Ich schreibe diesen Artikel weil eine ganze Menge Leute wirklich ernsthaft mit dieser Frage überfordert sind, und sie auch immer wieder gestellt wird. Zumal hier sehr viel Halb-und wohl noch mehr Falschwissen kursiert. Tatsächlich denken viele dass Wale und Delfine etwas grundlegend unterschiedliches sind. Problematisch ist hier allein schon die Definition, denn viele unterscheiden primär einmal anhand der Größe zwischen den „kleinen“ Delphinen und den „großen“ Walen. Dass diese Unterscheidung wenig hilft, möchte ich anhand einiger Beispiele etwas später darlegen. Wirklich zum Schreiben dieses Artikels bewogen hat mich dann aber tatsächlich erst eine Forendiskussion, über die ich zufällig gestoßen bin, in der ein Nutzer allen Ernstes auch behauptet hat er hätte in Vorlesungen gehört dass Delfine auch evolutionär einen ganz anderen Ursprung als Wale hätten, und ihre Vorfahren marderatige Angehörige der Carnivora, also Raubtiere wie Katzen oder Hunden waren. Das ist natürlich vollkommener und massiver Stuss, und ich habe keine Ahnung wer sowas heutzutage verbreitet.
In der Zoologie unterscheidet man nicht zwischen Walen und Delfinen, sondern primär zwischen Zahnwalen und Bartenwalen, da sich deren Linien bereits relativ früh voneinander getrennt haben, nämlich im Eozön vor etwa 29-39 Millionen Jahren. Zu den Bartenwalen gehören beispielsweise die Furchenwale, zu denen auch der Blauwal zählt, dann die Glattwale mit insgesamt vier Arten sowie die Zwergglattwale und Grauwale, welche jeweils nur als einzige rezente Art ihrer Gattung existieren. Bartenwale besitzen bezeichnenderweise Barten, mit welchen sie ihre Nahrung aus dem Wasser filtern. Die Barten sind übrigens auch keine umgewandelten Zähne, sondern leiten sich von keratinösen Strukturen ab, die unabhängig von den Zähnen sind. Bei den Föten von Bartenwalen kann man teilweise noch recht zahlreichen und auch proportional erstaunlich große Anlagen für Zähne erkennen, allerdings werden diese im Laufe der weiteren Entwicklung wieder resorbiert ohne jemals durchzubrechen. Man kennt einige sehr ursprüngliche Bartenwale wie Aetiocetus, welche sowohl schon kurze Barten als auch noch funktionsfähige Zähne hatten. Dass sie schon Barten hatten weiß man anhand der Foramina für Blutgefäße im Oberkiefer, denn auch wenn die Barten selbst wie Fingernägel oder Haare „tot“ sind, müssen die sie produzierenden Gewebe mit Blut versorgt werden. Die Durchgänge im Knochen für die dafür notwendigen Blutgefäße lassen sich noch an den Schädeln erkennen. Hier ist eine Rekonstruktion von Aetiocetus von meinem Freund Carl Buell:
Auch recht verbreitet erscheint die Annahme dass die „großen“ Wale vor allem Plankton oder Krill fressen, und daher oft nicht selten eher den Pflanzenfressern angedacht werden. Das ist natürlich Unsinn, denn Fleisch bleibt Fleisch, egal ob es sich nun um sehr große oder sehr kleine Beutetiere handelt. Allerdings ist es ein Mythos dass sie sich nur von Plankton oder Krill ernähren, denn eine ganze Reihe von Furchenwalen ernähren sich zu einen großen Teil von Fischen, beispielsweise der Brydewal,(Balaenoptera brydei) welcher fast ausschließlich von Fischen lebt. Dabei werden nicht nur ausschließlich kleine Schwarmfische wie etwa Sardinen gefressen, sondern teilweise auch recht große wie Lachse oder Kabeljau, wenngleich dies eher seltener der Fall ist. Buckelwale haben sogar eine äußerst komplexe Technik entwickelt um in Gruppen Schwärme von Fischen mit Hilfe von Luftblasen zusammen zu treiben.
