Bild des Tages: Gestreifter Schlangenkopffisch (Channa Striatus)

Dieses Bild eines etwa 3kg schweren und damit relativ großen Gestreiften Schlangenkopffisches wurde mit freundlicherweise von Nathan Wardle zur Verfügung gestellt:

Gestreifter Schlangenkopffisch Channa Striatus

Schlangenkopffische gibt es in einer großen Breite von Größen und Farben, und sie sind in der Lage atmosphärischen Sauerstoff zu atmen, und teilweise sogar fähig kurze Strecken über Land zurückzulegen. In den USA ausgesetzte Schlangenköpfe haben sich teilweise sogar zu einer regelrechten Plage entwickelt, die nicht nur Konkurrenten gegenüber den dort heimischen Arten sind, sondern wie viele andere fleischfressende Bioinvasoren auch eine große Gefahr für viele kleinere Arten von Fischen und Amphibien darstellen. Diese Thematik war auch Grundlage zweier Horrorfilme über auf Monstergrößen angewachsene Riesenschlangenkopffische, nämlich „Snakehead Terror“ und „Snakehead-der Schrecken aus dem See“.

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Belemniten

Vor einiger Zeit brachte ich ja beim Bild des Tages ein Photos eines Belemnitenfossils in meiner Fensterbank. Nun wollte ich etwas weiter auf das Aussehen dieser Tiere zu Lebzeiten eingehen. Glücklicherweise kennt man von Belemniten einige extrem gut erhaltene Fossilien, so dass man ihr Aussehen recht gut rekonstruieren kann. Den meisten Leuten würde es wahrscheinlich noch nicht einmal auffallen, wenn sie einen lebenden Belemniten vor sich hätten, denn diese Tiere ähnelten schon recht stark den modernen Kalmaren, und waren wohl auch in ihrer Lebensweise ähnlich. Ein recht gutes Modell eines Belemniten (und meines Wissens auch das einzige dass es überhaupt zu kaufen gibt) gibt es von Bullyland. Leider ist das Modell in einigen Details, etwa der Innenseite der Arme, etwas arg grob gearbeitet, und irgendwann werde ich mir sicher auch ein eigenes bauen. Nichtsdestotrotz ein recht gelungenes Modell:

belemnit-von-bullyland.JPG

Was man auf diesem Bild leider nicht besonders gut sehen kann, ist die Anordnung der Fangarme, denn diese bildeten nicht wie bei den modernen Kalmaren einen durchgehenden Kreis, sondern eher einen unten offenen Trichter, da zwischen den beiden untersten Fangarmen eine Lücke stand. Ebenfalls schlecht zu sehen auf diesem Photo sind die Chitinhaken, die Belemniten statt Saugnäpfen an ihren Fangarmen besaßen. Heute haben die meisten Kalmare nur noch Saugnäpfe, es gibt allerdings auch welche wie den Koloss-Kalmar Mesonychoteuthis hamiltoni, welche sowohl über Saugnäpfe als auch Chitinhaken verfügen. Glücklicherweise sind diese aus Chitin bestehenden Haken und Krallen bei einigen besonders gut erhaltenen Exemplaren fossil erhalten geblieben, so dass man zumindest für einige Arten ihr Aussehen sehr gut reonstruieren kann, denn man weiß wie viele Fangarme zu hatten, und auch wie lang diese waren, was etwa bei Ammoniten vollkommen unbekannt ist. An diesen Fossilien aus der Schausammlung des Paläontologischen Instituts in Tübingen kann man diese kleinen Haken sehr gut erkennen:

Belemniten-Fossil

 Belemniten-Fangarme

Belemniten-Chitinhaken

Interessant ist auch, dass es bei Belemniten allem Anschein nach einen Sexualdimorphismus in Bezug auf die Fangarme gegeben hat. Man kennt sowohl Fossilien, die 10 einstmals vollständig mit Haken besetzte Fangarme zeigen, als auch solche, bei denen ein Paar lediglich zwei riesige stark gekrümmte Haken aufweist. Diese Onychichten genannten Haken besitzen teilweise groteske Ausmaße, die auch kaum etwas mit der Nahrungsbeschaffung zu tun hatten, sondern viel eher dazu dienten, das Weibchen bei der Paarung zu umklammern.

Belemniten-Onychit

Ein Beispiel für die teilweise extreme Größe, welche die Onychiten bei manchen Belemnitenmännchen erreichen konnten, sieht ma bei diesem Fossil aus dem Löwentor-Museum in Stuttgart. Man achte auch auf die Anordnung der anderen Fanghaken, welche auf eine zu Lebzeiten enorme Dicke der Fangarme bei dieser Spezies hindeuten:

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Ein Zwergzebu-Stier mit Auerochsenmerkmalen

Vor einiger Zeit entdeckte ich bei mir in der Nähe beim Spazierengehen eine Weide mit Zwergzebus. Es handelte sich um einen Stier und zwei Kühe. Diese Tiere hatten eine Schulterhöhe von nur etwas über einem Meter, manche Rassen von Zwergzebus bleiben sogar noch deutlich kleiner. Dass es sich um Zebus handelte, war anhand der typischen Merkmale wie Rückenhöcker (der übrigens nur aus dem stark vergrößerten Musculus rhomboideus besteht, und nicht von den Dornfortsätzen der Wirbelsäule getragen wird) und stark ausgeprägte Wamme klar erkennbar. Auch der restliche Körperbau mit relativ geringen Fleischansatz unterscheidet sich stark von den auf möglichst viel Fleischertrag gezüchteten Rassen, die bei uns normalerweise auf den Teller kommen.

Zwergzebu-Stier mit Auerochsenzeichnung

 Was mir nun auffiel, war die äußerst interessante Farbe dieses Stieres, denn sie entspricht praktisch 100% der eines Auerochsen. Dazu muss man sagen, dass die Farbe von Auerochsen in ihrem einst riesigen Verbreitungsgebiet, welches Europa, Nordafrika, den Nahen Osten sowie große Teile Nordasiens und Russlands umfaßte eine Reihe unterschiedlicher Farbvarianten entwickelte, und auch die Kühe von einer anderen Farbe waren als die Stiere. Dieser wunderschöne kleine Stier hat mit seinem schwarzbraunen Fell fast genau die Grundfarbe von mitteleuropäischen Auerochsen, mit einem hellen Maul, und vor allem dem für Auerochsenstiere typischen, und bei den meisten modernen Rindern verlorengegangenen hellen Aalstrich auf dem Rücken. Es ist wirklich interessant, wie sich solche archaischen Merkmale der Vorfahren unserer Nutzrinder gerade in einer solchen Rasse erhalten haben, wobei ich dazu sagen muss, dass ich eine solche Färbung noch bei keinem anderen Zebu gesehen habe, in so ausgeprägter Form noch nicht einmal bei einem Heckrind.

