Bild des Tages: Erdkröte

Es ist immer mal wieder erstaunlich was man selbst im eigenen Garten so antrifft, so etwa vor ein paar Tagen eine ziemlich dicke Erdkröte (Bufo bufo) die ich unter einer Regentonne gefunden habe:

Man sieht gut die trockene warzige Haut, und die für Kröten typischen waagrechten Pupillen:

Die Kröte war unglaublich aufgebläht, vermutlich weil sie sich bedroht fühlte.

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Riesenmuscheln

Heute gibt es zwei Photos eines wunderschönen Exponates aus der Wirbellosen-Abteilung des Naturhistorischen Museums Wien zu sehen, eine gewaltige Riesenmuschel. Leider kann ich nicht sagen um was für eine Art es sich genau handelt, da ich darauf damals leider nicht geachtet habe, möglicherweise handelt es sich aber um eine Große Riesenmuschel (Tridacna gigas).

Was mir an diesem Exponat besonders gut gefällt, ist die Rekonstruktion der Weichteile. Die leere Schale sieht mit ihrer gewaltigen Größe schon sehr spektakulär aus, doch das wirklich sehr gut modellierte „Innenleben“ zeigt die Muschel erst in ihrer wirklichen Pracht. Muscheln und Schnecken gehören nicht unbedingt zu den populärsten Meeresbewohnern, und nur selten wird ihnen in allgemeiner gehaltenen Büchern oder erst Recht im Fernsehen etwas mehr Aufmerksamkeit geschenkt, dabei gibt es unter ihnen nicht nur eine ganze Reihe sehr bizarrer Arten (vor allem unter den Schnecken), sondern teilweise auch enorm große. Es gab auch einige extrem große fossile Formen, über die man aber leider so gut wie nie etwas lesen kann. Vielleicht finde ich ja mal etwas Zeit über die zu schreiben.

Die lebenden Riesenmuscheln der Gattung Tridacna können teilweise wirklich monströse Ausmaße erreichen. Ich kenne mich mit ihnen nicht gut genug aus um die Größenangaben kritisch hinterfragen zu können. Man findet teilweise Längenangaben bis zu 1,40 m und Gewichte bis 400 kg, aber bei solchen Sachen ziehe ich es normalerweise vor etwas Eigenrecherche zu betreiben. Ich habe daher mal schnell in „The Guiness Book of Animal Facts & Feats“ fon Gerald Wood nachgeschlagen. Dort wird für die größte Riesenmuscheln ein Exemplar aus dem American Museum of Natural History genannt, welches eine Schalengröße von 109 mal 73 cm hat, und ein Gewicht von 263, 4 kg. Desweiteren wird ein Exemplar aus dem Great Barrier Reef östlich der Nordostküste von Queensland erwähnt, das 1917 gesammelt wurde und dessen Lebendgewicht bei etwa 600 Ib, also etwa 270 kg gelegen haben könnte. Ein weiteres extrem großes Exemplar wurde 1817 nordöstlich von Sumatra gesammelt, welches 137 cm lang war und 230,4 kg gewogen hat.  Das Australian Museum in Sydney besitzt ebenfalls ein ungewöhnlich großes Exemplar mit einem Gewicht von 227,2 kg.  Diese Rekordexemplaren lassen ein Gewicht von bis zu 400 kg zugegebenerweise etwas fragwürdig erscheinen, auch wenn ich das jetzt nicht kategorisch vollkommen ausschließen möchte. Aber es ist schon sinnvoller bei den tatsächlich nachgewiesenen Angaben zu bleiben.

Der größte Teil des Gewichtes wird von den massiven Schalen ausgemacht, und nicht vom eigentlichen Körper, daher ist selbst bei einer mehrere Zentner schweren Riesenmuschel die Fleischausbeute verhältnismäßig gering. Betrachtet man jedoch das Gesamtgewicht, dann steht Tridacna gigas nicht einmal hinter den schwersten Riesenkalmaren der Art Architeuthis dux wirklich zurück. Entgegen weitverbreiteter falscher Angaben lagen die höchsten dokumentierten Gewichte für Riesenkalmare „nur“ bei 275 kg, und das waren schon ziemliche Ausnahmen, denn die allermeisten anderen waren deutlich kleiner. Im Endeffekt sind die paar Kilogramm Unterschied zwischen den größten Riesenkalmaren und den größten Riesenmuscheln auch nicht relevant, weshalb man bei durchaus gleichberechtig in der Liste der größten lebenden Weichtiere an zweiter Stelle führen kann. An erster Stelle kommt natürlich der Kolosskalmar Mesonychoteuthis hamiltoni.

Hie sieht man noch mal eine etwas nährere Ansicht der Riesenmuschel aus Wien:

Was ich auch sehr schön finde, ist das Minuaturdiorama mit Steinen und Korallen um die Riesenmuschel herum.

Riesenmuscheln werden gemeinhin ja oft auch Mördermuscheln genannt, und natürlich stellt sich die Frage inwieweit dieser doch recht blutdürstige Titel tatsächlich berechtigt ist. Zweifellos haben die an ein riesiges Maul erinnernden Schalen ihren Teil dazu beigetragen. Doch es gibt auch tatsächlich einige ernstzunehmende Berichte über von Riesenmuscheln getötete Taucher. Natürlich ist hierbei nicht von einem Fressakt die Rede, denn auch wenn die Schalen eine gewisse Ähnlichkeit mit einem klaffenden Rachen haben, so sind sie doch damit nicht in der Lage größere Lebewesen als Plankton zu fressen. Doch wenn ein Mensch aus irgendwelchen Gründen mit einer Hand oder einem Fuß zwischen die Schalen kommt, und diese zuklappen, besteht durchaus die Gefahr des Ertrinkens. Zweifellos sind Riesenmuscheln in der Lage ihre Schalen mit enormer Kraft zu schließen. Der berühmte Tauchpionier Hans Hass machte einmal vor vielen Jahren ein Experiment, bei welchem er eigentlich vorhatte die angebliche potentielle Gefahr der Riesenmuscheln zu widerlegen. Hierfür wurde das mit Gips augesgossene Bein einer Schaufensterpuppe kurz zwischen die klaffenden Schalen einer Riesenmuschel gesteckt, und wieder herausgezogen. Zumindest sollte es so funktionieren. Die Schalen der Muschel schlossen sich aber augenblicklich, und es war selbst mit größter Kraftanstrengung nicht möglich das Bein wieder frei zu bekommen. Erst als mit Hilfe eines an einen Stock gebundenen Messers der Schließmuskel der Muschel durchtrennt wurde, konnte das Bein wieder befreit werden. Obwohl es massiv mit Gips ausgegossen war, hatten die Schalenränder zentimetertiefe Eindrücke hinterlassen.