Zu den Zahnwalen gehören alle übrigen Wale, die Pottwale, die Schnabelwale, die Gründelwale, die Schweinswale, die Ganges-Delfine (zwei Arten), die Fluss-Delfine (drei Arten) und eben auch „die“ Delfine. Der Begriff „Wal“ ist weder ein Kriterium für Größe oder Zugehörigkeit. Delfine sind schlichtweg eine Familie innerhalb der Unterordnung der Zahnwale. Sie gehören genauso zu den Walen wie alle Ziegen oder Schafe zu den Huftieren gehören. Dazu kommt noch, dass die ausgesprochen artenreiche Familie der Delfine viele Spezies beinhaltet, die durchaus den Begriff „Wal“ in ihrem Namen tragen. Dazu zählt etwa der Orca, beziehungsweise Schwertwal. Ja, Schwertwale sind Delfine, auch wenn sie ziemlich groß werden können und auch nicht besonders delfinartig aussehen. Auch der kleine Zwerggrindwal, der nur etwa 2,6 m lang wird ist ein Delfin. Die meisten kennen als Delfine nur einen moderat langschnäuzigen und recht kleinen „Flipper“-Archetypus, aber es gibt noch weitaus mehr Arten, und keineswegs alle fallen in diese Kategorie. Es gibt sowohl deutlich kleinere als auch deutlich größere Arten, manche haben eine deutlich längere Schnauze, viele andere wiederum überhaupt keinen sichtbaren „Schnabel“ mehr, beispielsweise die großen Grindwale.
Auf dieser sehr schönen Zusammenstellung die Carl Buell von verschiedenen Angehörigen der Delphinidae gemalt hat, sieht man einmal sehr gut wie vielgestaltig diese Familie ist, und das obwohl dies ja nur eine sehr kleine Auswahl ist:
Links oben ist ein Gemeiner Delfin (Delphinus delphis), daneben ein Kleiner Schwertwal (Pseudorca crassidens), rechts von diesem ein Blau-Weißer Delfin (Stenella coeruleoalba), darunter ein Rauzahndelfin (Steno bredanensis) und darunter ein Schwertwal der Spezies Orcinus orca (Tatsächlich weiß man inzwischen dass es eine ganze Reihe teilweise sehr unterschiedlicher Schwertwale gibt, und nicht nur eine einzige weltweit verbreitete Art). Was auffällt sind die Bezeichnungen, zwei dieser „Delfine“ tragen das Wort „Wal“ in Namen. Natürlich sind diese Arten teilweise recht weit voneinander entfernt verwandt, aber sie sind doch dennoch alle näher miteinander verwandt als beispielsweise irgend einer von ihnen mit den Schnabelwalen. Anatomisch unterscheiden sich Delfine im Prinzip auch abgesehen von einigen relativ geringfügigen Merkmalen wie der Verschmelzung der ersten beiden Wirbel, einer relativ gerinen Anzahl von Rippen, höchstens zu einem Drittel miteinander fusionierten Kieferhälften und stumpfen Zähnen nicht grundlegend von anderen Zahnwalen, und es gibt keinerlei Grund ihnen in irgendeiner Weise eine Sonderstellung zu geben und von anderen Walen deutlich abzugrenzen. Wobei ich hier die Definition der stumpfen Zähne auch reichlich unsinnig finde. Viele andere Zahnwale haben auch stumpfe Zähne, etwa die Schweinswale, umgekehrt haben aber auch viele Delfine ausgesprochen spitze Zähne, dieses Unterscheidungskriterium kann also auch nicht universell gelten. Genau genommen gehören die Delfine sogar zu den „gewöhnlichsten“ Zahnwalen überhaupt, und man findet unter ihnen kaum extreme Entwicklungen wie man sie bei praktisch allen anderen Zahnwalfamilien finden kann. Einen weiteren schönen Vergleich zwischen einem typischen Delfin und einem nicht ganz so typischen sieht man hier auf diesem Photo das noch einmal einen Falschen Schwertwal und einen Großen Tümmler zeigt (von Wikipedia):
Beide Arten sind trotz ihres sehr unterschiedlichen Aussehens dennoch so nahe verwandt, dass sie im Sea Life Park auf Hawaii sogar schon erfolgreich Hybriden hervorgebracht haben.