Sollte zufällig jemand genaueres über diese Zebus wissen, etwa woher sie genau stammen, und ob eventuell noch andere Rassen bei ihnen eingekreuzt wurden, würde much das sehr interessieren.

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Cameroceras, der größte Nautiloide aller Zeiten

Sicherlich hat der eine oder andere die BBC-Dokumentation „Monster der Tiefe“ , welches in der Originalversion „Sea Monsters“ hieß. Mir persönlich war das ganze mit der Schiffscrew um Nigel Marvin, die in der Zeit umher reist, viel zu populistisch und effekthaschend. Natürlich ist es toll diese Tiere mal im direkten Vergleich mit Menschen zu sehen, aber eigentlich ist es wirklich unnötig. Die „Walking with Dinosaurs“-Trilogie war da deutlich besser, auch wenn das ganze mit der Konstruktion persönlicher Schicksale von ausgestorbenen Tieren einen ziemlich starken Disney-Touch hatte. Naja, um genug Leute zu erreichen, und genug Geld für eine solche Produktion bewilligt zu bekommen, muss man wohl solche Zugeständnisse machen…

In der „Monster der Tiefe“-Doku wurden alle möglichen ausgestorbenen Meerestiere gezeigt, darunter einige äußerst ungewöhnliche Arten wie Odobenocetops oder auch Leedsichthys. Eines dieser Seemonster war ein gigantischer archaischer Cephalopode. Sein Name wurde nicht genannt, aber im Buch zur Doku wurde er als Cameroceras beschrieben (zumindest in der englischen Ausgabe fälschlich als Cameraceras). Cameroceras war ein Nautiloide mit einem langgestreckten, konischen Gehäuse und lebte im späten Ordovizium bis zum frühen Silur vor etwa 470-440 Millionen Jahren. Das Gehäuße hatte eine Länge von etwa 9m, mit Kopf und Tentakeln dürften diese Tiere sogar noch ein gutes Stück länger gewesen sein, und war damit zu seiner Zeit wahrscheinlich das größte Tier das die Welt bis dahin gesehen hat. Wie dieser vordere weiche Teil aber ausgesehen hat, ist praktisch völlig unbekannt. Überhaupt bereitet die Rekonstruktion von Weichgewebe bei Nautiloiden eine ganze Menge Probleme, und es ist gut denkbar, dass über 99% aller bisherigen Rekonstruktion falsch sind. Leider gibt es bei Nautiloiden im Gegensatz zu Belemniten und einigen anderen ausgestorbenen Kopffüßer keinerlei fossile Hinweise durch erhalten gebliebene Abdrücke von Weichgewebe. Man weiß nicht wie viele Arme sie hatten, wie lang diese waren, wie die Augen ausgesehen haben und vieles mehr. Das macht die Rekonstruktion ihrer Lebensweise auch nicht gerade einfach. Cameroceras war sicherlich kein schnelles und auch kein wendiges Tier, und möglicherweise fing er seine Beute in Form von verschiedenen meeresbewohnenden Gliederfüßern, Weichtieren und anderen Cephalopoden vor allem am Meeresboden. Es gibt aber andererseits gute Hinweise darauf, dass Nautiloiden überhaupt keine Jäger gewesen sind, und vielleicht war Cameroceras sogar eher das ordivizische Pendant zu heutigen Riesen-oder Walhaien.

Die Macher von „Monster der Tiefe“ haben den als „Giant Orthocone“ bezeichneten Riesen mit einer Reihe von Merkmalen ausgestattet, welche an den heutigen Nautilus erinnern, etwa mit einer stark strukturierten Kappe auf dem Kopf, und sehr primitiven Augen nach dem Prinzip einer Lochkameral. Die Haut wurde anders als bei heutigen Kalmaren nicht glatt, sondern eher runzelig wie bei einem Oktopus dargstellt, was auch gut zu einem solchen Giganten passen würde, auch wenn es natürlich alles reine Mutmaßung ist.

Das Design diese riesigen Nautiloiden gefiel mir ausgesprochen gut, und daher dachte ich mir, dass ich so etwas gerne als Modell haben würde. Nachdem ich ja schon gewisse Erfahrungen mit der Modellation von Nautiloiden gemacht habe ( https://bestiarium.kryptozoologie.net/artikel/mein-erstes-nautiloiden-modell/ ), wagte ich mich hier auch gleich an ein ziemlich großes Modell heran, das größte was ich bisher aus Fimo gemacht habe. Als Vorlage diente der „Giant Orthocone“ der BBC, von dem ein ausgedrucktes Bild in der richtigen Größe als Vorlage diente. Das Originalvorbild kann man hier sehen: http://www.bbc.co.uk/science/seamonsters/factfiles/closeup.shtml?giantorthocone

Wegen der Größe und um zusätzliche Stabilität zu gewährleisten, habe ich erstmal eine Art Wirbelsäule aus dicken gedrehten Draht hergestellt, und zur Materialersparnis teilweise mit Aluminiumfolie bedeckt. Darüber kam dann das Fimo, das dann in Form des Gehäuses modelliert und mit einer entsprechenden Oberflächenstruktur versehen wurde. Das ganze wurde dann erst mal vorgehärtet, denn dann besteht nachher nicht mehr die Gefahr dass man irgendetwas beim Ausmodellieren des Rest beschädigt, außerdem kann man das Modell dann geschickt an der Schale halten wenn man den Kopf modelliert. Als nächstes modellierte ich dann die Mundwerkzeuge. Ich habe in Grizmeks Tierleben glücklicherweise ein Bild einer Nautilusradula gefunden, und habe diese mal samt Schnabel nachmodelliert, was man aber am Modell nur sieht wenn man genau hinsieht. Mit großer Wahrscheinlichkeit hatten Nautiloiden ganz andere Mundwerkzeuge, was auch ein Grund dafür ist, dass sie möglicherweise auch ganz anders aussahen, als man es normalerweise sehen kann, aber darüber ein ander mal mehr…