Ein französicher Naturforscher namens Vaillant machte 1883 ein Experiment um die Stärke der Riesenmuscheln zu ermitteln. Hierfür befestigte er an einer Schalenhälfte einer ungewöhnlich großen Riesenmuschel von 150 kg Haken, um dann mit kontinuierlich ansteigendem Druck daran zu ziehen. Hierfür verwendete er mit Wasser gefüllte Gefäße, so dass sich das Gewicht gut kalkulierbar und ohne viel Aufwand steigern lies. Erst bei 891 kg gab die Schalen nach und öffneten sich. Dies ist im Prinzip umso erstaunlicher, wenn man bedenkt dass die eigentliche Muskulatur nur einen verschwindend kleinen Teil der Gesamtmasse ausmacht. Selbst bei einem kleineren Exemplar hätte ein Mensch praktisch keine Chance wenn er aus welchen Gründen auch immer mit einem Fuß oder einer Hand zwischen den Schalen gefangen wärre, es sei denn er würde es irgendwie schaffen die Schließmuskeln zu zerschneiden. Wie viele Menschen nun tatsächlich auf solche Weise zu Tode gekommen sind, ist natürlich fraglich, die Anzahl dürfte ausgesprochen klein sein. Die wenigen Fälle haben teilweise auch durchaus stark legendenhafte Züge, weshalb es schwierig ist, ihre Glaubwürdigkeit zu beurteilen, etwa bei der angeblichen Entdeckungsgeschichte der Perle von Lao Tzu.  Diese größte Perle der Welt hat einen Durchmesser von 24 cm und ein unglaubliches Gewicht von 6,4 kg. Man darf sich diese Monstrum einer Perle aber nicht als eine in zarten regenbogenfarben schimmernde Kugel vorstellen, sondern eher als einen reinweißen amorphen Klumpen Riesenkaugummie. Riesenmuscheln bilden an ihren Schaleninnenseiten kein Permutt, und lagern daher auch an eingedrungenen Fremdkörpern kein Perlmutt ab, daher erscheinen die in ihnen gebildeten Perlen eher porzellanartig. Hier sieht man ein Photo dieser Perle (aus Wikipedia):

Die größte Perle der Welt

Es gäbe noch jede Menge mehr was man über Riesenmuscheln erzählen könnte, über ihre Symbiose, ihre Bedrohung durch massive Ausbeuting, ihre Zucht in Aquakulturen und noch vieles mehr. Vielleicht kommt aber in nächster Zeit noch etwas mehr über Mollusken.

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Endlich mal wieder ein Feuersalamander

Es ist schon irgendwie absurd, da hat man wirklich tausende (inzwischen wohl eher bald zehntausende) von Photos aus Museen, Zoos oder direkt aus der Natur, und man findet trotzdem selbst nach langem Suchen keines das man für einen Blogpost nehmen könnte… Ein Grund besteht darin dass man zu den meisten Photos eigentlich noch eine ganze Menge schreiben könnte, oder wohl eher sollte, wofür ich aber auch oft keine Zeit habe. Leider hatte ich die letzten Wochen kaum noch Zeit für den Blog, daher ist auch schon ziemlich lange nichts mehr Neues dazugekommen. Da ich grade etwas Zeit erübrigen kann, kommen jetzt endlich mal wieder ein paar neue Photos, welche letztes Wochenende entstanden und sich gut in die schon im vorletzten Eintrag angeschnittene Thematik der heimischen Amphibien einreihen.

Da das Wetter in letzter Zeit ja vielfach massiv zu wünschen übrig ließ, und ich auch sowieso keine Zeit hatte, bin ich nur ziemlich selten mal „raus“ gekommen. Immerhin entschied ich mich dann am letzten Samstag früh morgens trotz, oder genau genommen wegen des feuchten Wetters, einen Spaziergang hier in der Nähe zu machen. Meine eigentliche Hoffnung bestand darin vielleicht endlich mal wieder einen lebenden Feuersalamander zu sehen, denn die Chancen stehen nach nächtlichen Regen zumindest relativ hoch in diesem Gebiet. Bisher habe ich dort außer zahlreichen Larven nur ein einziges Mal einen lebenden erwachsenen Feuersalamander gesehen, ein schon recht abgemagertes Weibchen dass ich aus einem Wasserablauf gerettet habe, in dem es anscheinend schon geraume Zeit festsaß und nicht mehr herauskam. Es handelte sich dabei um den gleichen Ablauf, in dem ich beim letzten Mal auch die Frösche gefunden habe (siehe vorletzter Blogpost). Dass es dort Feuersalamnder gibt, ist allerdings in der Regel leider primär daran ersichtlich, dass man vor allem im Sommer immer wieder überfahrene sieht, vor allem wenn es vorher geregnet hat. Auch am letzten Samstag fand ich leider wieder ein ganz frisch überfahrenen Salamander, der vermutlich von einem Fahrrad überrollt worden war. Aber erfreulicherweise auch endlich mal wieder einen lebenden, zufäligerweise keine zehn Meter von der Quelle entfernt, in deren Ablauf ich auch damals das gefangene Feuersalamanderweibchen fand.  Es war noch ein relativ kleines Exemplar, nicht viel mehr als 10 cm groß, und damit wahrscheinlich noch keine drei Jahre alt. Das war erst der dritte lebende Feuersalamander den ich bisher in der Natur gesehen habe, wenn man mal von zahlreichen Larven absieht.

Er war auch relativ mager, was man vor allem am Schwanz erkennen konnte, denn dieser war ziemlich dünn und spitz. Bei gut genährten Feuersalamandern ist er sichtlich dicker und auch etwas stumpfer am Ende. Möglicherweise hing das damit zusammen, dass es in den Wochen davor nicht nur diverse Kälteeinbrüche gegeben hat, sondern es auch kaum geregnet hat, also nicht gerade optimale Vorraussetzungen zur Nahrungssuche. Der kleine Salamander war auch insgesamt relativ schreckhaft, und reagierte sichtlich auf mich, indem er langsam zurückwich, und den Schwanz leicht einrollte. Ich habe ihn dann mit Hilfe eines Blattes vorsichtig aufgehoben und von der Straße weggetragen, da der Weg doch relativ stark von Spaziergängern, Fahrradfahrern und manchmal auch Autos frequentiert wird.

Man sieht gut dass es sich um einen gestreiften Feuersalamander (Salamandra salamandra terrestris), und nicht um die gefleckte Unterart Salamandra salamandra salamandra handelt, auch wenn die Streifen im hinteren Bereich eher in Flecken übergehen. Bei echten gefleckten Feuersalamandern sind die Flecken und Punkte aber viel unregelmäßiger und meistens auch assymetrischer verteilt.

