken Seite.

Wildschwein-Schädel Rosenstein Museum

Zuletzt noch ein Schädel der in den Proportionen seiner Nasenregion womöglich noch am nächsten an den von Makaracetus kommt, nämlich der eines Elches. Interessanterweise ist bei diesem das Nasenbein sogar noch erheblich weiter nach hinten versetzt als bei Makaracetus. Leider habe ich kein gutes Photo welche einen Elchschädel in Seitenansicht zeigt, daher eine Frontalaufnahme eines Schädels aus der Zoologischen Schausammlung Tübingen:

Elchschädel Zoologisches Institut Tübingen

Weiteres speziell über die problematische Rekonstruktion von Makaracetus findet man auf Biological Marginalia, dem neuen Blog von Cameron, hier und hier .

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Fossile Wale Teil 6: Maiacetus, Georgiacetus und andere Protocetidae

Dieser Teil wird insgesamt etwas kürzer als ich es beabsichtigt habe, was unter anderem daran liegt, das mir hier deutlich weniger verwendbares Bildmaterial zur Verfügung stand. In den letzten beiden Teilen ging es um bereits recht gut ans Wasser angepasste Formen wie Ambulocetus oder die Remingtonocetidae. In diesem Teil soll es nun um bereits weiter entwickelte Formen gehen, welche zwar ihren noch ursprünglicheren Verwandten wie Ambulocetus ähneln, aber in einer Reihe von Merkmalen bereits schon deutlich den höher spezialisierten vollmarinen Entwicklungslinien gleichen. Vielfach sind bei Illustrationen über die Evolution der Wale die Sprünge  zwischen den einzelnen Formen viel zu groß, da zu wenige Zwischenformen gezeigt werden. Dabei kennt man so viele verschiedene, welche sich jeweils voneinander nur sehr geringfügig voneinander unterscheiden, und sehr gut zeigen wie sich aus einem relativ kleinen an Land lebenden Huftier ein Lebewesen wie ein Delfin entwickeln konnte.

Eine Art die gut zeigt wie diese Entwicklung vom Land ins Meer weiter ging, ist Maiacetus innus, aus dem mittleren Eozän Pakistans. Maiacetus ist von besonders gut erhaltenen und kompletten Fossilien bekannt, daher weiß man sehr viel über seine Anatomie.

Maiacetus Skelett (Quelle Wikipedia)

Maiacetus war ein recht großes und kräftiges Geschöpf, und dürfte zu Lebzeiten wohl mindestens um die 300 kg gewogen haben, also etwa vergleichbar viel wie ein männlicher Kalifornischer Seelöwe (Zalophus californianus). Betrachtet man das Skelett und den Schädel, erkennt man eine Reihe von Ähnlichkeiten, aber auch Unterschiede im Vergleich zu Ambulocetus, der von sehr ähnlicher Größe war. Beginnt man am Kopf, so sieht man dass die Position der Augen deutlich tiefer ist als bei Ambulocetus, und im Prinzip beinahe schon der bei späteren vollaquatischen Walen entspricht. Interessant ist dass Maiacetus sehr viel kürzere Hinterbeine und kürzere Zehen hatte als Ambulocetus, aber dafür einen extrem kräftigen Schwanz, mit langen Wirbelausläufern. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlich diente bereits der Schwanz im Wasser als Hauptantriebsquelle, und es ist gut möglich dass er bereits geringfügig verbreitert gewesen sein könnte.

Zum Vergleich mit Dorudon ist unten noch einmal ein nicht maßstabsgetreuer Vergleich der Schädel zu sehen (Modifiziert von einer Darstellung von Wikipedia). Insgesamt ähnelt der Schädel in seinen Proportionen schon bereits viel stärker spezialisierten Arten wie Dorudon, zu welchem die Unterschiede insgesamt nur relativ gering sind, und einfach eine Fortführung des bereits eingeschlagenen evolutionären Weges sind. Die Nasenöffnung von Maiacetus war zwar schon bereits deutlich nach hinten versetzt, aber noch nicht so stark wie bei Dorudon, auch waren die Schneide-und Eckzähne in Form und Größe noch etwas inhomogener, und die Molaren und Prämolaren waren eher noch raubtiertypische Zähne, als die „Hai“-Zähne höher entwickelter Archaeoceten.

Gingerich_Maia_Fig01

Einen weiteren schönen Vergleich der beiden kompletten Skelette sieht man hier (von Wikipedia Commons):

Skelette von Dorudon und Maiacetus, im Musee d’Histoire Naturelle, Brüssel

Es ist sehr interessant dass Maiacetus einerseits bereits sehr starke Anpassungen an eine Fortbewegung im Wasser entwickelt hatte, und auch mit seinen kurzen und relativ schwachen Beinen nicht besonders gut zu Fuß gewesen sein dürfte, aber dennoch ohne Zweifel noch fähig war an Land zu laufen. Dagegen sind sowohl Hundsrobben, Ohrenrobben als auch Walrosse an Land relativ stark in ihrer Beweglichkeit eingeschränkt, was vermutlich mit daran liegt, dass bei ihren die Extremitäten, und nicht der Schwanz zur Fortbewegung dient, und die Gliedmaßen daher einer sehr viel stärkeren Selektion unterlagen als jene früher Wale. Zwar können zumindest Ohrenrobben auch an Land erstaunlich schnell sein, doch ist die Art ihrer Fortbewegung dennoch ziemlich unkonventionell. Es ist schwer einen Vergleich von Maiacetus zu einem lebenden Tier zu ziehen. Robben erscheinen vielleicht noch am ehesten mit ihnen vergleichbar, besonders jene Arten die sich vornehmlich in Küstengewässern aufhalten, und regelmäßig an Land kommen. Insgesamt war Maiacetus vermutlich noch nicht so stark an ein Lebem im Meer angepasst wie einige moderne Robben wie beispielsweise Seeelefanten, welche außer die Zeit zur Paarung, Fellwechsel und Geburt praktisch ihr gesamtes Leben auf der See verbringen, und zur Nahrungssuche sogar bis in die Tiefsee tauchen.

Besonders bemerkenswert ist an dieser Stelle, dass man von Maiacetus sogar das partielle Skelett eines Fötus innerhalb des Skeletts eines erwachsenen Exemplares gefunden hat (sieht unten stehendes Bild von Wikipedia). Die Position mit dem Kopf voran in Richtung des Geburtskanals deutet darauf hin dass Maiacetus noch zum Gebären an Land ging, denn heutige Wale bekommen ihre Jungen mit dem Schwanz voran. Es ist hierbei anzumerken, dass beispielsweise Flusspferde und Seeotter sich nicht nur im Wasser paaren, sondern dort auch ihre Jungen bekommen. Teilweise wurde das Skelett des Jungtieres auch ganz anders interpretiert, nämlich als noch unverdaute Mahlzeit. Allerdings habe ich hierbei erhebliche Zweifel, da es dafür noch viel zu groß und unversehrt erscheint. Fleischfressende Säugetiere fressen ihre Beute üblicherweise in sehr kleinen Stücken und gut zerkaut, sofern es sich nicht gerade um extrem kleine Beute handelt.

 

Adult_female_and_fetal_Maiacetus

 

Ich habe bereits am Anfang geschrieben dass ich für diesen Teil nur sehr wenig Bildmaterial zu Verfügung habe, was wirklich sehr bedauerlich ist. Denn neben Maiacetus kennt man noch sehr viele andere, allgemein ziemlich unbekannte Archaeoceti, welche sich auf ähnlichen Entwicklungsstufen befanden. Einige von ihnen sind von extrem gut erhaltenen und beinahe vollständigen Fossilien bekannt, ganz anders als die wenigen Urwale welche noch vor wenigen Jahrzehnten bloß extrem fragmentarisch erhalten waren, und ihre Rekonstruktionen entsprechend viele (teilweise falsche) Spekulationen bedingten. Es würde den Rahmen dieses Teils sprengen wenn ich jetzt auf jede der sonst bekannten Arten eingehen würde, daher nur eine kurze Aufzählung, um einigermaßen zu zeigen wie viele dieser Tiere tatsächlich bereits beschrieben sind, von all den noch unbekannten, oder bekannten aber noch nicht beschriebenen ganz zu schweigen. Unter den Maiacetus am nächsten stehenden Arten und Gattungen der Unterfamilie der Protocetidae kennt man unter anderem Artiocetus clavis, Crenatocetus, Gaviacetus, Indocetus, Protocetus atavus, Qaisracetus, Rhodocetus kasrani, Rodhocetus balochistanensis und Takracetus simus. Von der nahe verwandten Unterfamilie der Georgiacetinae, welche unter anderen durch das außerordentlich gut erhaltene Skelett von Georgiacetus vogtlensis bekannt ist, kennt man noch  Babiacetus, Carolinacetus, Eocetus, Natchitochia und Pappocetus. Natürlich lebten nicht alle diese Arten zur selben Zeit, oder immer in genau dem selben Gebiet, sondern waren bereits innerhalb eines riesigen Gebietes verbreitet, welches sich auf Teile des afrikanischen, asiatischen, europäischen und amerikanischen Kontinents verteilte. Zu dieser Zeit waren die noch amphibischen und nicht vollmarinen Urwale bereits eine vergleichbare Artendiverstität erreicht haben, wie heutzutage beipsielsweise die Ohrenrobben. Darunter waren auch bereits Arten welche schon stärker an ein Leben im Meer angepasst waren, und von denen eine Linie zu den modernen Walen führte, die wir heute kennen.