Jedenfalls habe ich dann den fertig gehärteten Schnabel samt Radula in den Kopf einmolliert, die Tentakel separat modelliert und noch weich angefügt, und die restlichen Einzeilheiten wie die Augen oder den Siphon gemacht. Das ganze kam dann noch mal in den Ofen, und zum Schluss kam noch die Kappe auf den Kopf, so dass das ganze nach dem Härten etwa so aussah:

Cameroceras 1

Für dieses Modell habe ich etwa sieben Stunden gebraucht, was in Anbetracht seiner Größe eigentlich nicht besonders viel ist. Das Modell ist etwa 25cm, und wenn man es direkt mit der Vorlage vergleicht, merkt man dass ich es leider nicht geschaft habe, es genau zu koppieren. Der Kopf ist etwas zu groß geworden, und die Kappe wurde etwas zu wulstig. Dafür ist die Oberflächenstruktur sehr schön herausgekommen, was man auf den beiden nächsten Bilder ganz gut sieht:

Cameroceras 2

Cameroceras 3

Sollte ich mir irgendwann ein Airbrushgerät zulegen, wird das ganze natürlich noch angemalt. Leider ist das Modell zu groß und wegen der Stellung der Fangarme auch etwas zu komplex geworden, um Abgüsse davon machen zu können, aber dafür habe ich vor kurzem ein etwas kleineres Modell in einem etwas anderen Design gemacht, von dem ich demnächst einmal Abgüsse machen wollte.

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Bilder des Tages: Der Quastenflosser

Der Quasterflosser Latimeria chalumnae ist zweifellos einer der faszinierendsten Fische der Welt.

Dieses Exemplar ist im Naturhistorischen Museum Wien ausgestellt. Durch das Formalin hat er praktisch vollständig seine Farben verloren, und auch viele Schuppen fehlen schon am Körper. Aber gerade dadurch dass er nun ausgesprochen aufgehellt ist, kann man gewisse Details der Körperstruktierung sogar viel besser sehen, als es bei einem Quastenflosser der Fall wäre, der noch dunkel wäre.

Quastenflosser in Formalin (Naturhistorisches Museum Wien)

 Quastenflosser

Quastenflosser Kopf-Detail

Auch wenn die Schuppen schon gesträubt sind und teilweise ganz fehlen, und auch die Flosse selbst notdürftig zusammengenährt wurde, kann man doch sehr gut erkennen wie lang der fleischige Stiel der Brustflossen tatsächlich ist. Auch wenn die ersten Landwirbeltiere nicht direkt von den Quastenflossern abstammten, werden die Gliedmaßen unserer frühesten noch im Wasser lebenden Tetrapoden-Vorfahren dennoch ganz ähnlich ausgesehen haben wie die Brust-und Bauchflossen dieses Quastenflossers.

Quastenflosser Brustflossen-Detail

Gut zu erkennen ist die fleischige Schwanzflosse und die kleine abgesetzte Extraschwanzflosse:

Quastenflosser, Schwanzflosse

Hier sieht man mehrere Quastenflossermodelle in einem Diorama, welches sie in ihrer natürlichen Umgebung der Lavafelsen vor den Komoren zeigt. Man achte auch auf den Quastenflosser ganz links, der kopfüber im Wasser steht, und sich dabei durch Bewegegungen der Flossen ausbalanciert:

Quastenflosser Diorama

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Der Blainville-Schnabelwal (Mesoplodon densirostris)

Vor ein paar Monaten wollte ich mal abends praktisch „nebenher“ ein neues Modell bauen. Es benötigte schon geraume Zeit, sich für das Motiv zu entscheiden. Ich wollte einen Meeressäuger machen, da diese weniger Arbeit machen, als ein normales Landsäuger. Es sollte nicht gerade ein 0815- Modell von einem Schwertwal oder einem Seelöwen sein, wie es schon ungezählte gibt, sondern nach Möglichkeit etwas ungewöhnliches, von dem es vielleicht sogar noch überhaupt kein Modell gibt. Ich entschied mich dann für einen Blainville-Schnabelwal, einem der ungewöhnlichsten Vertreter der in der Tiefsee jagenden Schnabelwale. Trotz ihrer zum Teil enormen Größe (der Baird-Schnabelwal kann so groß werden wie ein Grauwal, und ist der zweitgrößte Zahnwal überhaupt) und ihrer teilweise extrem bizarren Anatomie werden diese Tiere meist ziemlich stiefmütterlich behandelt. Das mag zum Einen daran liegen, dass sie eine sehr versteckte Lebensweise führen, und auf See kaum zu beobachten, geschweige denn zu filmen sind. Über die Lebensweise vieler Arten ist nach wie vor so gut wie nichts bekannt. Bei den Schnabelwalen ist das Gebiss bei fast allen Arten massiv reduziert, da diese vor allem Fische und Kalmare fressenden Wale ihr Beute dadurch fangen, dass sie mit Hilfe ihres Zungenbeines einen Unterdruck im Maul erzeugen, und sich ihre Beute so wie mit einem Staubsauger einverleiben können. Dafür tragen die Männchen teilweise sehr seltsame Hauer im Unterkiefer, die dazu dienen andere Männchen bei innerartilichen Konfrontationen zu verletzten. Die Haut dieser Tiere ist darum häufig von einzelnen, teilweise aber auch doppelt oder sogar vierfach parallel verlaufenden Narben bedeckt. Der vermutlich zweitkurioseste Schnabelwal ist Blainvilles Schnabelwal. Es handelt sich um eine für Schnabelwalverhältnisse eher mittelgroße bis kleine Art, die Längen von etwa 4,5 bis maximal 6m erreichen, bei einem Gewicht von 0,7-1.0 Tonnen. Die Männchen dieesr Arten besitzen einen äußerst ungewöhnlichen Unterkiefer. Die hintere Hälfte des Kieferkammes ist sehr stark erhöht, und überragt annäherungsweise halbkreisförmig dern Oberkiefer. Auf diesem seltsamen Kiefergrat, der fast ein bisschen so aussieht wie die Mäuler von Glattwalen (bei denen das hochgewölbte Maul aber aus Muskeln und nicht aus Knochen besteht), sitzt ein großer Zahn, der ein bisschen so aussieht, wie die spitz zulaufende Hälfte eines geschälten Sonnenblumenkerns. Da dieser auch bei geschlossenen Maul den Oberkiefer deutlich überragt, können sich die Männchen dieser Art auch besonders tiefe Wunden zufügen. Die Wirkung der Zähne kann sogar noch verstärkt werden, denn manchmal siedeln sich auf ihnen Seepocken an, deren scharfkantige Schalen die Wirkungsfläche der Zähne noch vergrößern.

