Zugegeben, es ist nicht das erste mal dass ich über den Breitstirnelch schreibe. Beim letzten Beitrag hatte ich leider nur ein einziges Photo zweier Geweihstangen aus der Paläontologischen Sammlung in Hamburg, doch inzwischen habe ich erfreulicherweise eine Menge zusätzlichen Photomaterials in meinem Archiv, darunter dieses ganz besonders beeindruckende Geweih aus den Goldshöfer Sanden bei Aalen, welches in der Paläontologischen Sammlung in Tübingen ausgestellt ist:
Hierbei fällt auf, dass im Vergleich zu den anderen gezeigten Geweihen die Schaufeln relativ klein, aber dafür die aus ihen hervorgehenden Stangen extrem lang sind, und zwar sämtliche Ausläufer. Das Geweih hängt relativ weit oben an einer Wand, daher ist es schwer zu sagen, wie groß seine komplette Spannweite ist. Der Vergleich mit den darunter ausgestellten Höhlenbärskeletten lässt die Ausmaße aber erahnen:
Als ich das erste mal über den Breitstirnelch geschrieben habe, wurde dieser noch als Alces latifrons geführt, also der gleichen Gattung wie der moderne Elch zugeordnet, wird aber inzwischen mit dem amerikanischen Riesenhirsch Cervalces scotti in einer Gattung zusammengefasst. Das Aalener Geweih ähnelt morphologisch stark jenem von Libracles gallicus, einer Spezies mit extrem langen dünnen Geweihstangen, welche in relativ kleinen Schaufeln mit gut ausgeprägten Geweihstangen auslief. Gelegentlich wird auch Libralces der Gattung Cervalces zugeordnet. Ich frage mich auch ernsthaft, ob dieses Geweih tatsächlich Alces latifrons zugeordnet werden kann, oder ob es nicht vielleicht eher in eine Libralces gallicus-nahestehende Linie gehört.
Neben den beiden Geweihstangen in Tübingen entdeckte ich zu meiner großen Freude noch weitere Fossilien sowie ein wirklich schönes Modell des Breitstirnelchs im Naturhistorischen Museum Mainz (absolut empfehlenswert, die dortige Sammlung ist wirklich toll!).
Bei diesem Abguss scheint es sich um das gleiche Geweih zu handeln, das auch (beziehungsweise als Abguss) in Hamburg ausgestellt ist. Der Unterschied in Form und Größe von Schaufeln und Stangen im Vergleich zum Aalener Geweih sind offensichtlich.
Um zumindest einigermaßen einen Eindruck der Größe zu vermitteln habe ich hier noch einmal zwei weitere Photos, welche das Geweih im überdachten Innenhof des Museums zusammen mit einem modernen Elchskelett zeigen. Natürlich erscheint es durch die Perspektive etwas kleiner im Vergleich zu dem Elch, zeigt aber dafür gut die Ähnlichkeiten und Unterschiede in der Morphologie der Geweihe.
Hier noch mal ein weiteres Photo, welches das Cervalces latifrons-Geweih zusammen mit dem Elchskelett, einem präpariertem Elch und dem Skelett des Riesenhirsches Megaloceros zeigt:
Cervalces latifrons Geweih, Elchskelett, Elchpräparat und Megaloceros im Naturhistorischen Museum Mainz
Man sieht bei dieser wirklich sehr schönen Zusammenstellung verschiedener lebender und ausgestorbener Riesenformen der Hirsche eine Reihe von Dingen. Etwa dass das Geweih von Megaloceros selbst jenes von Alces latifrons an Spannweite von Volumen noch einmal dautlich überragte. Man sieht aber auch, dass der Körper von Megaloceros selbst nicht wirklich viel größer ist als die beiden Elche, wobei hier anzumerken ist, dass es sich sowohl bei dem Skelett als auch beim dem Präparat um relativ kleine Exemplare handelt. Große Elche aus Alaska, Schweden oder Sibirien stehen Megaloceros in ihrer Körpergröße um nichts nach, und Cervalces latifrons dürfte Megaloceros an Schulterhöhe und Masse sogar noch etwas übertroffen haben. Insofern war Megaloceros entgegen der vielfach fälschlich vorgebrachten Behauptung keineswegs der größte Hirsch aller Zeiten.
Neben dem Abguss des kompletten Geweihs war in einer der Vitrinen auch eine unvollständige und teilweise rekonstruierte Geweihstange ausgestellt, deren ursprüngliche Größe noch über jener des Geweihs an der Wand gelegen haben muss.
Zudem war auch eine sehr schöne Modelrekonstruktion des Breitstirnelches ausgestellt:
Ob Cervalces latifrons tatsächlich abgesehen vom Geweih bereits dermaßen ähnlich aussah wie heutige Elche, sei mal dahingestellt, in jedem Fall handelt es sich um ein künsterlisch wirklich ausgesprochen gelungenes Modell.
Als Vorlage für dieses Modell diente ganz offensichtlich ein Geweih mit etws kürzeren Stangen:
Noch mal eine Frontalansicht:
Sowie eine Seitenansicht:
Die Geweihe moderner Elche zeigen häufig eine mehr oder weniger stark ausgeprägte Wölbung der Schaufeln und Krümmung der Geweihstangen, was möglicherweise mit ihrer vor allem waldbewohnenden Lebensweise in Zusammenhang stehen könnte. Dagegen waren die Schaufeln und Geweihstangen von Cervalces latifrons fast flach in einer Ebene abgeordnet.
In seiner Lebensweise und Ernährung dürfte Cervalces latifrons sich wenig von modernen Elchen unterschieden zu haben, wenngleich er vermutlich tendeziell weniger in dichten Wäldern gelebt haben dürfte, sondern eher in offenen Tundra-oder Sumpflandschaften.