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Fossile Wale Teil 5: Die Remingtonocetidae – ein ungewöhnlicher Seitenzweig

Wie ich ja schon früher geschrieben habe ist es wichtig zu verstehen dass Evolution nicht immer geradlinig verläuft, sondern vielfach Verzweigungen gebildet werden. Manche dieser Seitenzweige entwickeln sich eigenständig weiter von der eigentlichen Entwicklungslinie, und gehen in eine andere Richtung. Das war auch bei den Walen nicht anders, und neben den relativ übersichtlichen Entwicklungslinien welche von Landformen über amphibische lebende Arten zu marine Formen zumindest einigermaßen einer gewissen Tendenz folgten, gab es bereits sehr früh abzweigendende Linien die andere Wege einschlugen.

Ein solcher Fall waren die Remingtonocetidae, eine Familie otterähnlicher Urwale von der bisher fünf Gattungen bekannt sind, Andrewsiphius, Attockicetus, Dalanistes, Kutchicetus und Remingtonocetus. Sie haben sich wahrscheinlich schon vor der Entwicklung der Ambulocetidae vom Hauptstamm abgespalten und sich in Richtung einer anderen ökologischen Nische hin entwickelt. Auffällig sind bei den Remingtonocetidae vor allem zwei Dinge, erstens ihre extrem verlängerten Kiefer, und zweitens ihre sehr geringe Größe. Ihr Körper war tatsächlich nicht größer als der eines Fischotters, dagegen war der Kopf auf geradezu groteske Weise riesig. Hier eine Lebendrekonstruktion von Kutchicetus minumus von Carl Buell:

Kutchicetus minumus by Carl Buell

Die Hinterbeine der Remingtonocetidae waren recht kurz, weshalb bei ihnen bereits der sehr lange Schwanz unter Wasser für den Hauptantrieb gesorgt haben dürfte. Ihre langen Schnauzen haben keine Entsprechung unter allen lebenden Landsäugern, und werden in der gesamten Geschichte der Säugetiere lediglich noch von einigen weitaus späteren Zahnwalen wie Eurhinodelphis oder Zarhachis übertroffen. Da sie aber trotz allem aufgrund ihres otterähnlichen Körper dennoch Zeit an Land verbracht haben düften, kann man sie vielleicht noch etwas eher mit langschnäuzigen Crocodiliern wie Gavialen vergleichen. Die lange schmale Schnauze war fast mit Sicherheit eine besondere Anpassung an den Fang von Fischen, wie man es in ähnlicher Weise auch bei manchen Labyrinthodontiern, Phytosauriern, zahllosen fischfressenden Vögeln und natürlich auch Raubfischen findet.

Interessant ist an dieser Stelle auch, dass unter allen lebenden Walen die im Süßwasser lebenden Flussdelphine die am stärksten verlängerten Kiefer entwickelt haben, vor allem der Amazonas-Flussdelphin und der Franziscana. Hier noch ein weiteres Bild von Carl Buell, welches Kutchicetus minimus zeigt, wobei der Wasservogel im Hintergrund recht gut die sehr geringe Größe veranschaulicht:

Kutchicetus minumus by Carl Buell 2

Wahrscheinlich füllten sie zu ihrer Zeit und in ihrem Verbreitungsgebiet die ökologische Nische welche heute vor allem von Fischottern eingenommen wird. Der massive Unterschied der Schädelproportionen zeigt hier aber auch dass sich trotz ähnlicher Lebensweise nicht zwangsläufig immer ein in allen Merkmalen ähnliches Äußeres entwickeln muss, da es verschiedene Möglichkeiten gibt die gleiche Aufgabe zu meistern. Auch die Robben haben niemals wirklich lange Schnauzen entwickelt, sondern blieben in ihren Schädelproportionen trotz allem seit ihren frühesten otterähnlichen Vorfahren relativ (und das ist jetzt sehr relativ zu sehen) konservativ.

Auf diesem leider nicht besonders scharfen Photo von Kutchicetus minimus von Wikipedia kann man sehr schön die äußerst merkwürdigen Proportionen sehen:

Kutchicetus_minimus_skeleton,_Canadian_Museum_of_Nature

Der Schädel ist so groß, dass man sich auch den Körper entsprechend viel größer vorstellen würde, wenn man ihn nicht kennen würde. Man sieht im Schulterbereich die stark verlängerten Wirbelausläufer, welche nötig waren um mit denen an ihnen ansetzenden Muskeln und Bändern das enorme Gewicht des Kopfes zu tragen, sowie die starke Verlängerung des Scheitels in Richtung des Nackens Auch sieht man sehr schön wie kurz die Hinterbeine und wie lang der Schwanz gewesen ist.

Leider finden diese hochinteressanten und unikaten Mitglieder der frühesten Radiation innerhalb der Entwicklung der Wale nur sehr selten einmal Erwähnung, was auch ein weiterer Grund ist, warum ich diesen Teil der Serie den Remingtonocetidae gewidmet habe.

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Fossile Wale Teil 4: Ambulocetus – abgetaucht!

Während Pakicetus noch eindeutig an Land relativ gut zu Fuß gewesen ist, gab es auch bereits weitaus besser an ein Leben im Wasser angepasste Formen wie Ambulocetus natans, welche sich an Land nur noch recht unbeholfen fortbewegt haben dürften. Ambulocetus war ein sehr großes und massiges Lebewesen, dass eine Länge von etwa drei Metern erreichte. Sein Kopf war riesig, mit sehr weit oben liegenden Augen, seine Kiefer sehr lang wie bei einem Krokodil, die Vorderbeine wie bei vielen anderen amphibisch lebenden Säugern wie Ottern oder Bibern sehr kurz, und die Hinterbeine dagegen lang und kräftig. Wieder einmal war es Carl Buell der sich besonders intensiv und als einer der allerersten mit der Rekonstruktion dieser Tiere befasst hat:

Ambulocetus von Carl Buell

Bei ihnen spielten die Hinterbeine sicherlich noch eine wichtige Rolle bei der Fortbewegung unterwasser, und sorgten zusammen mit dem kräftigen Schwanz für den Antrieb. Die Ohren waren bereits stark zurückgebildet, und die äußeren Ohrmuscheln dürften äußerst klein, oder schon gar nicht mehr vorhanden gewesen sein.  Manch einer wird Ambulocetus noch aus der BBC-Doku „Die Erben der Dinosaurier“ kennen, allerdings war er dort wie so viele andere Arten (speziell Basilosaurus und Dorudon!) nicht unbedingt ganz richtig rekonstruiert, was auch die Unterschiede zu der Darstellung von Carl Buell bedingt. So war der Schädel des BBC-Ambulocetus beispielsweise viel zu breit, und auch die Nasenknorpel wurden mal wieder unterschlagen, weshalb bei ihm die Nasenöffnungen weiter hinten lagen. Im Vergleich zu Pakicetus hatte Ambulocetus sehr große Hinterfüße, und sicherlich wird er auch entsprechend große Schwimmhäute besessen haben, wie man sie bei praktisch allen anderen vergleichbaren Säugern findet, seien es Biber, Desmane oder wie hier ein Schwimmbeutler, welcher in der Zoologischen Schausammlung Heidelberg zu sehen ist:

Schwimmbeutler (Chironectes minimus)

Man sieht bei einer ähnlichen Körperhaltung sehr gut wie sich die beiden überhaupt nicht verwandten Arten im Körperbau ähneln, wenngleich Ambulocetus bereits noch stärker ans Wasser angepasst war.