Interessant sieht es auch aus, wenn diese Tiere ihr Maul öffnen. Da der hintere Teil des Kiefers so stark erhöht ist, bleibt die hintere Hälfte des Maules auch bei geöffneten Kiefern praktisch zu, und bildet so eine Art Röhre. Ob dies allerdings irgendeinen Vorteil bei der Jagd bedeutet, oder ob sich die diese seltsame Kieferform entwickelte, um den Männchen einen Vorteil bei Rivalenkämpfen zu bieten, ist nicht bekannt. Vielleicht trifft auch beides zu. Jedenfalls hatte ich mich dann irgendwann dazu entschieden einen männlichen Blainville-Schnabelwal zu modellieren. Wie alle anderen Modelle auch, besteht es aus Fimo, wobei ich eine Mischung aus weißen und schwarzen Fimo classic und etwas weißen Fimo soft benutzt habe, um ein möglichst gut zu bearbeitendes Material zu haben. Wenn man weiß und schwarz zusammenknetet, hat man den Vorteil dass man sieht, wann man es lange genug geknetet hat, denn man sieht ziemlich lange noch schwarze und weiße Streifen. Darum muss man ziemlich lange kneten um eine wirklich homogene graue Masse zu bekommen, bei der Fimo soft und classic verbunden sind. Früher gab es noch das großartig zu verarbeitende Fimo medium, das perfekte Eigenschaften hatte, und nich gemischt werden mußte. Leider gibt es das nicht mehr zu kaufen. Aus Stabilitätsgründen habe ich einen doppelt gedrehten Draht sozusagen als Wirbelsäule eingearbeitet, und darum etwas verknüllte Alufolie eingefügt, um Material zu sparen. Darüber habe ich dann den Körper modelliert. Und es kam natürlich wie es kommen mußte, aus dem nebenher wurden einige Stunden mehr, und irgendwann hatte ich keine Lust mehr. Also habe ich ihn eingepackt und erst mal liegen gelassen. Nach ein paar halbherzigen Versuchen ihn fertig auszumodellieren, habe ich mich nach mehreren Monaten jetzt endlich dazu entschieden, ihn fertig zu machen. Augen, Zähne und Flossen habe ich vorgehärtet und anmodelliert. Das Anmodellieren der Schwanzflosse war ziemlich kompliziert, aber da Walflossen so dünn sind, haben sie nicht genügend Eigenstabilität, weshalb es einfacher ist, sie auf einer flachen oder leicht geschwungenen Fläche vorzuhärten. Vor allem die korrekte Ausmodellation des Kopfes hat sehr viel Zeit benötigt, immer wieder merkte ich dass etwas nicht stimmte, und selbst jetzt ist sie nicht ganz zufriedenstellend. Andererseits muss man eben manchmal mit Kompromissen leben. Das Modell habe ich dann etwa 40 Minuten bei etwa 110°C im Backofen gehärtet, und ich finde es kann sich durchaus sehen lassen:

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Die Form der Zähne stimmt leider nicht ganz, und ich muss sie wahrscheinlich noch mit einer Rasierklinge noch etwas nachbearbeiten. Auf dem nächsten Bild sieht man recht gut die vielen aufmodellierten Narben. Bei den runden Dellen handelt es sich um die Bissspuren von Cookie-cutter-Haien, die sich diese Wale in der Tiefsee oft einfangen. Leider sind immer noch Fingerabdrücke auf dem Modell, aber die bekomme ich mit feiner Stahlwolle wahrscheinlich noch weg:

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Noch eine Ansicht von oben:

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Als Vorlage dienten mir übrigens die hervorragenden Illustrationen von Bratt Jarrett aus Hadoram Shirihais „Whales Dolphins and Seals. A Field Guide to the Marine Mammals of the World“ dem wahrscheinlich besten und umfangreichsten Bestimmungsbuch für Meeressäuger, das es auf der Welt gibt. Irgendwann muss ich eine Rezession für dieses Buch schreiben, da es einfach unglaublich ist.

Hier sieht man einmal den direkten Vergleich (und die Fehler bei der Modellation) von Modell und Vorlage:

mesoplodon-densirostris.JPG

Einige Dinge konnte ich nicht hundertprozentig nachmodellieren, beispielsweise sind die Flippen und der Schwanzstiel von Walen so dünn, dass man sie bei dieser Modellgröße und aus diesem Material fast nicht wiedergeben kann.

Das Originalbild kann man übrigens auch hier auf Brett Jarretts Homepage sehen: http://www.brettjarrett.com/images/wds036.jpg

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Ringelnattern

Zugegebenerweise habe ich in meinem Leben erst zwei mal Ringelnattern gesehen, einmal vor mehr als zehn Jahren, als eine an der Böschung einer Wiese neben mir aus einem Mauseloch schaute, und voriges Jahr im Teich eines botanischen Gartens. Dieses Jahr sollte sich da einiges ändern. Vor einiger Zeit sah ich beim Spazierengehen plötzlich vor mir auf dem Weg ein wahres Prachtexemplar einer Ringelnatter (Natrix natrix) vor mir, leider konnte ich nicht schnell genug ein Photo machen, und daher sieht man nur einen Teil, der noch auf dem Weg liegt:

grose-ringelnatter.JPG

Die Schlange war für eine Ringelnatter wirklich sehr groß, außerdem muss sie etwas recht großes gefressen haben, denn an der dicksten Stelle ihres Körpers war sie beinahe so dick wie ein Ei. Noch während des gleichen Spazierganges konnte ich dann an einem nahe gelegenen Teich gleich vier oder fünf halbwüchsige Ringelnattern von etwa 25-30cm beobachten. Leider waren sie immer relativ weit weg, und tauchten ständig ab, aber immerhin ein halbwegs brauchbares Bild ist mir gelungen:

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Das war ja schon ein ziemlicher Zufall, aber wenn man bedenkt dass ich schon zwei Tage später im Wald noch eine Ringelnatter entdeckt habe, wird das Ganze schon beinahe unheimlich. Sie war winzig klein, und dünner als ein großer Regenwurm. Sie lag zusammengerollt im Gras, und ich habe sie erst bemerkt, als ich schon fast an ihr vorbei gegangen bin:

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Da Ringelnattern vollkommen harmlos sind, und da ein Exemplar dieser Größe noch nicht einmal in einen Finger beißen kann, habe ich sie auch einmal vorsichtig auf die Hand genommen. Ringelnattern sind wirklich wunderschöne Reptilien, und selbst diese winzige Schlange, die wie eine Miniaturversion der Erwachsenen aussieht, besitzt die für ihre Art typischen gelben Flecken hinten am Kopf:

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Vorletztes Wochenende hatte ich das große Glück an einer anderen Stelle wieder eine winzige Ringelnatter zu entdecken, wobei mir auch ein paar schöne Bilder gelunden sind:

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Man kann auf diesem Photo gut erkennen, dass die Haut etwas matt und die Augen leicht trübe sind, was darauf hindeutet, dass diese Schlange kurz vor der Häutung stand:

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Und noch ein letztes Bild:

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Der menschenfressende Riesenwels, ein Fallbeispiel eines Internet-Hoaxes

Das Internet ist eine wunderbare Sache um an alle möglichen Arten von Informationen heranzukommen, leider ist es aber auch so, dass man im Internet jede Menge Müll lesen kann. Manche Leute machen sich sogar bewußt einen Spaß daraus (gut, die BILD macht das jeden Tag, und die Leute verdienen sogar damit), Geschichten zu erfinden, und diese im Internet als wahre Begebenheiten zu verbreiten. Besonders beliebt ist es, echte Photos zu verwenden, und eine Story dazu herum zu erfinden, damit das ganze glaubhafter wirkt. Solche Sachen werden dann auch nicht selten direkt mit E-mail-Verteilern in die ganze Welt geschickt.

Vor kurzem machte wieder einmal einer dieser Internet-Hoaxes die Runde, und da es sich um ein Thema handelt, das gut zum Inhalt des Bestiarium paßt, und das ich hier kurz vorstellen wollte. Es geht um folgendende Geschichte: Im Huadu´s Furong Wasser-reservoir sollen jedes Jahr ein paar Leute auf mysteriöse Weise ertrunken sein, und erst kürzlich sollen dort beim Schwimmen zwei Personen ertrunken sein.  Als der Grund dieser Unfälle wird ein 3m langer Riesenwels präsentiert, dessen Kopf alleine schon einen Meter breit sein soll, und der die Leute gefressen haben soll. Im Magen dieses Riesenwelses, sollen sogar die Überreste eines Menschen gefunden worden sein. Zusätzlich zu der Geschichte werden jede Menge Photos gezeigt, die mehrere Asiaten zeigen, die sich um einen abgesperrten Bereich drängeln, in dem mehrere Männer und ein riesiger Fisch liegen. Spätere Photos zeigen dann wie der Fisch aufgeschnitten und zerlegt wird.

Das war jetzt die Geschichte, und nun kommen die Fakten. Zunächst gibt es weder in Asien noch sonstwo einen Wels der in der Lage wäre einen erwachsenen Menschen zu fressen. Außerdem handelt es sich bei dem gezeigten Fisch gar nicht um einen Wels. Der Fisch zeigt zwar für einen mit diesen Tieren nicht vertrauten Betrachter mit dem breiten endständigen Maul eine gewisse Ähnlichkeiten mit Welsen wie dem asiatischen Mekong-Riesenwels Pangasianodon gigas, der tatsächlich in Ausnahmefällen Längen von beinahe 3m erreichen kann (aber ein harmloser Algen-und Kleintierfresser ist) , aber es handelt sich bei diesem Fisch ohne jeden Zweifel um einen jungen Walhai (Rhyncodon typus). In den Kommentaren zu der Story wird das mehrfach auch schon gesagt, aber manche Leute versuchen mit den abstrusesten Gegenargumenten zu konntern, etwa wie der Walhai ins Süßwasser gekommen sein soll, oder warum er getötet wurde, obwohl sie vom Aussterben bedroht sind. Nun ist es vielen Ländern, vor allem in Asien, herzlich egal ob eine Tierart vom Aussterben bedroht ist oder nicht, solange sie Profit bringt, wird sie gejagt. Und gerade in Asien kann man mit Fleisch und Flossen von Walhaien eine ganze Menge Profit machen. Die ganze Geschichte vom Riesenwels im Wasser-reservoir ist natürlich nur erfunden, hier wurden einfach Photos, die irgendwo in der Nähe eines Hafens gemacht wurden, in eine Monster-Story integriert. Leider sind viele Leute allzu Bereit solchen Mist zu glauben.

Das ganze kann man hier nachlesen:

http://shanghaiist.com/2007/08/11/amazingly_huge.php

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Wie groß werden Krokodile wirklich?

leistenkrokodil-in-der-wilhelma.JPG 

Dass zwischen den in der allgemeinen Literatur vorhandenen, und den tatsächlichen Maximalgrößen von Tieren teilweise massive Differenzen bestehen, habe ich ja schon im allerersten Post über den Arapaima dargelegt (https://bestiarium.kryptozoologie.net/?p=6). Nun soll es um Krokodile gehen, speziell um Leistenkrokodile. Selbst in der Fachliteratur kann man immer wieder über angeblich gewaltige Größen lesen, welche diese Tiere erreichen sollen. Vielfach wird sogar nicht einmal die Durchschnittsgröße, oder wenigstens die nachgewiesene Maximalgröße abgeruckt, sondern nur teilweise lediglich vom Hörensagen übernommene, und maßloß übertriebene Größen. Nicht selten kann man lesen dass Leistenkrokodile 7, 8, 9 oder auch 10m lang werden können. Aber wie sieht es mit der Wirklichkeit aus, gab es tatsächlich jemals so große dokumentierte Exemplare?