In diesem Gebiet kommen beide Unterarten nebeneinander vor, wobei ich zumindest anhand der bisher gesehenen überfahrenen Exemplare das Gefühl habe, dass S.s. terrestris häufiger ist. Es ist auch praktisch sicher, dass es vielfach zu Hybridisierungen zwischen den beiden Unterarten kommt. Hier noch mal ein Größenvergleich:

Ich muss an dieser Stelle mal wieder an die Vorzüge der digitalen Photographie verweisen. Digitalkameras sind wirklich eine wunderbare Sache, und wenn man eine hat, sollte man sie auch wirklich nutzen. So lange man sie nicht ausdruckt, kosten digitale Photos praktisch nichts mehr, und daher kann man auch eine entsprechend große Anzahl von Bildern machen. Das sollte man auch, gerade wenn man etwas seltenes oder ungewöhnliches sieht, besonders dann, wenn man es eventuell nicht selbst identifizieren kann. In einem solchen Fall sollte man Photos von möglichst vielen Ansichten machen, und falls möglich, auch einen Größenvergleich, denn erfahrungsgemäß sind bloße Schätzungen oft ungenau. Dagegen kann man mit einem geeigneten Größenvergleich auf dem Photo später ziemlich genau die tatsächlichen Dimensionen ermitteln. Man sollte auch keinesfalls den Fehler begehen, mit der Kamera zu nahe an etwas heranzugehen wenn man nur ein einzelnes Bild macht. Solche Photos werden oft nichts. Daher sollte man erst mal ein paar Photos mit einem etwas größerem Abstand machen, danach kann man immer noch Nahaufnahmen machen, besonders dann, wenn es sich etwa um Tiere handelt die im Zweifel schnell fliehen können. Man hat schließlich nichts davon, wenn man im Endeffekt nichts als verschwommene und unscharfe Nahaufnahmen hat. Es lohnt sich oft auch etwas zu experimentieren, etwa durch Ab-oder Anschalten des Blitz an der Kamera, oder verschiedene Blickwinkel. Ich bin meilenweit davon entfernt auch nur annährend professionell zu photographieren, aber gerade wenn man relativ häufig sehr kleine Dinge photographiert, oder Sachen die sich hinter Glas oder in eher dunklen Räumen befinden, lernt man doch den einen oder anderen Trick. Es kann sich auch manchmal lohnen, für einzelne Photos die Auflösung besonders hoch zu stellen, man ist manchmal wirklich überrascht, was für kleine Details man dann manchmal später auf dem Bildschirm des PCs erkennen kann. Aus irgendeinem für mich nicht nachvollziehbaren Grund sind in der Presse Tierphotos in extremen Perspektiven oft ziemlich beliebt, also etwa schräg am Kopf ansetzende Bilder, die den größten Teil des Körpers nur stark verzerrt oder auch gar nicht erkennen lassen, von einer sinnvollen Einschätzung der Größe und den Proportionen mal ganz zu schweigen. Das mag ja vielleicht mal ganz lustig sein, und ich mache manchmal auch solche Photos, vor allem wenn etwas zu groß ist um anders komplett aufs Bild zu gehen, aber für eine objektive Darstellung sollte man sowas nach Möglichkeit vermeiden.

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Mein neuer Zweitblog „Ais: Survivors of the Sixth Extinction“

Vor einiger Zeit habe ich zusammen mit meinem Blog-Kollegen und langjährigen Bekannten Cameron McCormick (der den äußerst empfehlenswerten Blog „The Lord Geekington“ betreibt) ein neues Projekt gestartet, „Ais: Survivors of the Sixth Extinction“. Es handelt sich dabei um ein Szenario über Spekulative Evolution, das sich mit der möglichen Entwicklung der Tierwelt in einer nicht allzu fernen Zukunft beschäftigt. Dabei haben wir eine ganze Reihe Faktoren einfließen lassen, insbesondere natürlich den Faktor Mensch. Das durch die Menschheit verursachte Artensterben, insbesondere unter Großtieren, gehört zu den verheerendsten Aussterbeereignissen der Erdgeschichte. Ganze Kontinente wie etwa Südamerika verloren beinahe alle einstmals heimischen Großsäuger, große Inseln wie Madagaskar oder Neuseeland sogar praktisch ihre komplette Megafauna. Hinzu kommen weitreichende Veränderungen der Landschaft, wie Rodung von Wäldern, Trockenlegung von Feuchtgebieten, Kanalisierungen von Gewässern, und natürlich selbst in der heutigen Zeit noch gedankenlose Jagd. Dies hat schon unzähligen Arten das Leben gekostet, und es ist leider sehr wahrscheinlich, dass eine ganze Reihe von weiteren Tierarten in den nächsten Jahrhunderten und Jahrzehnten aussterben werden. In der Welt von „Ais: Survivors of the Sixth Extinction“ werden also viele einstmals weit verbreitete Arten und Gattungen ausgestorben sein, darunter die meisten Großtiere, so dass die verbleibende ins Chaos gestürzte Natur sich wieder zum großen Teil völlig von vorne entwickeln muss.

Ein solches Szenario ist an sich eigentlich schon fast obligatorisch für spekulative Zukunftsevolution, wie man es ja auch etwa bei Dougal Dixons „Geschöpfe der Zukunft“ oder der Fernsehreihe „Die Zukunft ist wild“ sieht. Im Gegensatz zu diesen und anderen Projekten haben wir aber noch einem Faktor besondere Aufmerksamkeit gewidmet, der für die Entwicklung des Lebens auf der Erde eine vergleichbar wichtige Rolle spielen wird wie Klimaveränderungen, Kontinentaldrift oder die über jahrtausende anhaltende direkte Ausrottung von Tieren durch den Menschen, nämlich der Verschleppung von Arten. Oftmals haben noch nicht einmal die Menschen selbst das größte Unheil angerichtet, zumindest wenn man sich von den augenscheinlich wichtigeren Großtieren abwendet. Besonders auf Inseln haben bewußt und unbewußt eingeführte Arten teilweise katastrophale Auswirkungen auf ganze Ökosysteme gehabt. Teilweise haben sogar einzelne Spezies wie etwa Ratten, Katzen oder Stechmücken innerhalb kürzester Zeit zahlreiche endemische Arten ausgerottet. Andere, wie etwa die Agakröte in Australien, Nilbarsche im afrikanischen Victoria-See oder die in Neuseeland eingeführten „Possums“ (nicht zu verwechseln mit echten amerikanischen Oppossums) haben ebenfalls verheerende Auswirkungen auf zahllose andere Arten. Beinahe überall auf der Welt gibt es invasive Arten, seien es nun blinde Passagiere wie Wanderratten von Schiffen, verwilderte Haustiere wie Schweine, bewußt eingeführtes Jagdwild, ausgebrochene Nutztiere wie Waschbären, oder teilweise sogar nur von Einzelpersonen ausgesetzte ehemaligen Aquarien-und Terrarientiere. Bei weitem nicht alle von ihnen können sich auf Dauer durchsetzen, aber andere wird man mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit niemals wieder los. Nicht selten vermehren sich solche Tiere invasiv, und beeinträchtigen oder vernichten einheimische Arten. Der Mensch hat zu einer Verschleppung von Tierarten geführt, wie sie noch niemals zuvor in der Erdgeschichte stattgefunden hat. Selbst einstmals von terrestrischen Säugern völlig freie Gegenden wie Neuseeland sind inzwischen voll von europäischen Rothirschen, aus dem Aquarienhandel stammende südamerikanische Harnischwelse verbreiten sich invasiv in Asien, Florida und sogar der Türkei, Wollhandkrabben aus China bewohnen deutsche Flüsse. Zweiffelos werden diese Tiere einen entscheidenden Einfluss auf die Entwicklung der Zukunft haben, und die Überlebenden der „sechsten Extinktion“ werden daher nicht nur solche Arten sein, die sich mit dem Menschen in ihren ursprünglichen Verbreitungsgebieten arrangiert haben, sondern auch insbesondere Neozoa.