Ambulocetus von Carl Buell

Interessant ist auch dass die Unterschiede zu Pakicetus trotz allem relativ gering sind, und im Endeffekt nur eine Weiterentwicklung der Merkmale darstellen, welche sich bereits bei Indohyus in schwächerer Form zeigten. Also ein immer größer und länger werdender Kopf mit immer stärkerer Anpassung auf eine carnivore und später piscivore, also aus Fischen bestehende Nahrung, eine Dorsalverlagerung der Augen, eine Verkürzung der Vordergliedmaßen, eine allgemeine Tendenz zu mehr Körpergröße und robusteren Proportionen.

Heutzutage gibt es eigentlich kein Lebewesen mehr dass sich wirklich mit Ambulocetus vergleichen ließe, am ehesten käme vielleicht noch ein südamerikanischer Riesenotter in Frage, doch auch diese sind erheblich kleiner und verfügen vor allem nicht über den enormen „Krokodilsschädel“. Aufgrund von Isotopenanalysen der Fossilien weiß man dass sich Ambulocetus sowohl im Süßwasser als auch im Salzwasser aufgehalten hat. Möglicherweise kann man hier geringe Analogien zu Manatis ziehen, welche in manchen Gebieten ebenfalls zwischen Meer, Mangrovengebieten, Brackwasser und Flüssen wechseln. Hier noch ein weiteres äußerst dynamisches Bild von Ambulocetus beim Jagen, wie die vorigen von Carl Buell:

Ambulocetus von Carl Buell

Was sehr interessant ist, sind die Proportionen des Schädels und die Anordnung und Form der Zähne, welche bereits recht stark selbst schon vollaquatischen Formen wie Dorudon ähneln. Besonder gut kann man das am Skelett erkennen (im Hintergrund mit dem Skelett von Pakicetus):

Ambulocetus Skelett (Quelle Wikipedia)

Die extrem weit oben am Schädel liegenden Augen von Ambulocetus sind zugegebenerweise recht seltsam, da spätere Wale viel tiefer liegende Augen hatten (wobei sich bei bestimmten noch viel späteren Formen die Augen wieder stark nach oben hin entwickelten). Allerdings hatten auch bereits Indohyus and Pakicetus sehr weit oben am Kopf liegenden Augen, und entweder haben sich die späteren Wale von Ambulocetus-ähnlichen Urformen mit noch etwas weniger extrem nach dorsal verlagerten Augen entwickelt, oder die Augen sind tatsächlich nach einer sehr weit oben liegenden Phase im weiteren Verlauf der Evolution wieder an die Seiten des Schädels gewandert. Interessanterweise findet man auch bei Krokodilen eine ähnliche Entwicklung. Die größtenteils im Süßwasser lebenden und mit den heute lebenden Arten vergleichbaren Urkrokodile besaßen allesamt ganz oben am Kopf liegende Augen, welche es ihnen ermöglichten noch beinahe komplett untergetaucht über die Oberfläche zu sehen. Ein Grund dafür war sicherlich zum einen der Fang von Beutetiere an der Oberfläche oder am Ufer, zum anderen um Ausschau nach potentiellen Gefahren vom Ufer oder von oben zu halten. Überdies sehen Krokodile unter Wasser nicht besonders gut, und orientieren sich dort größtenteils mit Hilfe von über ihren Körper verteilten Druckrezeptoren.

Dagegen hatten die durchaus mit den Archaeoceti vergleichbaren und extrem an ein marines Leben angepassten Metriorhynchidae welche zu Paddeln umgebildete Gliedmaßen und auch eine gut ausgebildete heterozerke Schwanzflosse besaßen, seitlich am Kopf liegende Augen. Möglicherweise konnten sie besser unter Wasser sehen als ihre Vorfahren, und womöglich spielte der Sehsinn unter Wasser auch eine größere Rolle beim Beutegreifen als bei konventionelleren Crokodiliern. Auch bei den Walen kann sehr gut eine ähnliche Entwicklung vonstatten gegangen sein, welche anfangs während der Entwicklung einer terrestrischen zu einer immer mehr amphibischen Lebensweise zu einer Dorsalorientierung der Augen führte, und später bei einer immer weiteren Spezialisierung auf offene marine Lebensräume wieder zu einer Seitwärtsverlagerung der Augen.

Auch war Ambulocetus keine völlig singuläre Gattung, man kennt auch mit der Gattung Gandakasia aus Pakistan und Himalayacetus aus dem Himalajagebiet auch ähnliche Gattungen, welche jedoch leider nur durch sehr fragmentarische Reste bekannt sind. Es ist durchaus wahrscheinlich dass es noch mehr gegeben hat.

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Fossile Wale Teil 3: Pakicetus – es geht weiter Richtung Wasser

 

Der im letzten Teil vorgestellte Indohyus hatte ja noch sehr wenig Ähnlichkeit mit modernen Walen, vor allem weil es sich um ein größtenteils von Pflanzen lebenden Omnivoren handelte. Doch man kennt auch andere, bereits weiter entwickelte Formen, bei welchen sich die Merkmale ihrer Nachfahren bereits etwas eher erahnen lassen. Dazu gehören die vier bekannten Arten der Gattung Pakicetus, P. inachi, P. attocki, P. calcis und P. chittas, welche man anhand von 48-49 Millionen Jahren alten Fossilien aus Pakistan kennt.

Um hier vorneweg Missverständnissen vorzubeugen, was die chronologische Einordnung angeht, muss noch einmal kurz etwas erläutert werden. Indohyus wurde ebenfalls auf etwa 48 Millionen Jahre datiert, war aber noch primitiver als Pakicetus. Dass beide Gattungen zur selben Zeit lebten, obwohl die eine eine höhere Entwicklungsstufe darstellt ist aber keineswegs ein Widerspruch. Evolution ist nur in sehr seltenen Fällen auf eine einzige Linie beschränkt, sondern viel eher mit einem Busch oder Baum zu vergleichen. Wenn ein Seitenzweig sich in eine neue Richtung entwickelt, muss dies nicht zwangsläufig zu einem Aussterben der ursprünglicheren Formen führen, vor allem wenn sie unterschiedliche ökologische Nischen besetzen. Zwar stammt Pakicetus nicht in direkter Linie von der gleichzeitig lebenden Form von Indohyus ab, sondern von einer früheren gemeinsamen Stammform, doch dürfte diese immer noch sehr stark Indohyus geähnelt haben. Genau wie sich Arten wie die Hirschferkel über zig Millionen Jahre kaum weiter entwickelt haben, während ihre Verwandten in Savannen, Steppen und anderen Habitaten sich immer weiter auffächerten und immer mehr Spezialisierungen entwickelten, verblieb wohl auch Indohyus und seine Vorfahren über einen sehr langen Zeitraum in einer Art Stasis.

Pakicetus hatte in etwa die Größe eines mittelgroßen Hundes wie einem kleineren Border Collie. Man kann durchaus noch die Verwandtschaft zu Indohyus erkennen, etwa die behuften Zehen, der große Kopf und der lange Schwanz, aber auch dass Pakicetus bereits besser an ein Leben und vor allem an ein Jagen im Wasser angepasst war. Die Augen liegen ausgesprochen weit oben am Kopf, ähnlich wie bei Flusspferden oder anderen Tieren die viel Zeit unter Wasser nahe oder Wasseroberfläche verbringen. Auch sind die Kiefer sehr lang, und daher auch gut geeignet gewesen um Fische zu fangen, während die Gliedmaßen bereits kürzer als bei Indohyus waren, und auch die Zehen teilweise länger und stärker gespreizt.  Ursprünglich waren von Pakicetus nur sehr wenige Fragmente bekannt, und er wurde reichlich spekulativ als ein vage robbenartiges und bereits größtenteils im Wasser lebendes Wesen rekonstruiert, inzwischen kennt man allerdings weitaus vollständigere Funde, welche uns inzwischen ein sehr gutes Bild über das tatsächliche Aussehen vermitteln.