Bevor ich darauf eingehe, möchte ich mich erst noch etwas mit dem  Wachstum von Leistenkrokodilen befaßen. Diese Krokodile zeigen ein typsches Wachstumsverhalten für Krokodile, sie wachsen in den ersten Jahren sehr schnell, und können mit etwa 10 Jahren eine Länge von 3m erreichen. Mit 10-15Jahren, je nach dem wann die Geschlechtsreife erreicht wurde, nimmt das Wachstum deutlich ab, um mit zunehmenden Alten immer weiter abzunehmen, bis es praktisch gar keine sichtlichen Zuwachs mehr gibt. Dabei sei anzumerken dass die Männchen deutlich größer werden als die Weibchen, und auch ein etwas anderes Wachstumsverhalten zeigen. Bei Leistenkrokodile werden die Männchen deutlich größer als die Weibchen, da sie auch deutlich schneller wachsen, und auch später die Geschlechtsreife erreichen. Viele Leute sind der Meinung, dass Reptilien, und speziell Krokodile ihr Leben lang wachsen, und dadurch auch theoretisch jede Größe erreichen können, wenn sie nur alt genug werden. Die Realität sieht aber ganz anders aus. Entscheidend für die Größe die ein Krokodil erreichen kann, sind weniger die Lebensjahre, als viel mehr die Größe, die es vor der Geschlechtsreife erreicht. Ein Krokodil das durch gute Bedingungen wie viel Nahrung, günstige Temperaturen oder auch gute genetische Anlange schon vor Erreichen der Geschlechtsreife sehr groß ist, hat gegenüber seinen Artgenossen nach der Geschlechtsreife einen deutlichen Vorteil, denn diese brauchen dann mehrere Jahre, um diesen Vorsprung nachzuholen, und in dieser Zeit kann das ohnehin schon große Krokodil auch noch zusätzlich wachsen. Ein Krokodil das nicht schon in seiner Jugend sehr groß geworden ist, wird auch später nie wirklich riesig werden können. Selbiges gilt im Übrigen auch für praktisch alle anderen Reptilien und Fische, welche sehr alt werden können. Die Wachstumskurve nimmt mit dem Alter immer weiter ab, und selbst wenn ein Krokodil wirklich alt wird, kann es nur noch relativ geringfügig an Größe zunehmen. Da ich wenig Bildmaterial zu diesem Thema besitze, und weil lange Posts ohne Bilder langweilig sind und viele vom Lesen abschreckt, zeige ich hier einfach mal zwei Photos eines sehr großen Leistenkrokodilschädels, dass ich vor kurzem im Archiv des Zoologischen Institutes in Tübingen gemacht habe. Als Größenvergleich (und damit jeder sieht dass ich ein uraltes, spartanisches und beinahe unkapputbares Nokia-Handy habe) habe ich mal mein Handy daneben gelegt:

Leistenkrokodilschädel

Einen solchen Schädel einmal aus nächster Nähe zu sehen macht einem erst einmal bewußt wie gewaltig diese Tiere werden können. Ich habe keine Ahnung wie lang der Schädel gewesen ist, oder das gesamte Tier als es noch lebendig war. Das restliche Skelett lag unter dem eines aufgestellten Zwergwalskelettes, und ich vermute einmal dass die Gesamtlänge zu Lebzeiten etwa 4,5m Meter betragen hat. Da das Skelett aber nicht aufgebaut war, und auch der Schädel nicht dabei gewesen ist, möchte ich mich hier aber nicht allzu sehr festlegen. Das Verhältnis von der Schädel- zur Körperlänge liegt bei Krokodilen bei etwa 1:7,5, das heißt man könnte die ursprüngliche Gesamtlänge durchaus recht gut bestimmen, wenn man die genaue Länge des Schädels wüßte. Hier noch mal ein Bild aus einer anderen Ansicht (kleiner Tipp: um sich die Größe dieses Schädels bewußt zu machen speichert man am besten die Bilder, und vergrößere sie mit Hilfe eines gleichgroßen Handys auf Originalgröße):

Leistenkrokodilschädel von vorne

Das sieht man ziemlich gut an einem der weltgrößten Krokodile überhaupt, dem thailändischen Riesenkrokodil Yai. Es ist das größte in Gefangenschaft lebende Krokodil der Welt. Es handelt sich bei ihm nicht um ein echtes Leistenkrokodil, sondern um einen Hybriden aus Leistenkrokodil und Siam-Krokodil (Crocodylus siamensis). Solche Hybriden werden manchmal auf Krokodilfarmen gezüchtet, da sie schneller wachsen als normale Krokodile, und daher auch profitabler sind. Man sieht Yai auch an dass er kein reinrassiges Leistenkrokodil ist, denn die Farben und Muster seiner Haut sind etwas abweichend von denen echter Leistenkrokodile. Als Yai das letzte Mal gemessen wurde, war er 6m lang und wog 1114 kg, inzwischen dürfte er sogar noch etwas größer sein, allerdings hat sein Wachstum in den letzten Jahren stark abgenommen. Erstaunlich ist dass Yai erst 35 Jahre alt ist, er also schon in einem relativ frühen Alter wahrlich monströse Ausmaße erreicht hat. Hier sollte man aber bedenken, dass daran mehrere Faktoren beteiligt waren. Zunächst hatte Yai durch den Hybrid-bedingten Heterosiseffekt einen massiven Wachstumsvorteil gegenüber normalen Leistenkrokodilen, außerdem ist seine Größe selbst unter anderen Hybriden ungewöhnlich, so dass man davon ausgehen kann, dass dieses Exemplar besonders günstige genetische Voraussetzungen besitzt. Zudem wurde Yai auf einer Krokodilfarm ausgebrütet und aufgezogen, das heißt er konnte unter annäherungsweise idealen Lebensbedingungen aufwachsen. Die Temperaturen in Thailand lassen einen hohen Stoffwechsel bei diesen Tieren zu, und Nahrung war ebenfalls immer genügend vorhanden. Yai konnte sein Wachstumspotential also annäherungsweise voll ausschöpfen. Vor einiger Zeit habe ich in einer Reportage über die Krokodilfarm, auf der Yai lebt, gesehen, und war wirklich beeindruckt einmal Videoaufnahmen dieses Giganten zu sehen. Er lebt zusammen mit dutzenden anderen Krokodilen in einem riesigen Gehege, über das eine Brücke führt, von dem aus Touristen Photos machen, und die Krokodile füttern können. Die anderen Krokodile waren auch nicht gerade klein, aber im Gegensatz zu Yai wirkten sie allesamt wie Zwerge. Übrigens ist Yai auf einer Seite blind, eines seiner Augen ist weiß-rot verfärbt, warum das so ist, wurde aber nicht gesagt, vermutlich geht es auf eine Rangelei mit Artgenossen zurück. Ein makabres Detail über Yai ist auch, dass er wahrscheinlich auch schon Menschenfleisch gefressen hat. Ich kann es nicht mit Sicherheit sagen, aber da jedes Jahr wieder einige Leute auf die bescheuerte Idee kommen, Suizid zu begehen, indem sie von der Brücke ins Krokodilbecken springen, wird Yai als „Big Boss“ in der Anlage sicher auch schon den einen oder anderen Bissen Mensch abgekriegt haben.