Für unser Projekt haben Cameron und ich uns überlegt, einen möglichst überschaubaren geographischen Bereich als Ausgangspunkt zu benutzen, denn die ganze Welt ist definitiv zu viel, wenn man sich mehr als nur ein paar Arten je Region widmen möchte. Wir wollten möglichst viele invasive Arten miteinbeziehen, und nach Möglichkeit eine Insel oder ein Archipel als Schauplatz benutzen, nicht nur weil Inseln immer besonders interessante Orte für ungewöhnliche evolutionäre Entwicklungen sind, sondern auch weil die vorhandene Artenzahl weitaus überschaubarer bleibt, als wenn man sich gleich einem ganzen Kontinent widmet. Als Basis wählten wir uns daher Florida, einem der größten Hotspots invasiver Arten aus fast allen Teilen der Welt. Wir gingen von einer globalen Klimaerwärmung aus, die zu einer deutlichen Erhöhung des Meerespiegels führte, so dass Florida nicht mer mit dem amerikanischen Kontinent verbunden ist, sondern ein Archipel mit mehreren größeren und kleineren Inseln bildet. Hieraus leitet sich auch der Name des Projektes ab, denn „Ais“ wurde das Gebiet welches in unserem Projekt nunmehr die Hauptinsel des Archipels bildet, von den einstmals dort heimischen Indianern genannt. Auch die anderen größeren Inseln wurden nach iher ursprünglichen lokalen indianischen Bezeichnung benannt.

Auch bei der Benennung einiger Tierarten haben wir uns bemüht statt irgendwelcher Phantasienamen indianische Namen zu benutzen. Die große Hauptinsel Ais hat etwa die Größe von Flores, daneben gibt es noch die beiden nächstgrößeren Inseln Calusa und Jaega, sowie die Tequeta-Inseln und das Timucuan-Archipel, außerdem noch eine größere Anzahl kleiner unbenannter Inseln. Das Ais-Archipel ist nach wie vor von vielen Wasserwegen und Sümpfen durchzogen, es gibt Seen, Flüsse, Deltas, Mangroven, Salzmarschen und natürlich auch zahllose Bäche, Teiche und Tümpel, die teilweise auch jahreszeitlich bedingt nur temporär existieren. An vielen Stellen sind weitreichende Brackwassergebiete entstanden, teilweise gibt es auch bewaldete Sumpfgebiete und Auen, welche meist teilweise überflutet sind. Außer diesen stark vom Wasser geprägten Landschaftstypen existieren aber auch Wälder und weitreichende Grasländer.

Das Klima des Archipels ist subtropisch bis tropisch, gleichzeitig sorgen günstige nährstoffreiche Strömungen für eine enorme Produktivität unter Wasser, ähnlich wie bei den Galapagos-Inseln. Durch das nach wie vor größtenteils relativ flache Wasser ist die Temperatur des Meeres um das Archipel relativ konstant warm. Der Nährstoffreichtum in Kombination mit dem warmen Wasser und den ausgedehnten Küsten-und Mangrovengebieten führte dazu dass auch viele Landtiere und Vögel sich an verschiedene marine Nahrungsquellen anpassten. Auch viele ehemalige Süß-und Brackwasserbewohner haben sich an salzigeres Wasser angepasst.

Aufgrund der relativ geringen Größe der einzelnen Inseln des Archipels gibt es nur wenige größere Säugetiere, dafür eine sehr reichhaltige Fauna teilweise sehr großer Reptilien, welche eine wichtige Rolle in den Ökosystemen der Inseln spielen. Auch die Fischfauna ist außerordentlich reichhaltig und beinhaltet zahlreiche äußerst imposante und bizarre Arten.

Wir haben insgesamt schon mehrere Dutzend Arten des Ais-Archipels beschrieben, und noch viele weiter sind bereits in der Planung. Es war geplant möglichst monatlich eine fertig ausgearbeitete Art auf dem Blog zu veröffentlichen. Da sich das ganze Projekt in Bezug auf den Aufwand schon ziemlich ausgedehnt hat, hatten Cameron und ich eigentlich vor das ganze, dann mit allen Arten, irgendwann als Buch zu veröffentlichen. Momentan bin ich mir noch nicht sicher, ob ich vielleicht eine deutsche Version des Blogs schreiben werde, oder ob es nur eine auf englisch geben wird.

Wer jetzt vielleicht ein bisschen neugierig auf die Kreatures von Ais ist, kann sich schon mal die ersten Beschreibungen auf dem Blog ansehen:

http://www.speculative-evolution.blogspot.com/

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Die Herpetologie-Saison hat begonnen!