Hier ein Bild welches Carl Buell von Pakicetus gemacht hat:

Pakicetus by Carl Buell

An dieser ebenfalls von Carl Buell angefertigen Kopfstudie kann man sehr schön sehen wie lang und schmal die Schnauze gewesen ist, und wie hoch die Augen saßen:

Pakicetus dorsal by Carl Buell

Die Fossilien von Pakicetus stammen aus einem Gebiet welches zur damaligen Zeit am Rande des Tethys-Meeres lag. Die Zähne von Pakicetus waren bereits deutlich an eine carnivore Lebensweise angepasst, und vermutlich umfasste ihre Beute ein recht breites Spektrum von verschiedenen Arten am und im Wasser lebender Tiere. Es sei an dieser Stelle auch daran erinnert, dass beispielsweise auch Fischotter bei weitem nicht nur Fisch fressen, sondern auch Flusskrebse, Amphibien, Wasservögel und sogar größere Säugetiere bis hin zu Bisamratten.

Pakicetus attocki Skelett, Royal Ontario Museum

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Fossile Wale Teil 2: Indohyus – der erste Schritt ins Wasser

Eigentlich wollte ich mit einer anderen Gruppe von Urwalen weiter machen, doch nach einiger Überlegung dachte ich dass es wahrscheinlich übersichtlicher ist, zumindest einigermaßen chronologisch vorzugehen, und mit den ältesten Formen anzufangen. Im ersten Artikel habe ich ja bereits einiges Grundsätzliche über die Darstellung von Archaeoceti geschrieben, und mit Indohyus bereits einen der allerersten bekannten Walvorfahren vorweg genommen. Aber natürlich fängt die Geschichte der Wale nicht erst mit bereits vollaquatischen Formen wie Dorudon an, sondern bereits sehr viel früher.

Lange Zeit herrschte große Ungewissheit über die tatsächlichen Vorfahren der Wale, doch vor allem in den letzten Jahren wurden aufgrund spektakulärer Fossilfunde sowie über Genanalysen das Wissen über die wirklichen Ursprünge stark erweitert. Es wurde zwar bereits seit langer Zeit angenommen dass Wale von den Mesonychiden, einem Zweig fleischfressender Urhuftiere, abstammen würden, und entsprechend wurden Arten wie der in Größe und Aussehen mit einem Wolf vergleichbare Mesonyx für die terrestrischen Vorfahren der Wale angenommen. Leider hat die in Dokumentationen zumindest früher häufig vorgebracht Behauptung Wale würden von wolfsartigen Raubtieren abstammen, immer wieder Leute die nicht genau zugehört haben, dazu gebracht hat zu glauben dass Wale von Wölfen abstammen. Das ist natürlich völliger Unsinn. Untersuchungen der DNS von Walen mit anderen heutigen Säugetieren haben gezeigt dass unter allen lebenden Arten Flusspferde ihre nächsten lebenden Verwandten sind. Leider konnte man daher vereinzelt auch lesen dass Flusspferde die Vorfahren der Wale sind, was natürlich ebenfalls Unsinn ist. Sie haben lediglich den letzten gemeinsamen Vorfahren mit den Walen, haben sich selbst allerdings seit dieser Zeit selbst ebenfalls erheblich weiterentwickelt. Die früher Walvorfahren sahen demnach weder wie Wölfe noch wie Flusspferde aus. Man kann sie sich wohl eher als eine Mischung aus einem kleinen Hund und einem der winzigen Hirschferkel vorstellen, etwa in der Größenordnung eines Fuchses.

Dies waren Tiere wie Indohyus, eine vor 48 Millionen Jahren lebende Gattung ursprünglicher Huftiere, deren Fossilien im heutigen Kaschmir entdeckt wurden. Man kennt zwei Arten der Gattung, Indohyus major und Indohyus indirae. Neben der im letzten Teil gezeigten Lebendrekonstruktion von Indohyus hat Carl Buell noch eine weitere wunderschöne Darstellung dieses Tieres angefertigt:

Indohyus major von Carl Buell

Indohyus war noch bei weitem kein ausgesprochener Wasserbewohner wie beispielsweise ein Fischotter, sondern primär ein Landbewohner der relativ häufig ins Wasser ging. Am ehesten lässt er sich wohl noch mit dem winzigen Afrikanischen Hirschferkel (Hyemoschus aquaticus) vergleichen, einem sehr urtümlichen kleinen Huftier. Diese kleinen Dschungelbewohner leben zwar primär an Land, sind allerdings auch ausgezeichnete Schwimmer und können auch mehrere Minuten tauchen, wobei sie ähnlich wie Flusspferde auch direkt auf dem Gewässerboden laufen können. Diese Fähigkeit nutzen sie nicht nur um sich im Wasser vor Feinden in Sicherheit zu bringen, sondern auch um beispielsweise am Boden von Urwaldflüssen liegende Früchte zu fressen, und gelegentlich sogar Fische zu fangen. Überhaupt fällt ihr Speiseplan keineswegs so vegetarisch aus wie man anhand ihres Aussehens vermuten könnte, denn sie fressen auch Insekten, Vogeleier, Aas und verschiedene kleine Wirbeltiere, ähnlich anderen kleinen in Urwäldern lebenden Huftieren wie den Duckern (mehr Informationen gibt es in diesem alten Artikel).

Diese Tiere werden kaum einmal in Zoos gehalten, und auch in Museen bekommt man sie nicht übermäßig oft zu sehen, und da man sie wegen ihres doch nicht gerade spektakulären Aussehens selten weiter beachtet, ist hier einmal ein Photo eines Hirschferkels (wie so oft von Wikipedia):

Afrikanisches Hirschferkel

Wie gut Afrikanische Hirschferkel schwimmen und tauchen können, und wie sie sich auf diese Weise vor Feinden verbergen können, kann man sehr eindrucksvoll in diesem Video sehen:

Afrikanisches Hirschferkel unterwasser.

Indohyus dürfte durchaus ganz ähnlich gelebt haben, wenngleich aufgrund seiner Zähne davon auszugehen ist dass er trotz seiner primär auf Pflanzen basierenden Ernährung vielleicht insgesamt etwas mehr tierische Kost gefressen haben dürfte als Hirschferkel. Sowohl bei Hirschferkeln als auch Flusspferden und Indohyus sind die Knochen schwerer gebaut als bei vergleichbaren Tieren, welche primär an Land leben. Durch eine dicke Compacta der Knochen haben diese eine größere Dichte, was den Gesamtauftrieb verringert, so dass ein Abtauchen und auch ein Laufen auf dem Gewässergrund viel einfacher wird. Anhand von Untersuchungen der Sauerstoffisotope in den Zähnen von Indohyus weiß man auch dass diese jenen von Tieren entsprechen die viel Zeit im Wasser verbringen. Um noch einmal Missverständnissen vorzubeugen, Hirschferkel sind ebenfalls nicht die Vorfahren der Wale, sie ähneln diesen lediglich in ihrer Ökologie und teilweise auch in der Anatomie.

Wenn man sich nun fragt, woher man weiß dass Indohyus überhaupt mit Walen verwandt ist, muss man sich seine Anatomie genauer ansehen. Glücklicherweise ist sind von Indohyus recht viele und auch recht gute Fossilien bekannt, so dass man recht gut anatomische Vergleiche mit anderen Arten anstellen kann. Besonders auffällig ist die ungewöhnliche knöcherne Ohrregion von Indohyus, welche am ehesten der hochspezialisierten Bulla ossea, der Gehörkapsel der Wale ähnelt. Aber auch sonst ähneln viele seiner Merkmale späteren, und bereits deutlich stärker ans Wasser angepassten Arten, wie etwa der relativ großen Kopf mit den langen Kiefern und der sehr lange kräftige Schwanz.

Weitere Informationen über Indohyus findet man hier:

Thewissen, J. G. M.; Cooper, LN; Clementz, MT; Bajpai, S; Tiwari, BN (2007). „Whales originated from aquatic artiodactyls in the Eocene epoch of India“. Nature 450 (7173): 1190–1194.