Es gibt noch ein paar andere sehr große Leistenkrokodilhybriden in Gefangenschaft, ist der 1964 auf der Samut Prakan Krokodilfarm in Thailand geborene Utan, der seit 2002 in South Caroline im Alligator Adeventure Parc lebt. Er hat eine Länge von knapp 6m, und wie etwa eine Tonne, ist also etwas kleiner als Yai. Auch einige reinrassige Leistenkrokodile von sehr großen Ausmaßen sind aus Zoos bekannt, etwa der etwa 6m lange Oscar, welcher im australischen Queensland beheimatet ist. Er stammt aus Papua Neuguinea, von wo er vor mehreren Jahrzehnten zusammen mit einem anderen Krokodil gebracht wurde. Diese andere Krokodil erhielt den Namen Gomek, und wurde vor mehreren Jahrzehnten nach Florida verkauft, wo er äußerst populär als größtes Krokodil der Vereinigten Staaten. Als er 1997 gestorben ist, war er 5,5m lang, und wog etwa eine knappe Tonne. Zu seinem Todeszeitpunkt war er bereits 70-80 Jahre alt, und es scheint dass er tatsächlich an altersbedingten Kreislaufversagen gestorben ist. In den 20 Jahren in denen Gomek in Florida lebte, wuchs er weniger als 30cm, und das obwohl er sicherlich immer genug zu fressen bekam. Das zeigt sehr gut, dass ein langes Leben keineswegs der Hintergrund für ungewöhnliche Größen bei Krokodilen ist. Nicht unerwähnt bleiben soll das „weiße“ Leistenkrokodil das früher in der Wilhelma lebte, und Generationen von Zoobesuchern mit seiner stoischen Trägheit langweilte. Ich habe es zu Lebzeiten viele Male gesehen, aber niemals wie es irgend eine Bewegung vollführt hätte.  Dieses Leistenkrokodil war ungewöhnlich hell, wenn auch nicht wirklich weiß, und stammte von einer Krokodilfarm aus Asien, von wo es 1967 nach Stuttgart gebracht wurde. Mit einer Länge von 4,5m und einem Gewicht von etwas unter einer halben Tonne war es zwar ein gutes Stück unter den bisher genannten Krokodilen, aber dennoch für seine Art von sehr beachtlicher Größe. Inzwischen kann man es übrigens von der Decke hängend im Stuttgartere Rosenstein-Museum bewundern:

Das “weiße” Leistenkrokodil aus der Wilhelma

Das waren jetzt alles Krokodile, welche entweder in Gefangenschaft geboren, oder zumindest über längere Zeit dort gelebt haben, aber wie sah es mit den Krokdilen aus der Wildnis aus? Während man in Zoos relativ verläßliche Größenangaben (und nicht zu vergessen Bildmaterial) bekommen kann, und davon ausgehen kann, dass die gemachten Angaben auch stimmen, sieht die Sache von in der Wildnis gesehenen oder geschossenen Krokodilen vollkommen anders aus, hier gehen Wirklichkeit und pure Fiktion Hand in Hand.

Viele große Tiere, insbesondere solche die im Wasser leben, und daher oft nut teilweise gesehen werden, haben die Eigenschaft sehr viel größer auszusehen, als sie tatsächlich sind. Vor allem bei Reptilien scheint dies ein weit verbreitetes Phänomen zu sein, Größen werden hier extrem oft maßlos überschätzt, nicht selten um 100% oder sogar mehr. Daher werde ich gar nicht erst auf verschiedene ominöse Sichtungen von Krokodilen eingehen, deren Größe weit über den belegten Rekorden gelegen haben soll. Betrachtet man die geschossenen Riesenkrokodile, so fällt auf dass auch diese oft auf wundersame Weise schrumpften, wenn man sie genauer untersuchte (ein mysteriöses Phänomen, das man seltsamerweise auch oft bei Schlangen, Haien und anderen Fischen findet…). Etwa das vermeintliche Riesenkrokodil, das 1840 in der Bucht von Bengalen geschossen wurde, und das so groß war, dass man nur seinen Kopf mitnehmen konnte. Dieser landete dann später im Naturhistorischen Museum von London. Eine genaue Untersuchung des Schädels zeigte dann aber, dass dieses Krokodil keineswegs wie ursprünglich angegeben 10,1m lang gewesen ist, sondern nur etwa 4,8m (nach einer anderen Quelle 5,98m). Leider findet man die zuerst angegebene Größe von 10,1m immer noch in einigen Büchern als Rekordgröße. Bei einem anderen Krokodil, das einst eine Länge von 8,8m gehabt haben soll, stellte sich beim Vermessen des Schädels später heraus, dass es lediglich 4,9m lang gewesen ist. Das ist immer noch ziemlich viel für ein Leistenkrokodil, aber es zeigt doch wie massiv die Leute zum Übertreiben neigen, und wie leicht reines Jägerlatein als Tatsachen den Einzug in die Fachliteratur finden kann. Derartige Abenteuergeschichten von Riesenkrokodilen, bei denen spätere Messugen der Schädel ergaben, dass diese Tiere viel kleiner waren als angegeben, gibt es viele. Etwa ein 1823 auf den Philippinen geschossenes Leistenkrokodil, von dem es hieß, es habe eine Länge von 8,2m, das aufgrund der Schädelgröße aber nur etwa 6m lang gewesen sein kann. 