Nachdem dieser verdammte Winter mal wieder scheinbar überhaupt nicht mehr aufhören wollte, ist es jetzt wider Erwarten tatsächlich doch noch Frühling geworden. Das zeigt sich außer der Tatsache dass man jetzt auch wieder ohne Winterjacke vor die Türe gehen kann, auch darin dass eine ganze Reihe von Tieren wieder aus ihren Winterquartieren heraus gekommen sind, seien es winterschlafende Säuger, Insekten, Amphibien oder Reptilien. Vor ein paar Tagen machte  ich die erste herpetologisch Entdeckung dieses Jahres, als ich im Wald den ersten Grasfrosch sah. Am Montag entdeckte ich dann die ersten Molche im heimischen Gartenteich, von denen ich glücklicherweise auch ein paar Photos machen konnte. Die Population im Gartenteich ist nicht besonders groß, und besteht hauptsächlich aus Bergmolchen, allerdings tauchen eigentlich jedes Jahr auch wieder zwei Teichmolche auf. Hier sieht man einen weiblichen Bergmolch:

Auf diesem zweiten Photo kann man neben einem anderen Weibchen auch noch einen männlichen Bergmolch sehen:

Etwas später sah ich dann bei einem Spaziergang eine Reihe großer Laichklumpen in einem kleinen Teich, und ein paar Meter weiter an einem größerem Teich auch noch eine ganze Reihe von sich paarenden Erdkröten:

In jenem Teich konnte ich sogar für ein paar Augenblicke eine Schildkröte beobachten, welche zum Luftholen an die Wasseroberfläche kam. Leider war sie zuweit entfernt, und obendrein auch recht stark mit Algen bewachsen, so dass ich kaum sagen kann, um was für eine Art es sich handelt. Es ist allerdings sehr stark davon auszugehen, dass es sich um ein ehemaliges Haustier handelt. Leider setzen ja immer noch eine ganze Reihe von Leuten ihre Schildkröten einfach an irgendwelchen Teichen, Seen oder Weihern aus, wenn sie ihnen zu groß werden, oder schlichtweg kein Interesse mehr an ihnen besteht. Solche Schildkröten können aber erheblichen Schaden anrichten, vor allem an der heimischen Amphibienpopulation. Größere Exemplare vergreifen sich aber teilweise sogar in starken Maße an jungen Wasservögeln, und zwar nicht nur an den beinahe allgegenwärtigen Stockenten, sondern auch an vielen seltenen Arten.

Die Schildkröte sollte heute aber nicht das einzige Reptil bleiben, denn wenig später sah ich im Wald noch eine recht ansehnlich große Blindschleiche. Sie war noch relativ starr, vielleicht weil es im Wald eben doch noch nicht so warm ist, daher konnte ich mich auch bis auf allernächste Nähe nähern, um ein paar Photos zu machen (wer sich noch an den Artikel über die Maximalgrößen von Krokodilen erinnert, wird vielleicht bemerken dass ich inzwischen ein neues Handy habe):

Hier noch mal eine Nahaufnahme:

Es ist schon immer wieder erstaunlich wie viel man selbst in unserer an sich nicht gerade spektakulären mitteleuropäischen Natur so alles entdecken kann, wenn man nur mit offenen Augen herumläuft. Ich bin mal gespannt wann die ersen Eidechsen und vielleicht sogar Ringelnattern zu sehen sind.

Gestern war ich dann noch mal einen anderen Weg spazieren, unter anderem um zu schauen, ob es schon wieder die ersten Feuersalamanderlarven gibt. Es waren tatsächlich wieder ein paar in einem kleinen Quellbecken. Leider werden immer wieder viele von ihnen herausgeschwemmt weil Leute aus dem winzigen Becken Wasser schöpfen oder Eimer und Gießkannen reinstellen. Manchmal landen sie dann auf dem Gitter des darunter liegenden Abflusses, wo sie in der Regel aber auch elendig zugrunde gehen, wenn nicht zufällig jemand (keine Ahnung ob das außer mir noch irgend jemand anders macht…) den Gullydeckel abnimmt, und sie wieder ins Becken tut. Unter dem Abflussgitter habe ich schon mal neben einem erwachsenen Feuersalamanderweibchen und einer Erdkröte mehrere Grasfrösche gefunden, darum schaute ich auch dieses mal wieder unter das Gitter. Irgendwie schaffen es diese Amphibien trotz ihrer Größe immer wieder sich durch den wirklich engen Spalt unter dem Gitter zu quetschen, dann landen sie im Auffangkorb darunter und kommen nicht mehr raus. Frösche können das wenn wie dieses Mal der Korb relativ hoch mit Wasser gefüllt ist, noch aushalten, aber gerade Salamander ertrinken da früher oder später.

Auch dieses Mal saßen wieder Grasfrösche drin, insgesamt vier Stück:

Der Frosch rechts im Bild schaffte es von alleine rauszuspringen nachdem das Gitter weg war, die anderen mußte ich mitsamt dem Korb rausholen. Das erwies sich als gar nicht so einfach, da dieser durch mineralische Ablagerungen regelrecht mit dem Rand verbacken war, und erst mit Hilfe eines Steines freigehauen werden mußte. Von einem dachte ich bereits dass er tot sei, da er mit dem Bauch nach oben und mit allen Beinen von sich gestreckt, im Wasser lag. Hier mal eine Nahaufnahme von einem der Frösche:

Als ich dann die Frösche in einiger Entfernung vorsichtig aus dem Eimer kippte, stellte sich heraus, dass der vermeintlich tote Frosch tatsächlich noch lebte. Er war allerdings in einer denkbar ungünstigen Lage. Es handelte sich um ein hochträchtiges Weibchen, dessen Leib vom Laich regelrecht aufgequollen war. Ein extrem penetrantes Männchen hatte sich an ihm festgeklammert, allerdings nicht auf dem Rücken wie es eigentlich sein sollte, sondern auf dem Bauch. Daher ist das Weibchen schon wer weiß wie lange auf dem Rücken liegend unter Wasser gedrückt worden, und war völlig entkräftet. An einigen Stellen des Rückens war ihre oberste Hautschicht schon völlig weggescheuert, so dass man teilweise durch die durchsichten Schichten darunter den Laich durchschimmern sehen konnte. Alle Versuche das Männchen von dem Weibchen loszukriegen, scheiterten leider, und es ist leider davon auszugehen, dass es inzwischen daran zugrunde gegangen ist.

Männliche Frösche und teilweise auch Kröten können zuweilen extrem penetrant sein, und klammern sich gelegentlich nicht nur an bereits tote Weibchen, sondern teilweise sogar an andere Amphibien, manchmal sogar an Fische, was dann durch den dadurch verursachten Stress und auch durch den großen Druck (Frösche haben wirklich verdammt starke Gliedmaßen), etwa bei Fischen auf die Kiemendeckel, zum Tod führen kann.