 

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Fossile Wale Teil 1: Was bei vielen Darstellungen von Urwalen falsch gemacht wird

Im Gegensatz zu prähistorischen marinen Reptilien wie Plesiosauriern, Mosasauriern oder Ichthyosauriern gekommen fossile Wale in der Regel nur recht wenig Publicity, und auch in Büchern werden in aller Regel nur eine handvoll Arten vorgestellt, obendrein meistens auch mehr oder weniger die selben. Zu diesen gehören insbesondere Basilosaurus und Dorudon, wobei es sich bei beiden im Übrigen nicht um einzelnen Arten, sondern um Gattungen mit jeweils mehreren bekannten Spezies handelt. Dass ausgerechnet diese so häufig gezeigt werden, hat zweifellos auch einen historischen Grund, denn beide sind schon seit über hundert Jahren durch recht gute und vor allem sehr zahlreiche Fossilfunde bekannt. Dass es auch noch sehr viele andere, teilweise sogar exzellent erhaltene Archaeoceti gab, wird meistens völlig unterschlagen, so dass man leicht den Eindruck bekommt, dass die frühe Walfauna nur aus jenen beiden Formen bestanden hat. Tatsächlich war die Diversität allerdings schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt in der Evolution der Wale erstaunlich hoch, und ständig werden neue Arten entdeckt. Hinzu kommt, dass uns seit nunmehr über 100 Jahren immer wieder aufs Neue Rekonstruktionen aufgetischt werden, welche mit größter Wahrscheinlichkeit nicht dem tatsächlichen Aussehen dieser Tiere entsprechen. Die meisten Darstellungen von Basilosaurus und anderne frühen Urwalen sehen in etwa so aus (Quelle: Wikipedia):

Basilosaurus „traditionell“ rekonstruiert

Die Zeichnung ist vom künsterlischen ja an sich ganz gut, doch weist sie einige eklatante Fehler auf. Eigentlich wollte ich auf dieses spezielle Thema schon vor Jahren einmal näher eingehen, habe es dann aber irgendwie nie geschafft. Erst durch die kürzliche Veröffentlichung des Buches „All Yesterdays: Unique and Speculative Views of Dinosaurs and Other Prehistoric Animals “ von meinem guten Freund Dr. Darren Naish hat mich dazu angespornt, den Artikel endlich zu schreiben. In dem Buch geht es um die Problematik der Rekonstruktion ausgestorbener Arten von denen lediglich die Knochen bekannt sind, und die damit einhergehende Problematik dass besonders bei Tieren ohne lebende Verwandte das Aussehen und die Menge des Weichgewebes im Prinzip völlig unbekannt sind. Desweiteren wird die seit Anbeginn der Paläontologie verbreitete Unsitte des „shrink-wrapping“ oder Zusammenschrumpfens kritisiert, bei der viele Tiere auf eine Art und Weise portraitiert werden, die nur einen minimalen und völlig unnatürlichen Anteil von Weichgewebe und Haut über dem Skelett zeigt.

Dies betrifft vor allem Dinosaurier, prähistorische Säuger sind davon glücklicherweise in der Regel weitaus weniger betroffen, da hier allgemein weitaus bessere Vergleiche zu lebenden Arten möglich sind. Aber eben leider nicht immer, und gerade bei den Archaeoceti werden immer wieder die gleichen Fehler gemacht. Was genau das ist, soll hier noch einmal anhand von Basilosaurus gezeigt werden. Hier ist ein Photo eines Schädels von Basilosaurus cetoides, ebenfalls von Wikipedia:

Basilosaurus_cetoides_skeleton

Wenn man ihn mit der zuvor gezeigten Rekonstruktion vergleicht, fällt auf dass der Kopf des Basilosaurus fast zu 100% der Form des Schädels entspricht, und damit ein besonders gutes Beispiel für „shrink-wrapping“ ist. Dieser Basilosaurus (und auch die meisten anderen Rekonstruktionen) sieht kaum nach einem Säugetier aus, sondern viel mehr nach einem Reptil wie etwa einem Mosasaurier, wobei allerdings auch bei diesen ähnlich heutigen Waranen die Zähne kaum sichtbar gewesen esin dürften. Dies liegt nicht nur an dem recht lange Körper (der im Übrigen in Wirklichkeit noch weitaus länger war als hier dargestellt), sondern vor allem an den Zähnen und der Nasenregion. Bei Reptilien ist in aller Regel tatsächlich sehr wenig Muskulatur, Fett-, Knorpel-und Bindegewebe im Kopfbereich vorhanden, und das Äußere entsprechen teilweise tatsächlich recht stark dem darunter liegenden Schädel, wenngleich auch hier keineswegs zu stark verallgemeinert oder vereinfacht werden darf, insbesondere in Bezug auf Dinosaurier.

Aber Basilosaurus und seine Verwandten waren Säugetiere, und es gibt keinerlei Grund anzunehmen, dass ihre Schädel mit deratig wenig Weichgewebe bedeckt waren wie man das meistens zu sehen bekommt. Zwar hatten sie noch keine Echolotorgane, welche bei heutigen Zahnwalen teilweise einen erheblichen Einfluss auf die äußere Form des Kopfes haben, aber dennoch dürften sie fast mit Sicherheit anders ausgesehen haben als die zähnestarrenden, reptilartigen Monstrositäten die wir kennen. Dem liegen eine Reihe von Überlegungen zugrunde. Zum einen muss man sich einmal bewusst machen, von was für Tieren die frühen Wale abstammten. Auch wenn sie sich in einigen Merkmalen wie etwa dem ausgesprochen großen Schädel von vielen heutigen Raubtieren unterschieden, dürften noch stark terrestrisch gebundene frühe Walvorfahren wie Pakicetus oder Indohyus noch mit Sicherheit Säugetier-typische anatomische Merkmale wie Lippen, Backen und Nasen besessen haben, wie man etwa auf dieser wunderschönen von Carl Buell angefertigen Rekonstruktion von Indohyus sieht:

Indohyus major von Carl Buell

Abgesehen von einigen wenigen Arten bei denen spezialisierte Eck-oder Schneidezähne auch bei geschlossenem Maul herausragen, können alle landlebenden Säugetiere ihr Maul komplett schließen, da die Lippen über die Zähne ragen, und so die Mundhöhle abschließen können. Hinzu kommt dass auch die Mundwinkel durch das Vorhandensein von flexiblen Gewebe in der Wangenregion viel weiter vorne liegen als die hintersten Zähne. Das trifft übrigens auch auf Robben und andere größtenteils im Wasser lebende Säugetiere zu, auch auf Arten wie den Seeleoparden, der ein ausgesprochen tief gespaltenes Maul hat. Aber durch die Lippen und das Wangengewebe sind dennoch bei geöffnetem Maul normalerweise allerhöchstens noch die langen Eckzähne zu sehen, wie man auf diesem Bild von Wikipedia erkennen kann:

Seeleopard

Aber auch moderne Wale haben Backen und Lippen, auch wenn diese etwas anders aussehen als bei anderen Säugern. Sie sind recht steif und wenig flexibel, aber dennoch immer mehr oder weniger ausgeprägt vorhanden. Abgesehen von ganz wenigen Ausnahmen wie dem Gangesdelphin, bei dem die vordersten Zähne in den schnabelförmig verlängerten Kiefern wie eine Pinzette „offen“ ineinander beißen, haben alle anderen Wale die Fähigkeit ihr Maul zum umliegenden Wasser dicht zu schließen. Dies kommt zustande weil die Oberlippen die Zähne des Oberkiefers überragen, vor allem im hinteren Bereich des Maules teilweise sogar erheblich, und regelrechte Wangentaschen bilden können. Wird das Maul geschlossen, greifen die Zähne des Unterkiefers zwischen die Zähne des Oberkiefers, und werden dadurch von den Lippen verdeckt und die Mundhöhle geschlossen. Besonders eindrucksvoll sieht man das bei Arten mit sehr großen Zähnen, wie etwa dem Orca oder dem Kleinen Schwertwal Pseudorca crassidens. Bei ihnen haben die Zähne im Vergleich zum Schädel ähnliche Ausmaße wie bei den oftmals sehr großzähnigen Archaeoecti, wie man hier am Beispiel eines Schädelabgusses von Pseurorca crassidens aus dem Zoologischen Museum in Kopenhagen sehen kann:

Pseurorca crassidens Kopenhagen

Doch ungeachtet der sehr großen Zähne sind bei geöffnetem Maul von der Seite lediglich jene im Unterkiefers zu sehen, die oberen werden durch die steifen Lippen komplett verdeckt. Es gibt auch weitaus bessere Bilder die das zeigen, und bei denen man besonders gut sieht wie weit vor allem die hinteren Zähne von den Wangen überragt werden, aber leider keine die ich für den Artikel verwenden konnte.

