Vor ein paar Monaten wollte ich mal abends praktisch „nebenher“ ein neues Modell bauen. Es benötigte schon geraume Zeit, sich für das Motiv zu entscheiden. Ich wollte einen Meeressäuger machen, da diese weniger Arbeit machen, als ein normales Landsäuger. Es sollte nicht gerade ein 0815- Modell von einem Schwertwal oder einem Seelöwen sein, wie es schon ungezählte gibt, sondern nach Möglichkeit etwas ungewöhnliches, von dem es vielleicht sogar noch überhaupt kein Modell gibt. Ich entschied mich dann für einen Blainville-Schnabelwal, einem der ungewöhnlichsten Vertreter der in der Tiefsee jagenden Schnabelwale. Trotz ihrer zum Teil enormen Größe (der Baird-Schnabelwal kann so groß werden wie ein Grauwal, und ist der zweitgrößte Zahnwal überhaupt) und ihrer teilweise extrem bizarren Anatomie werden diese Tiere meist ziemlich stiefmütterlich behandelt. Das mag zum Einen daran liegen, dass sie eine sehr versteckte Lebensweise führen, und auf See kaum zu beobachten, geschweige denn zu filmen sind. Über die Lebensweise vieler Arten ist nach wie vor so gut wie nichts bekannt. Bei den Schnabelwalen ist das Gebiss bei fast allen Arten massiv reduziert, da diese vor allem Fische und Kalmare fressenden Wale ihr Beute dadurch fangen, dass sie mit Hilfe ihres Zungenbeines einen Unterdruck im Maul erzeugen, und sich ihre Beute so wie mit einem Staubsauger einverleiben können. Dafür tragen die Männchen teilweise sehr seltsame Hauer im Unterkiefer, die dazu dienen andere Männchen bei innerartilichen Konfrontationen zu verletzten. Die Haut dieser Tiere ist darum häufig von einzelnen, teilweise aber auch doppelt oder sogar vierfach parallel verlaufenden Narben bedeckt. Der vermutlich zweitkurioseste Schnabelwal ist Blainvilles Schnabelwal. Es handelt sich um eine für Schnabelwalverhältnisse eher mittelgroße bis kleine Art, die Längen von etwa 4,5 bis maximal 6m erreichen, bei einem Gewicht von 0,7-1.0 Tonnen. Die Männchen dieesr Arten besitzen einen äußerst ungewöhnlichen Unterkiefer. Die hintere Hälfte des Kieferkammes ist sehr stark erhöht, und überragt annäherungsweise halbkreisförmig dern Oberkiefer. Auf diesem seltsamen Kiefergrat, der fast ein bisschen so aussieht wie die Mäuler von Glattwalen (bei denen das hochgewölbte Maul aber aus Muskeln und nicht aus Knochen besteht), sitzt ein großer Zahn, der ein bisschen so aussieht, wie die spitz zulaufende Hälfte eines geschälten Sonnenblumenkerns. Da dieser auch bei geschlossenen Maul den Oberkiefer deutlich überragt, können sich die Männchen dieser Art auch besonders tiefe Wunden zufügen. Die Wirkung der Zähne kann sogar noch verstärkt werden, denn manchmal siedeln sich auf ihnen Seepocken an, deren scharfkantige Schalen die Wirkungsfläche der Zähne noch vergrößern.