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Wie man eine Lebendrekonstruktion von Megaladapis macht: Über die Hintergründe des Covers von „Die Insel des Grauens“

Ich dachte vielleicht würde es den einen oder anderen interessieren, was sich eigentlich genau hinter dem Cover von „Die Insel des Grauens“ verbirgt. Wie in den Kommentaren zum letzten Post bereits verraten, handelt es sich um eine Rekonstruktion des Riesenlemuren Megaladapis, welche ich extra für das Titelbild angefertigt habe. Vielleicht zunächst einmal ein bisschen über Megaladapis selbst, was genau war das für ein Tier? Wenn man es genau nimmt, handelte es sich gar nicht um eine einzelne Art, sondern um eine ganze Gattung mit bisher drei bekannten Arten, nämlich Megaladapis edwardsiMegaladapis grandidieri und  Megaladapis madagascariensis. Sie unterschieden sich vor allem in der Größe, wobei der auch auf dem Titelbild abgebildete Megalapis edwardsi die größte Art war, und etwa so groß wie ein sehr großer Schimpanse war. Die Megaladapidae waren nicht nur aufgrund ihrer im Vergleich zu den lebenden Lemurenarten enormen Größen bemerkenswert, sondern auch aufgrund einer Reihe anatomischer Besonderheiten, vor allem im Bereich des Schädels. Dieser war, zunächst einmal, wahrlich riesig. Die größten Megaladapis-Schädel die man kennt, sind größer als jene von Gorillas, und entsprechen in ihrer Größe und den Proportionen eher einem mittelgroßen Eselschädel, wobei dazu gesagt werden muss, dass bei Megaladapis der Kopf im Verhältnis zum übrigen Körper ausgesprochen groß war. In seiner Form, aber teilweise auch in bestimmten Merkmalen der Bezahnung, ähnelte der Schädel tatsächlich eher einem wiederkäuendem Huftier wie etwa einem Rind oder einer Ziege. Ich möchte jetzt gar nicht sehr viel weiter in die anatomischen und biologischen Hintergründe eingehen, sondern vor allem einmal zeigen, wie ich das Modell gemacht habe.

Es gibt nicht allzu viele Rekonstruktionen von Megaladapis, und ich muss gestehen, dass mir die meisten nicht sonderlich gut gefallen, vor allem die bei diesen Tieren wirklich ungewöhnliche Nasenregion, wird vielfach einfach „unterschlagen“. Darum wollte ich nicht einfach den Kopf als solchen modellieren, sondern erst einmal den Schädel, um von diesem ausgehend, den eigentlichen Kopf zu rekonstruieren. Dafür habe ich eine Minuaturversion des Schädels samt Unterkiefers hergestellt. Natürlich habe ich mich hierbei nicht in allen Einzelheiten an das Original gehalten, das wäre nur mit einem extremen Zeitaufwand möglich gewesen, abgesehen davon, war ja ohnehin klar, dass er übermodelliert werden würde. Wichtig war vor allem, dass die Proportionen und die Form des Schädels stimmten, vor allem an jenen Bereichen, an denen viel Weichgewebe aufmodelliert werden musste. Ich habe mich dabei möglichst genau an verschiedenen Originalschädeln orientiert, damit die Form möglichst naturgetreu wird. Zur Stabilisierung des Schädels habe ich ein feines Metallgeflecht genommen, das sich für solche Sachen prima eignet, da man es sehr leicht verformen kann, und des trotzdem sehr stabil bleibt, denn Fimo allein hätte da nicht genug Halt.

Der Schädel stimmt nicht 100%, beispielsweise sieht das Kiefergelenk und der Jochbeinbereich in Wirklichkeit anders aus, außerdem habe ich peinlcherweise im Eifer des Gefechtes nur zwei statt drei Prämolaren pro Kieferquadrant modelliert, weil ich mich unglücklicherweise bei der Bezahnung an einem Schädel orientiert habe, bei dem man das schlecht gesehen hat…Mit viel Aufwand habe ich die Prämolaren dann wieder teilweise abradiert, und aus zwei Prämolaren jeweils drei gemacht. Als nächstes habe ich dann verschiedene Möglichkeiten durchprobiert, wie weit das Maul beim fertigen Modell geöffnet sein sollte, und habe die gewünschte Endposition dann mit Fimo fixiert, und gehärtet, außerdem war zu diesem Zeitpunkt auch schon der Gaumen und die Zunge ausgearbeitet. Zudem habe ich aus etwas Metallgitter eine Unterkonstruktion für den Hals gemacht, vor allem um das Modell besser halten zu können. Danach habe ich mal provisorisch etwas Masse auf dem Schädel aufgebaut:

Besonders wichtig waren dabei die beiden großen Kaumuskeln, der an Schläfe und Scheitel ansetzende Musculus temporalis und der an der Außenseite des Unterkiefers ansitzende Musculus masseter. Diese Muskeln waren bei Megaladapis sehr gut ausgeprägt, und hatten einen entscheidenden Anteil an der Form des Kopfes. Bei uns sind diese Muskeln, vor allem der M. temporalis, relativ klein, und tragen nur einen vergleichweise kleinen Teil zur äußeren Form von Kopf und Gesicht bei. Man sieht auch, dass ich das Jochbein, welches beim Modellschädel noch zu klein war, noch etwas weiter ausgearbeitet habe. Den Hals habe ich mal ganz bewußt nur relativ grob vormodelliert, da dieser bei Lemuren ohnehin üblicherweise von voluminösem Fell bedeckt ist, das beinahe jegliche anatomischen Einzelheiten der darunter liegenden Muskulatur verdeckt. Wie man sieht sind auch die vorgehärteten Augen bereits eingesetzt, und die darum liegenden Muskulatur (wie der Musculus orbicularis oculi) angedeutet.

Danach habe ich den teilweise mit Muskulatur aufgebauten, und teilweise noch nackten Schädel weiter mit einer dünnen Schicht aufgebaut, wobei mir die mit zahlreichen schrittweisen Rekonstruktionen ausgestatteten Illustrationen von Mauricio Anton in verschiedenen Büchern von Alan Turner sehr hilfreich waren (einige habe ich bereits auch auf dem Blog rezensiert). Die Gesichtsmuskulatur ist zum Glück be Lemuren nicht übermäßig ausgebildet, weshalb es hier nur sehr bedingt nötig war, den genauen Verlauf nachzubilden. Wichtig waren hierbei primär die Lippen, welche auch teilweise die Zähne verdecken. Selbst die ziemlich eindrucksvollen oberen Schneidezähne wirken nun deutlich kürzer. Besonders schwierig war die Nasenregion, denn diese war bei Megaladapis anders als bei jedem anderen Lemuren, was eine Rekonstruktion mangels Vergleichsmöglichkeiten deutlich erschwert. Das Nasenbein ist extrem nach vorne verlagert, so dass auch der knorpelige Anteil der Nase teilweise nach unten gekippt gewesen sein muss. Möglicherweise hat Megaladapis mit seiner Nase auch Blätter ins Maul gezogen, ähnlich wie Spitzmaulnashörner. Ich habe mich primär mal entschieden, eine moderat konservative Rekonstruktion zu machen, und habe die Nase nicht als großen, mit der Oberlippe verschmolzenen Zipfel modelliert, sondern nur leicht überhängend. Der ganze Schädel war nun jeweils der Lage entsprechend mit einer Schicht Fimo überzogen, und rein provisorisch zum besseren Abschätzen ein Ohr angefügt. Damit hätte man nun ungefähr das Bild, eines völlig haarlosen Megaladapis.