Kleiner Schwertwal Pseudorca crassidens

Was sagt uns das nun über das Aussehen der Archeaoceti? Rein logisch betrachtet muss man davon ausgehen dass, wenn sowohl ihre Vorfahren säugertypische Lippen besaßen, als auch die heutigen Wale (wenngleich auch abgewandelte) Lippen haben, sie ebenfalls welche besessen haben müssen. Andernfalls hätten sie ihr Maul gar nicht richtig schließen können, was an Land zum Austrocknen der Mundhöhle und im Wasser zu einem ständigen Durchfluss geführt hätte. Genau das wäre aber der Fall bei all den Rekonstruktionen gewesen, bei denen die Zähne vollständig sichtbar aus dem Oberkiefer ragen, und – seltsamerweise – werden sie auch fast immer mit geöffnetem Maul dargestellt, da sich kaum jemand je der Problematik gestellt hat wie es aussehen würde wenn die Kiefer geschlossen wären. Die Lippen der frühesten Formen waren sicherlich noch flexibler und weniger steif als die moderner Wale, aber in jedem Fall kann man davon ausgehen dass sie zumindst im Oberkiefer gut ausgebildet waren, und die Zähne zumindest im hinteren Teil völlig, und im vorderen Teil des Maules zumindest größtenteils verdeckt haben. Übrigens werden häufig nicht nur Archaeoceti, sondern auch andere fossile Zahnwale wie Squalodonten oder etwa die „Killerpottwale“ wie Zygophyseter oder Brygmophyseter sehr häufig ohne Lippen und mit deutlich sichtbaren Zähnen im Oberkiefer dargestellt.

Ein weiterer Grund warum sehr viele Rekonstruktionen so reptilienartig und „schädelig“ sind, liegt daran dass das Weichgewebe rund um die Nase meistens mehr oder weniger völlig missachtet wird. Säugetiere besitzen üblicherweise ein komplexes System aus Knorpel-und Muskelgewebe in ihren Schnauzen, das letztendlich dem Profil erst seine eigentliche Form verleiht. Auch die Nase des Menschen besteht zum größten Teil aus Knorpel, und nur ein recht kleiner Teil wird vom eigentlichen Nasenbein gebildet. Im Wasser lebendende Säuger besitzen normalerweise verschließbare Nasenöffnungen, was zusätzlich ausgebildete Muskulatur, und daher auch ein etwas höheres Gewebevolumen vor der eigentlichen knöchernen Nasenöffnung bedingt. Es ist sehr schwer zu sagen wie die Schnauzen der frühen Wale ausgesehen haben, aber man kann mit Sicherheit davon ausgehen dass sie nicht einfach nur Löcher in der Haut über dem Nasenbein waren. Ihre terrestrischen Vorfahren hatten eine weiche Schnauze aus Knorpeln und Muskeln, und auch ihre heutigen Nachfahren besitzen etwas vergleichbares. Die auf ein einziges Blasloch reduzierte Atemöffnung der Zahnwale mit ihren komplexen Verbindungen zum Echolotorgan ist hier kein besonders guter Vergleich, da hier durch Melone und Fettgewebe beinahe alles verdeck ist. Das linksseitig gelegene Blasloch des Pottwals ist hier eine Ausnahme, und man erkennt deutlich einen recht großen muskulösen Wulst um es herum. Die Bartenwale entwickelten im Gegensatz zu den späteren Zahnwalen keine Echolotorgane, und da sie sich bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt von den Archaeoceti abspalteten, sind sie wahrscheinlich auch der beste Vergleich in Bezug auf die Nasenöffnungen. Wie man auf diesem Photo (von Wikipedia) eines Finnwals sieht, sind die paarigen Nasenöffnungen von einem erstaunlich großen Wulst umgeben, welcher unter der Haut und dem Speck sowohl von den Nasenknorpeln als auch verschiedenen sie verbindenden Muskeln gebildet wird.

Finnwal Nasenöffnungen

Dieses Photo stammt aus dem Zoologischen Museum in Hamburg, und zeigt den Schädel eines Furchenwales. Ich bin mir leider nicht mehr genau sicher um welche Art es sich handelte, aber ich meine es sei ebenfalls ein Finnwal gewesen. Wie man erkennen kann entspricht das äußere Profil der Nasenregion keineswegs jenem des Schädels, eben weil auch bei heutigen Bartenwalen sehr viel Gewebe um die Nasenöffnungen vorhanden ist.

Furchenwal Schädel

Entsprechend muss man auch hier davon ausgehen dass bei den Archaeoceti die Schnauzenregion vor der Nasenöffnung des Schädels deutlich fleischiger war als meistens dargestellt, und vielleicht sogar den dahinter liegenden Bereich des Nasenbeins leicht überragt haben könnte. Mit Sicherheit hat die Schnauzenregion aber nicht der Form des Schädels entsprochen, und entsprechend anders dürfte das Profil ausgesehen haben.

Eine weiter Körperregion die bei Archaeoceti oft falsch dargestellt wird, ist der Hals. Sehr oft ist der Kopf stark und äußerst aprupt vom Körper abgesetzt, und häufig sogar mit einem dünnen Hals. Warum nun ist dies sehr unwahrscheinlich? Hier muss man sich überlegen, dass ein stark vom restlichen Körper abgesetzter Hals höchstwahrscheinlich strömungsungünstig gewesen wäre, und zum anderen aus thermoregulatorischer Sicht ebenfalls ungünstig, weil gerade an diesem zur Versorgung des Kopfes sehr gut durchblutetem Körperareal im Wasser sehr viel Wärme verloren ginge. Bei Robben ist im Halsbereich extrem viel Fett vorhanden, welches einerseits isoliert, und zum anderen den Körperbewegungen folgt, und immer eine übergangslose strömungsgünstige Form bildet.  Tatsächlich entspricht bei Robben die äußere Form des Halses nicht einmal annäherungsweise der Form der Wirbelsäule. Auf dem weiter unten gezeigten Photo aus dem Naturkunde-Museum in Berlin sieht man sehr deutlich wie das Fett im Hals den Übergang vom Kopf über den Hals und Körper völlig egalisiert. Anhand von Röntgenaufnahmen von Seehunden weiß man dass deren Halswirbelsäulen sogar noch weitaus extremer nach hinen gebogene Stellungen einnehmen können, ohne das man von außen eine große Änderung der Konturen erkennen kann. Ebenfalls sehr auffällig ist der extrem verlängerte Schwertfortsatz des Brustbeins.  Auch der Nacken bildet trotz der massiven S-Krümmung des Halses keine Einbuchtung.

Zum Vergleich habe ich auch noch mal das Skelett samt Außenhülle eines Schweinswales dazu gestellt, um zu zeigen wie unterschiedlich hier auch Skelett und Körperform sind. Bereits von der vordersten Schnauzenregion an verläuft der Mundboden übergangslos über das Zungenbein in den Brustbereich. Hier muss man auch bedenken dass Wale auch ein sehr gut ausgeprägtes Zungenbein samt anhängender Muskulatur haben (was sehr praktisch ist wenn man unter Wasser die Beute mehr oder weniger stark ins Maul saugen möchte), und dieser Bereich nicht nur nur von Fett ausgefüllt wird. Auch der deutliche Höhenunterschied zwischen dem Scheitel des Schädels und der Wirbelsäule ist komplett durch Muskulatur und darüber liegenden Blubber ausgeglichen. Auch fällt auf, dass die Kontur des Rückens insgesamt ein gutes Stück über den Dornfortsätzen der Wirbel liegt.

Schweinswal-und Seehund-Weichgewebe

Selbst die sehr frühen Archaeoceti wie Dorudon, die sogar noch recht deutlich erkennbare äußere Hintergliedmaßen besaßen, waren bereits weitaus stärker an ein Leben im Meer angepasst als sämtliche heutige Robben. Es gibt wirklich keinen Grund warum sie nicht auch sowohl im Kehl-als auch im Nackenbereich bereits gut ausgebildete Fettpolster gehabt habens sollten, und der Übergang zwischen Kopf und Körper viel weniger drastisch war, als man es meistens auf Rekonstruktionen sieht. Zudem ist die Zunahme des Fettpolsters in einer solchen Körperregion ein Merkmal das nur äußerst geringe Änderung der vorhandenen Verhältnisse nötig macht, und zudem aufgrund besserer Isolation und besserer Hydrodynamik mit Sicherheit einen Selektionsvorteil bot. Insofern ist es sogar durchaus anzunehmen dass sogar bereits sehr frühe, vermutlich sogar noch robbenähnlich ans Land kommende Urwale bereits fette Hälse hatten.