Interessant sieht es auch aus, wenn diese Tiere ihr Maul öffnen. Da der hintere Teil des Kiefers so stark erhöht ist, bleibt die hintere Hälfte des Maules auch bei geöffneten Kiefern praktisch zu, und bildet so eine Art Röhre. Ob dies allerdings irgendeinen Vorteil bei der Jagd bedeutet, oder ob sich die diese seltsame Kieferform entwickelte, um den Männchen einen Vorteil bei Rivalenkämpfen zu bieten, ist nicht bekannt. Vielleicht trifft auch beides zu. Jedenfalls hatte ich mich dann irgendwann dazu entschieden einen männlichen Blainville-Schnabelwal zu modellieren. Wie alle anderen Modelle auch, besteht es aus Fimo, wobei ich eine Mischung aus weißen und schwarzen Fimo classic und etwas weißen Fimo soft benutzt habe, um ein möglichst gut zu bearbeitendes Material zu haben. Wenn man weiß und schwarz zusammenknetet, hat man den Vorteil dass man sieht, wann man es lange genug geknetet hat, denn man sieht ziemlich lange noch schwarze und weiße Streifen. Darum muss man ziemlich lange kneten um eine wirklich homogene graue Masse zu bekommen, bei der Fimo soft und classic verbunden sind. Früher gab es noch das großartig zu verarbeitende Fimo medium, das perfekte Eigenschaften hatte, und nich gemischt werden mußte. Leider gibt es das nicht mehr zu kaufen. Aus Stabilitätsgründen habe ich einen doppelt gedrehten Draht sozusagen als Wirbelsäule eingearbeitet, und darum etwas verknüllte Alufolie eingefügt, um Material zu sparen. Darüber habe ich dann den Körper modelliert. Und es kam natürlich wie es kommen mußte, aus dem nebenher wurden einige Stunden mehr, und irgendwann hatte ich keine Lust mehr. Also habe ich ihn eingepackt und erst mal liegen gelassen. Nach ein paar halbherzigen Versuchen ihn fertig auszumodellieren, habe ich mich nach mehreren Monaten jetzt endlich dazu entschieden, ihn fertig zu machen. Augen, Zähne und Flossen habe ich vorgehärtet und anmodelliert. Das Anmodellieren der Schwanzflosse war ziemlich kompliziert, aber da Walflossen so dünn sind, haben sie nicht genügend Eigenstabilität, weshalb es einfacher ist, sie auf einer flachen oder leicht geschwungenen Fläche vorzuhärten. Vor allem die korrekte Ausmodellation des Kopfes hat sehr viel Zeit benötigt, immer wieder merkte ich dass etwas nicht stimmte, und selbst jetzt ist sie nicht ganz zufriedenstellend. Andererseits muss man eben manchmal mit Kompromissen leben. Das Modell habe ich dann etwa 40 Minuten bei etwa 110°C im Backofen gehärtet, und ich finde es kann sich durchaus sehen lassen:
Die Form der Zähne stimmt leider nicht ganz, und ich muss sie wahrscheinlich noch mit einer Rasierklinge noch etwas nachbearbeiten. Auf dem nächsten Bild sieht man recht gut die vielen aufmodellierten Narben. Bei den runden Dellen handelt es sich um die Bissspuren von Cookie-cutter-Haien, die sich diese Wale in der Tiefsee oft einfangen. Leider sind immer noch Fingerabdrücke auf dem Modell, aber die bekomme ich mit feiner Stahlwolle wahrscheinlich noch weg:
Noch eine Ansicht von oben:
Als Vorlage dienten mir übrigens die hervorragenden Illustrationen von Bratt Jarrett aus Hadoram Shirihais „Whales Dolphins and Seals. A Field Guide to the Marine Mammals of the World“ dem wahrscheinlich besten und umfangreichsten Bestimmungsbuch für Meeressäuger, das es auf der Welt gibt. Irgendwann muss ich eine Rezession für dieses Buch schreiben, da es einfach unglaublich ist.
Hier sieht man einmal den direkten Vergleich (und die Fehler bei der Modellation) von Modell und Vorlage:
Einige Dinge konnte ich nicht hundertprozentig nachmodellieren, beispielsweise sind die Flippen und der Schwanzstiel von Walen so dünn, dass man sie bei dieser Modellgröße und aus diesem Material fast nicht wiedergeben kann.
Das Originalbild kann man übrigens auch hier auf Brett Jarretts Homepage sehen: http://www.brettjarrett.com/images/wds036.jpg