Da aber gerade Lemuren oftmals ein relativ langes und voluminöses Fell besitzen, musste teilweise noch erheblich zusätzliche Masse aufgebaut werden. Die typische „flauschige“ Struktur von Lemurenfell läßt sich fast nicht als Modell umsetzen. Ich habe mich darum um einen Kompromiss bemüht, und an den Stellen an denen das Fell lang und voluminös sein sollte, also vor allem am Hals, eine neue Technik versucht, um die besondere Fellstruktur wiederzugeben. Außerdem wollte ich noch eine leichte Hals-oder Backenkrause anmodellieren, wie man sie auch bei vielen der lebenden Lemuren findet, welche wieder eine andere Haarstruktur hat, während die Haut am restlichen Teil des Kopfes nur von einem sehr dünnen und feinen Fell bedeckt sein sollte.

Die Kotletten waren zu diesem Zeitpunkt wie die Ohren nur provisorisch angefügt. Ich mache so etwas häufig, um das Endergebnis besser abschätzen zu können, auch wenn klar ist, dass die Details erst zu einem viel späteren Zeitpunkt ausgearbeitet werden können. Ich war mit den Kotletten in dieser Form auch nicht so ganz zufrieden, darum habe ich sie einfach umgedreht, mit dem voluminöseren Anteil nach oben:

Der bisher noch ziemlich formlose Hals wurde jetzt auch weiter ausgearbeitet, und eine Schulterpartie leicht angedeutet. Zudem habe ich am Hals dicke Falten anmodelliert, welche als Grundform für das voluminöse Fell dienen sollten. Das Modell war selbst zu diesem Zeitpunkt schon extrem viel Arbeit, doch das Fell ist wirklich eine Katastrophe gewesen. Obwohl das Modell ja nun wirklich nicht besonders groß ist, der Zeitaufwand allein für die paar Quadradzentimeter das Fell zu modellieren war enorm. Ich habe die Zeit die ich für dieses Modell gebraucht habe nicht gezählt, aber es war zweifellos das bisher aufwändigste das ich gemacht habe. Um das Fell herauszuarbeiten, bin ich wirklich tagelang an praktisch nichts anderem gewesen, als winzige Härchen zu modellieren. Wenn man einmal ansieht wie viel, bzw wie wenig Platz eine Fläche von 10 x 10 Härchen einnimmt, kann man sich ja ungefähr denken dass es schon einige tausend geworden sind. Allerdings finde ich auch dass sich der Aufwand gelohnt hat. Hier sieht man einen weiteren Zwischenschritt, die linke Seite ist schon größtenteils fertigmodelliert, das Ohr ist aber nach wie vor nur provisorisch, außerdem sind die Augenlieder und die Nasenpartie noch weiter ausgearbeitet.

 

Wenn man tagelang nichts weiter gemacht hat, als Fell zu modellieren (und das ist wirklich ziemlich schnell langweilig), kann es einen schon fast wahnsinnig machen, wenn man dann sieht dass man auf der anderen Seite grade noch mal das gleiche machen darf…

Einzelne Details wie etwa der Übergang der Nasenpartie zum Gaumen waren auch mangels Vergleiche nur schwer zu modellieren. Megaladapis hatte wie viele Huftiere keine oberen Schneidezähne, sondern einen harten hornigen Gaumen. Diese spezielle Partie zu modellieren, war daher auch etwas spekulativ. Glücklicherweise hat mich mein guter Bekannter Carl Buell, der schon seit mehreren Jahrzehnten hauptberuflich augestorbene Tiere illustriert (ich bin sicher beinahe jeder der das hier liest hat schon Bilder von ihm gesehen), und ein enormes Wissen über Tieranatomie besitzt, bei einzelnen Punkten beraten können.

Ich habe dann den Kopf zu ca. 95% fertig gestellt und gehärtet, nur die Ohren haben noch gefehlt. Diese habe ich dann extra modelliert, was ebenfalls ein nicht ganz unerheblicher Aufwand gewesen ist. Herausgekommen ist dann das:

Ich war selbst etwas überrascht wie es dann im Endeffekt herausgekommen ist, denn es ist einfach etwas anderes ein Tier dreidimensional vom Schädel aus zu rekonstruieren, anstatt nur auf Papier. Hätte ich einfach nur den Kopf frei anhand zeichnerischer Rekonstruktionen modelliert, wäre er wahrscheinlich auch nicht so herausgekommen. Auf dieser Ansicht von oben kann man noch mal sehr gut sehen, inwiefern die Form des Kopfes der markanten Schädelform von Megaladapis entspricht:

Das fertige Modell habe ich dann noch koloriert und photographiert, damit es für das Cover des Buches weiterbearbeitet werden konnte. Es gibt gewisse Hinweise darauf, dass Megaladapis ein relativ wolliges helles Fell mit einigen dunklen Partien hatte, weshalb ich mich bei der Bemalung auch an dieser Vorlage orientiert habe. Durch das Photographieren, und dadurch dass das Cover ja eine nächtliche Szenerie zeigt, wirkt das Modell aber im Endeffekt deutlich dunkler. Da mir von vorneherein klar war, dass ich das Auge auf dem Modell niemals wirklich realistisch bemalen könnte, ist an dieser Stelle einfach digital das Auge eines echten Lemuren (Danke an Sven für das tolle Photo!) eingefügt worden.

Wer nun etwas mehr über Megaladapis erfahren möchte, etwa weitere Hintergründe über sein Aussehen und seine Biologie, oder welche Wesen der madagasischen Mythologie und Folklore höchstwahrscheinlich auf ihn zurückgehen, der kann das in „Die Insel des Grauens“ nachlesen. An dieser Stelle noch mal ein großes Dankeschön an alle die sich das Buch bisher gekauft haben.

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Mein neues Buch: Die Insel des Grauens