Jetzt stellt sich natürlich die Frage, wie groß die größten wirklich nachprüfbaren Leistenkrokodile gewesen sind. 1974 geriet im Mary River in Nordaustralien ein Krokodil in ein Fischernetz, und wurde mit einer Axt getötet. Der Kadaver wurde dann geköpft, aber später konnte der Körper von Rangern gefunden, und noch einmal vermessen werden. Dieses Krokodil, dessen von Axthieben gezeichneter Schädel auf der Darwin-Crocodile-Farm zu sehen ist, hatte eine Länge von 6,2m. 1983 wurde im Fly River auf Papua Neuguinea ein Leistenkrokodil getötet, dessen Haut von mehreren Zoologen untersucht werden konnte. Nach der Messung der Haut zu urteilen, muss dieses Exemplar auch etwa 6,2m lang gewesen sein, aber da Krokodilhäute etwas kürzer werden als die lebenden Tiere, war dieses Krokodil ursprünglich wahrscheinlich sogar 6,3m lang. Man kennt auch den Schädel eines Leistenkrokodil aus Orissa, Indien, der einem Krokodil gehörte, das einst eine Länge zwischen 6m und 6,9m gehabt haben muss. Vor wenigen Jahren wurde im Archiv des Paleontologischen Museums of Paris auch ein Leistenkrokodilschädel mit einer Länge von 98,2 cm und einem Gewicht von 25kg entdeckt. Da die Gesamtlänge das 7-7,5-fache der Schädellänge beträgt, muss dieses Tier mindestens eine Länge von 6,9m gehabt haben. In der vierten Ausgabe des Crocodile Specialist Group Newsletter von 2006 wird auch von einem gigantischen Leistenkrokodilschädel aus Indien berichtet, der von einem Exemplar stammte, das 1926 im Dhamara-Fluss geschossen wurde. Der Schädel befindet sich momentan im Kanika-Palast der Raja von Kanika. Die Länge des Schädels beträgt 99cm, und er ist der größte bekannte Krokodilschädel der Welt. Die Länge soll bei 7,5m gelegen haben, was in Anbetracht des Schädels durchaus glaubhaft ist. Das abgebildete Photo des Schädels zeigt auch die enorme Robustheit des selben, er ist ungewöhnlich breit, und noch viel massiver als der oben gezeigte große Schädel aus Tübingen. Bei Krokodilen wird wie bei vielen anderen Reptilien der Schädel mit zunehmender Größe immer kräftiger und kompakter. Das Gewicht dieses Monstrums muss nach groben Schätzungen bei etwa 2 Tonnen gelegen haben, vielleicht aber sogar noch etwas mehr. Ein Krokodil dieser Größe wäre theoretisch sogar in der Lage gewesen, ausgewachsene Wasserbüffel, Nashörner und halbwüchsige Elefanten zu überwältigen. Selbst Riesen wie Yai oder Utan würden neben einem solchen Giganten wie Hänflinge aussehen.

Was bleibt also abschließend zu sagen? Man kann Größenangaben von 10m guten Gewissens ignorieren, auch solche von 9m. Angaben über 8m für Leistenkrokodile würde ich sehr vorsichtig betrachten, da dies vielleicht schon über der biologischen Grenze liegt, die diese Art erreichen kann, und auch viele Geschichten von 6 oder 7m langen Krokodilen werden übertrieben sein. Die Beispiele von schamlos übertriebenen Größenangaben zeigen auch, dass vieles, selbst wenn es in der Literatur verbreitet wird, nichts wert ist. Wirklich glaubhaft sind nur solche Angaben, die wirklich nachprüfbar sind, etwa durch Vermessen der Haut, des Schädels, oder im Idealfall des ganzen Tieres durch autenthizierte Personen. Die Tatsache dass es unzweifelhafte Beweise in Form von Schädeln für die Existenz von mehr als 7m großen Leistenkrokodilen gibt, bedeutet natürlich auch, dass es sicherlich auch einige Berichte über riesige Krokodile gibt, die nicht übertrieben gewesen sind, aber mangels entsprechend erhaltener Relikte nicht mehr nachprüfbar sind. Leider kann man solche Fälle nicht wirklich berücksichtigen, da der Hang des Menschen zur Übertreibung leider viel zu groß ist, und so allzuleicht falsche Informationen als Tatsachen verbreitet werden. Die Tatsache dass es weltweit wirklich nur eine Handvoll bekannte Krokodile gibt oder gab, die nachweislich Größen von 6m und mehr erreichten, zeigt auch gut, wie extrem selten solche Tiere sind, und dass es sich um außerordentlich Ausnahmen handelt. Die Ausführugen über das Wachstumsverhalten zeigen auch, dass keineswegs einfach ein langes Leben der ausschlaggebende Faktor für solche Größen sind. Gerade in Populationen in denen eine große Anzahl von Krokodilen praktisch unter den gleichen Lebensbedingungen leben, kann man viel eher davon ausgehen, dass das Vorhandensein einiger extrem überdurchschnittlich großer Individuen auf genetischen Hintergründen basiert, und diese Tiere primär dank ihrer Anlagen (gekoppelt mit optimalen Umweltbedingungen) die enormen Größen erreichen konnten. Krokodile die sehr groß sind, haben natürlich auch bessere Chancen ein hohes Alter zu erreichen, nicht nur weil sie keine Feinde mehr zu fürchten haben, sondern auch weil sie sich gegenüber Artgenossen besser durchsetzen können, was nicht nur das Risiko bei einer innerartlichen Konfrontation schwer verletzt zu werden senkt, sondern auch Vorteile beim Besetzen von Revieren oder dem gemeinsamen Fressen an Kadavern bietet.

Bevor die Krokodilpopulationen im großen Ziel hauptsächlich mit Hilfe von Schusswaffen dezimiert wurden, waren extrem große Exemplare sicherlich noch häufiger, wenngleich Längen von 6m und mehr niemals dem Standard ensprochen haben, und immer schon sehr selten gewesen sind. Durch die unnatürliche Selektion menschlicher Jäger, die bevorzugt die größten und eindrucksvollsten Exemplare einer Tierart schießen, sind derartige Riesen natürlich besonders selten geworden. Das vielleicht größte Krokodil der Welt lebt im Orissa-Reservat in Indien, das eine Länge von beinahe 7m hat.

Weiterführende Links:

Artikel der Crocodylian Biology Database über die Größe von Krokodilen:

http://www.flmnh.ufl.edu/cnhc/cbd-faq-q2.htm

Newsletter der Crocdile Specialist Group mit Photo des 99cm langen Krokodilschädels (ganz unten):

http://www.flmnh.ufl.edu/natsci/herpetology/Newsletter/csgnews254.pdf

Irgendwann möchte ich noch über den Mythos über das riesige Nilkrokodil namens Gustave eingehen, und vielleicht auch einmal kurz auf die Größe von Ganges-Gavialen.

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Bild des Tages: Nautilus

Momentan sind mehrere längere Beiträge in Arbeit, weshalb ich seit einiger Zeit nicht mehr dazu gekommen bin, einen neuen zu posten, darum gibt es hier mal wieder ein Bild des Tages, einen Nautilus aus dem Haus des Meeres in Wien:

Nautilus

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