Um noch einmal zu illustrieren wie irreführend das Skelett eines Tiere für das tatsächliche Aussehen sein kann, habe ich hier noch einmal ein Skelett von Dorudon atrox (von Wikipedia) im direkten Vergleich zu einem Schwertwal-Skelett aus dem Zoologischen Museum in Hamburg:

Dorudon atrox Skelett

Im Großen und Ganzen unterscheiden sich die Proportionen der beiden Skelette gar nich einmal sonderlich. Vielmehr scheint beim Orca der Kopf sogar fast noch stärker vom Körper abgesetzt als bei Dorudon. Würde man heutzutage keine Wale kennen, würde man diesen Schwertwal nur anhand des Skeletts fast mit Sicherheit mit einem viel zu schlanken Hals und einem deutlich vom Körper abgesetzen Kopf rekonstruieren. Was ebenfalls bei genauerem Hinsehen auffällt, ist dass der Hals von Dorudon noch gar nicht einmal so sehr viel länger war als beim Schwertwal. Zwar waren die Halswirbel noch beweglicher und länger, aber das bedeutet noch keineswegs dass der Hals deswegen auch schlank war.

Orca-Skelett, Zoologisches Museum Hamburg

Beim Orca verläuft statt einer deutlichen Eindbuchtung zwischen Unterkiefer und Brustkorb der Körper vom Kinn bis zum Brustbereich fast völlig konvex, was natürlich den ganzen Körper viel stromlinienförmiger macht. Zum besseren Vergleich, hier noch mal ein lebender Schwertwal (mal wieder von Wikipedia):

Orcas

Auch einige lebende Arten wie der Irawadidelfin (Orcaella brevirostris) haben aufgrund nicht verwachsener Halswirbel einen sehr beweglichen Kopf, und tatsächlich ist bei ihnen die Halsregion etwas schlanker als bei den meisten anderen Walen, aber keineswegs so stark abgesetzt wie man es oft beispielsweise bei Darstellungen von Basilosaurus sieht.

Ein besonders gutes Beispiel dafür, wie viel Weichgewebe auch über den Skeletten von modernen Furchenwalen vorhanden ist, repräsentiert dieses Skelett eines Seiwales (Balaenoptera borealis) mit Darstellung des Körperlängsschnittes, welches im Muesum für Naturkunde im Schloss Rosentein in Stuttgart ausgestellt ist:

Seiwal, Balaenoptera borealis Rosenstein-Museum

Man kann zum Beispiel sehr gut erkennen, wie viel Muskeln und Blubber noch oberhalb der Wirbel liegen, und wie den riesigen Kopf stützende Bänder (das Ligamentum nuchae) von den Ausläufern der Rückenwirbel zum Hinterhauptsbereich des Schädels ziehen, und keinerlei Einbuchtung um Nackenbereich vorhanden ist. Man sieht auch sehr schön wie die bei Bartenwalen ziemlich extrem ausgebildete Zunge und die darunter zwischen Unterkiefer und Zungenbein ansetzende Muskulatur verläuft. Was genau aber mit all diesen Strukturen passiert wenn Furchenwale fressen und sich ihr Kehlsack mit den namensgebenden Furchen aufdehnt, ist mit immer noch ein völliges Rätsel, allerdings ist das Thema für einen eigenen Artikel.

Was als Resumée bleibt, ist dass auch Archaeoceti mit Sicherheit zumindest im Oberkiefer Lippen hatten welche ihre oberen Zähen verdeckten, dass sie Knorpel-und Muskelgewebe vor ihrer knöchernen Nasenöffnung hatten, und dass ihre Hälse fast mit Sicherheit schon recht dick gewesen sind. Wenn man all dies berücksichtigt, und beispielsweise Dorudon unter diesen Gesichtpunkten rekonstruiert, kommt dabei ein Wesen heraus das viel weniger reptilienhaft und fremdartig, dafür aber viel mehr wie ein moderner Wal aussieht, als die meisten anderen Darstellungen.

Um das noch etwas besser zu illustrieren, habe ich zweimal eine Rekonstruktionszeichnung von Dorudon atrox anhand des Skeletts gemacht, einmal traditionell, das heißt ohne Lippen, Nasenknorpel und mit einem dünnen Hals, und einmal „natürlich“. Die obere Rekonstruktion habe ich bewusst relativ extrem gemacht, zum Glück zeigen sowohl einige der neueren als auch schon einige der älteren Rekonstruktionen zumindest teilweise Ansätze den Kopf- und Hals mit mehr als nur über die Knochen gespannter Haut zu rekonstruieren. Es gibt allerdings auch durchaus Rekonstruktionen in denen etwa der Kopf noch stärker vom Körper abgesetzt ist, und die Maulspalte teilweise fast bis zum Kiefergelenk verläuft. Erschreckenderweise findet man solche Monstrositäten teilweise sogar noch heute in der Fachliteratur…

Dorudon atrox by Markus Bühler

Wenn man die beiden verschiedenen Rekonstruktionen betrachtet, erscheint die erstere eigentlich sehr unnatürlich und grotesk, vor allem mit den riesigen und frei sichtbaren Zähnen im hinteren Bereich des Oberkiefers. Dagegen erscheint die untere Rekonstruktion viel lebensechter und natürlicher, und viel mehr wie ein Wal als wie ein Reptil. Ich habe mich beim Verlauf der Oberlippe und der Ausformung des Mundwinkels vor allem an Pseudorca orientiert, aber auch an anderen Arten, wie etwa Schwertwalen. Auch den Hals und Kehlbereich habe ich an Pseudorca orientiert, allerdings bewusst den Hals noch etwas schlanker gelassen, wobei mir hier Irawadidelfine als Vorbild dienten. Bei der Oberseite des Kopfes dagegen standen Furchenwale Pate, da diese eine gut sichtbare Nasenregion besitzen, aber insgesamt nur sehr wenig Weichgewebe auf der Oberseite des Schädels haben, und daher wahrscheinlich noch viel besser mit Archaeoceti vergleichbar sind. Man muss auch bedenken dass die Zähne beim lebenden Tier etwas kürzer aussahen als am Schädel, da sie ja über dem Knochen noch zusätzlich von Zahnfleisch umgeben waren. Es ist sogar durchaus gut möglich dass die Köpfe der Archaeoceti sogar noch weniger den Schädelformen entsprochen hat, als ich das im unteren Bild dargestellt habe. Es könnte sehr gut sein dass vor allem die Profillinie der Kopfoberseite ähnlich wie beim Beispiel des Seiwales noch mehr Muskel-, Knorpel-, Binde-und Fettgewebe aufwies, und dadurch auch insgesamt noch etwas runder verlief.

Vor Jahren habe ich einmal ein Modell von Dorudon gemacht, wobei ich mich ebenfalls bei den Proportionen stark an das Originalskelett gehalten habe, allerdings unter den vorher genannten Gesichtspunkten in Bezug auf das Weichgewebe. Daher ist der Bereich des Oberkiefers dicker und auch die Nüstern sind mitbeachtet worden. Ich behaupte nicht dass dieses Modell perfekt ist (das ist es nicht), und auch würde ich heute ein paar Dinge etwas anders machen, etwa die Konkavität im Nacken ganz weg lassen, und vielleicht sogar noch etwas mehr „Fett“ im Bereich zwischen Unterkiefer und Brustansatz aufmodellieren, dann würde das Modell noch viel mehr wie ein moderner Wal aussehen.

Dorudon atrox Markus Bühler 2

Das Modell ist nicht besonders groß, daher konnte ich auch im Bereich des Kopfes nicht allzu weit die Details wie etwa die Nasenregion ausarbeiten.

Dorudon atrox Rekonstruktion,Markus Bühler

Ich hoffe sehr dass dieser Artikel vielleicht den einen oder anderen der sich ebenfalls mit fossilen Walen beschäftigt auf diese speziellen Gesichtspunkte bei der Rekonstruktion aufmerksam gemacht hat. Zudem gelten diese Aspekte nicht nur bei Archaeoceti, sondern auch bei vielen anderen ausgestorbenen Tieren, nämlich dass diese unter Umständen vielleicht teilweise ganz anders ausgesehen haben als uns ihre Skelette zuweilen glauben lassen, und als wir sie uns schon seit Jahrzehnten vorstellen.