Ich habe vorhin schon geschrieben dass auch die Größe eine sehr schlechte Definition für die Zugehörigkeit von „Walen“ oder „Delfinen“ ist. Viele verstehen ja unter „Walen“ primär mal Bartenwale, doch auch diese sind keineswegs alles Riesen. Der Südliche Zwergwal (Balaenoptera bonaerensis) erreicht Längen zwischen 7,2 m bis etwa 10,7 m, der kleinere Zwergwal (Balaenoptera acutorostrata) nur 6,8 m bis 9,8 m und der kaum bekannte Zwergglattwal (Caperea marginata) sogar nur etwa 6 m. Hier sei natürlich auch zu bedenken dass die oberen Längen auch eher seltene Ausnahmen sind. Hier einmal ein Größenvergleich zwischen einem (recht großen) Zwergglattwal und einem Menschen:
Im Vergleich dazu werden die größten Orcabullen teilweise über 9 m lang, und auch Durchschnittslängen von 6-8 m bei einigen Arten durchaus normal sind, wobei sie auch gleichzeitig ziemlich kräftig gebaut sind. Das heißt dass die größten Delfine größer werden als die kleinsten Bartenwale. Auch derLangflossen-Grindwal (Globicephala melas)wird mit Längen bis 6 und teilweise sogar bis zu 8 m zumindest einmal ähnlich groß wie die kleinsten Bartenwale (Bild ebenfalls von Wikipedia).
Andere Vertreter der Zahnwale welche nicht zu den Delfinen gehören werden sogar noch größer, der Baird-Schnabelwal (Berardius bairdii) erreicht Rekordlängen bis zu 13 m, der Arnoux-Schnabelwal (Berardius arnuxii) immerhin noch 8-10 m, der Nördliche Entenwal (Hyperoodon ampullatus) auch Rekordlängen bis 9,8 m, der Südliche Entenwal (Hyperoodon planifrons) bis zu 8 m, und einige der anderen Arten erreichen auch Größen welche durchaus den kleinsten Bartenwalen nahe kommen. Außerdem gibt es natürlich noch den Pottwal (Physeter catodon) welcher in Ausnahmefällen Längen von mehr als 20 m und Gewichte von weit über 50 Tonnen (zu diesem speziellen Thema hoffentlich irgendwann mehr…) erreicht, und damit auch die allermeisten mittelgroßen Bartenwale deutlich in den Schatten stellt.
Umgekehrt gibt es auch winzige Wale außerhalb der Delfine. Zwar gibt es auch einige sehr kleine Delfine, aber die kleinsten Wale überhaupt gehören zu den Schweinswalen, bei denen selbst die größten Arten nicht mehr als etwa 2,5 m lang werden. Der Kalifornische Schweinswal (Phocoena sinus) erreicht sogar nur etwa 1,5 m. Man sieht also sehr gut, dass der Begriff „Wal“ in keinster Weise irgendetwas über die Größe aussagt. Auf diesem Wild von der dänischen Wikipedia-Seite über den Gewöhnlichen Schweinswal (Phocoena phocoena), der nur bis zu 1,85 m lang wird, sieht man sehr gut wie klein sie sind:
Was bleibt also letztendlich als Antwort auf die Frage des Titels zu sagen? Nun, alle Delfine sind Wale, aber nicht alle Wale sind Delfine.