 

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Die Riesendelfine von Moray Firth

Jeder kennt den Großen Tümmler (Tursiops truncatus), selbst dann wenn man ihn nicht diesem Namen zuzuordnen weiß, sondern nur als Delfin, denn er ist „der“ Delfin schlechthin. Das mag unter anderem am enormen Verbreitungsgebiet liegen, welches im Prinzip außer in den nördlichsten und südlichsten Breiten so gut wie alle Ozeane und Meere der Welt umfasst. Bereits die mediterranen Kulturen der Antike kannten den Großen Tümmler, wenngleich sie ihn in den seltensten Fällen auch nur einigermaßen realistisch portraitierten, sondern in der Regel nur in stark abstrahierter Form. Aber spätestens seit „Flipper“ weiß jeder wie sie wirklich aussehen, etwa zwischen zwei und zweieinhalb Meter lang, eher schlank, mit ausgeprägtem Schnabel und natürlich delphingrau. Oder?

Tatsächlich gibt es innerhalb der Art einige teilweise beträchtliche Unterschiede bezüglich der Morphologie, was in Anbetracht des beinahe globalen Vorkommens und den damit einhergehenden Unterschieden der Lebensräume auch wenig verwunderlich ist. Am stärksten vom Normaltypus weichen die am nördlichsten lebenden Großen Tümmler ab, welche die Nordsee um Schottland an der Küste von Moray Firth bewohnen. Sie sind mit Längen bis zu 4 m und Gewichten bis zu 650 kg nicht nur außergewöhnlich groß, sondern zeigen auch eine Reihe anderer Besonderheiten. Dazu zählt zum einen die deutlich dunklere Färbung, die durch besonders viel Blubber kompaktere Körperform, der im Verhältnis zur Körpergröße proportional kleiner aussehende Kopf, und die oft sehr stark ausgeprägte Melone, welche häufig besonders weit über den Schnabel reicht.

Erstaunlicherweise entwickeln sich diese Merkmale aber erst mit zunehmendem Altern, die Jungtiere sind fast nicht vom normalen Delfin-Typus zu unterscheiden, wie man auf diesem Photo eines Weibchens mit zwei Jungtieren sieht (Quelle: Wikipedia):

Weiblicher Großer Tümmler mit zwei Jungen, Firth, Schottland.

Um den massiven Unterschied in der Größe noch einmal zu verdeutlichen, habe ich eine Illustration von Wikipedia etwas modifiziert, wobei hier natürlich nicht die Unterschiede in den Körperproportionen dargestellt sind. Der obere Große Tümmler hat eine Länge von etwas 2,4 m, während der andere knapp 4 m misst. Leider ist der Taucher nicht sehr gut dargestellt, und durch die langen Flossen sieht er natürlich viel größer aus als er tatsächlich wäre.

Bottlenose_dolphin_size

Die Unterschiede in der Größe und dem Aussehen sind sicherlich eine Anpassung an den Lebensraum, und besonders an die kalten klimatischen Verhältnisse, was zur Entwicklung von besonders großen und fetten Tümmlern geführt hat. Interessant ist auch dass erhöhte Körpergröße häufig mit weiteren Änderungen der Morphologie einhergeht, vor allem mit zunehmendem Alter. Das müssen nicht einmal in irgendeiner Weise genetisch fixierte Merkmale sein, da bereits verstärktes Körperwachstum einen Einfluss auf die Körperform und Proportionen haben kann. Das liegt unter anderem daran dass bei einem länger anhaltendem Wachstum verschiedene Körperregionen unterschiedlich stark wachsen, sowie daran dass sich bei unterschiedlicher Größe aus Gründen der Biomechanik Knochen und Muskeln teilweise veränderten Belastungen anpassen müssen. Eigentlich ist das schon wieder ein Thema für sich, wofür es auch noch einige bessere Beispiele gibt, aber der bisherige Plan von mir sah eigentlich vor erst einmal eine Reihe über Wale zu schreiben.

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Bild des Tages: Torfrind-Skelett

Ich betone ja immer wieder dass nicht nur Wildtiere, sondern auch Haustiere ziemlich interessant sein können, da unter teils gezielter, teils ungezielter Selektion unter dem Einfluss des Menschen teilweise sehr ungewöhnliche anatomische oder auch verhaltensspezifische Merkmale entstanden sind. Interessanterweise unterscheiden sich teilweise gerade besonders frühe Haustierformen in manchen Merkmalen besonders drastisch von ihren Stammformen, zumindest in Bezug auf die Körpergröße. So waren die von der Jungsteinzeitn bis zur Eisenzeit in Mitteleuropa gehaltenen Hausrinder teilweise geradezu winzig. Ein besonders extremes Beispiel ist dieses „Torfrind“ welches im Museum am Löwentor in Stuttgart ausgestellt ist:

Leider fehlt hier ein geeigneter Größenvergleich, aber dieses Rind, genaugenommen war es eine Kuh, war nicht sehr viel höher als ein Bernhardiner, wenngleich zu Lebzeiten sicherlich deutlich schwerer. Ursprünglich war noch viel mehr erhalten, denn dieses Rind wurde 1868 teilweise mummifiziert im Steinhauser Ried bei Schussenried entdeckt. Allerdings schrumpfte das noch vorhandene Weichgewebe sehr schnell ein nachdem es getrocknet war, weshalb es entfernt wurde, so dass heute davon lediglich noch die Rippenknorpel erhalten sind. Heutzutage würde man natürlich versuchen eine solche Mumie so weit wie möglich im Originalzustand zu erhalten, aber die Zeiten waren damals einfach anders, zahlreiche teilweise perfekt erhaltene Tiermumien aus Mooren wurden früher überhaupt nicht aufgehoben.

In ihrer Größe und allgemeinem Aussehen dürften diese winzigen Torfrinder wohl den heutigen Dahomey-Rindern geähnelt haben, welche aus dem afrikanischen Benin stammen. Kühe haben eine Schulterhöhe von gerade einmal 80-90 cm, Stiere etwa 90-105 cm. Diese Dahomey-Kühe habe ich im Zoo Hellabrunn in München photographiert:

Das Dahomey-Zwergrind entstand aufgrund einer natürlichen Selektion auf sehr kargen Weideflächen in tropischen Regionen, in denen sie unter anderem zahlreichen Parasiten und Krankheiten ausgesetzt waren. Diese Umstände führten auch dazu dass Dahomey-Rinder besonders resistent gegen zahlreiche Tropenkrankheiten sind, und auch noch in Gebieten gehalten werden können in denen die Haltung anderer Rinder gar nicht mehr möglich ist. Wahrscheinlich führte auch bei den ohnehin schon kleinen Rindern Mitteleuropas die Haltung auf besonders kargen Weideflächen zur Entwicklung besonders kleiner und robuster Rassen. Ähnliche Verzwergungen von Haustieren durch natürliche Selektion kennt man auch von anderen Arten, etwa auch von Pferden oder Schweinen.

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Bild des Tages: Krontaube

Entgegen meines eigentlichen Bestrebens habe ich es natürlich wieder nicht geschafft auch nur einigermaßen regelmäßig neue Bilder oder Artikel zu veröffentlichen. Aber es ist einmal wie immer, gerade wenn man ein Archiv mit tausenden von Photos aus Museen, Zoos und der Natur hat, ist es umso schwieriger sich für etwas zu entscheiden. Heute habe ich mich nach langer, langer Suche für das Photo einer Kronentaube (Goura cristata) entschieden, dass ich vor einigen Jahren in der Wilhelma in Stuttgart gemacht habe:

Krontauben sind die größten rezenten Tauben und erreichen Gewichte von etwa 2,5 kg. Eine von subfossilen Resten bekannte Art namens Natunaornis gigoura aus Viti Levu erreichte dagegen gut das sechsfache Gewicht, und war wie der ebenfalls zu den Tauben gehörende Dodo flugunfähig. Natunaornis gigoura ist nur von sehr fragmentarischen Resten bekannt, es wird allerdings angenommen dass diese Art mit den modernen Krontauben verwandt war.

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