Nach langer langer Arbeit habe ich es nun endlich geschafft mein erstes eigenes Buch zu veröffentlichen, „Die Insel des Grauens“. Es handelt sich dabei um zwei Kurzgeschichten mit größtenteils kryptozoologischen Hintergründen. Allerdings habe ich mich dabei sehr bemüht, so weit wie möglich auf echte historische Ereignisse und gesicherte Daten als Vorlage zurückzugreifen, und nicht allzu sehr ins Fantastische abzudriften. Genau genommen kommt in dem ganzen Buch auch kein einziges erfundenes Wesen vor, sondern lediglich lebende Arten (vielleicht abgesehen von einer einzigen, sehr kleinen Spezies die bisher noch nicht entdeckt wurde…), beziehungsweise solche, die es noch bis vor relativ kurzer Zeit gegeben hat. Dabei habe ich versucht möglichst realistische Verhaltensweisen zu beschreiben, auch wenn ich mir aus dramaturgischen Gründen natürlich eine gewisse „künstlerische Freiheit“ vorbehalten habe. Wem meine erste Geschichte „Der Herr der Tiefe“ gefallen hat, könnte auch an den beiden neuen Gefallen finden, wobei diese aber auch ein gutes Stück länger sind. Außerdem beschränkt sich das Buch nicht auf reine Erzählungen, sondern besteht in etwa zur Hälfte aus einem Fachteil, in welchem auf die Hintergründe der Geschichten eingegangen wird, sowohl auf die geschichtlichen, als auch auf die zoologischen und kryptozoologischen. Dabei gehe ich etwa beispielsweise auf die Biologie der behandelten Tiere ein, ihre Entdeckung, wie sie in Mythologie und Folklore Einfluss gehalten haben, und zumindest auch bei einigen, wie sie ausgestorben sind. Außerdem wird vor allem in den Hintergründen der zweiten Geschichte auf eine Reihe von populären Irrtümern eingegangen. Ich möchte mal nicht allzu sehr auf den Inhalt der Geschichten eingehen, um nicht zuviel über die Handlung im Voraus zu verraten. Was ich immerhin sagen kann, ist dass das Tier auf dem Cover auch in einer der beiden Geschichten vorkommt. Es war eine ziemliche Arbeit dieses Modell anzufertigen, und ich habe auch mehrere Wochen dafür gebraucht, um es auf einen im verkleinerten Maßstab modellierten Schädel so realistisch wie möglich zu modellieren. Dabei hat mich auch mein Freund Carl Buell, der im Rekonstruieren ausgestorbener Tiere jahrzehntelange Erfahrung hat, vom Beginn an beraten. Kann jemand erraten um was für ein Tier es sich handelt?

Um aber den Inhalt der Geschichten nicht völlig im Dunkeln zu lassen, verweise ich hier auch noch einmal auf das Backcover:

Wer neugierig geworden ist, kann das Buch bei praktisch allen Internet-Anbieter für Bücher bestellen. „Die Insel des Grauens“ gibt es ab jetzt übrigens auch über amazon.com, so dass man das Buch auch für die Vereinigten Staaten und Großbritannien bestellen kann.

Wem das Buch gefallen sollte, dürfte wahrscheinlich auch daran interessiert sein, dass ein ähnliches Buch mit neuen Geschichten auch in absehbarer Zeit veröffentlicht werden wird.

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Bild des Tages: Erzrabe

Da ich nun schon ziemlich lange nichts mehr geschriebe habe, dachte ich dass nun endlich mal wieder etwas Neues auf den Blog muss. Da ich schon beim letzten Beitrag über Vögel geschrieben habe, passt es vielleicht ganz gut, wenn der aktuelle Blogpost auch einen Vogel zum Inhalt hat. Es geht dabei um den Erzraben (Corvus crassirostris), eine riesige Rabenart, welche im Osten Afrikas vorkommt. Der Erzrabe erreicht eine Länge von 60-64 cm und ein Gewicht von 1,5 kg, womit er neben dem auch stellenweise bei uns heimischen Kolkraben (Corvus corax) zu den größten Rabenvögeln, und damit auch zu den größten Singvögeln der Welt zählt. Allerdings ist der Erzrabe noch weitaus auffälliger und beeindruckender als der Kolkrabe. Nicht nur der weiße Nackenbereich und die weiße Schnabelspitze einen starken Kontrast zum ansonsten pechschzwarze Gefieder darstellen, sondern vor allem auch der gewaltige Schnabel mit dem mächtigen konvex gebogenen Hornaufsatz machen diesen Vogel so auffällig, und fast unverwechselbar. Eine gewisse Ähnlichkeit besteht jedoch mit dem sehr ähnlich gezeichneten und ebenfalls mit einem recht hochrückigen Schnabel ausgestattetem Geierraben (Corvus albicollis). Dieser ist mit einer Länge von 50-54 cm allerings etwas kleiner als der Erzrabe, und bewohnt auch ein viel größeres Gebiet, nämlich die komplette Südspitze Afrikas und weite Teile Ostafrikas bis in den Süden des Sudans und Äthiopiens. Dagegen ist der Erzrabe nur in einem weitaus kleineren Gebiet heimisch, welches sich über Teile Eritreas, Somalias und Äthiopoen erstreckt, und dort in Gebirgen bis in Höhen von 4000 Metern vorkommt. Ohne die genaueren Hintergründe zu kennen, wage ich an dieser Stelle mal zu behaupten, dass der Geierrabe die evolutionär gesehen ältere Art ist, und sich der Erzrabe aus dem Geierraben, bzw einer sehr ähnlichen früheren Form, entwickelt hat. Dafür sprechen nicht nur die sehr große Ähnlichkeit (eigentlich sieht der Erzrabe aus wie eine aufgeblasene Version des Geierraben), sondern auch die nur recht geringe lokale Verbreitung des Erzraben. Dieses Photo eines Erzraben habe ich im Zoologischen Museum von Kopenhagen gemacht:

Erzrabe Kopenhagen

Man sieht gut den extrem ausgeprägten Schnabel:

Erzrabe

Ähnlich dem Kolkraben ernährt sich der Erzrabe ebenfalls recht opportunistisch, wobei allerdings Aas und Insektenlarven, welche er auch vor allem aus dem Dung von Huftieren aufnimmt, eine wichtige Rolle spielen. Sie fressen aber auch menschliche Abfälle und Schlachtabfälle, und allem Anschein nach sogar Getreide.

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Einige hybride Hühnervögel

Hier kommen wieder ein paar Photos aus dem Jagd-und Forstmuseum in Hørsholm . Es handelt sich dabei um einige interessante Hybriden verschiedener Hühnervögel. Es ist sehr interessant, dass eine ganze Reihe von sowohl phänotypisch als auch geographisch eigentlich teils sehr unterschiedlichen Arten Hybriden bilden können. Diese können völlig unterschiedliche Ursprünge habe, beispielsweise können sie in Gefangenschaft mehr oder weniger absichtlich entstanden sein, sie können aber auch teilweise durchaus natürlich Ursprungs sein. Leider weiß ich bei den folgenden Präparaten die Ursprungsgeschichten nicht kann also beispielsweise bei diesem Hybriden eines Auerhahnes mit einer Fasanenhenne nicht sagen, ob es sich hier um ein Kreuzungprodukt aus Volierenhaltung handelt, oder um einen Bastard der in einem Gebiet entstand, in dem sowohl Auerhähne als auch die ursprünglich nicht in Europa heimischen Fasane vorkommen.

Auerhahn-Fasan Hybrid

Ein weiterer Auerhahnhybride (über den ich wegen eines Exemplares aus dem Zoologischen Institut in Tübingen schon mal kurz gebloggt habe), der aber durchaus auch in freier Natur vorkommt, ist der sogenannte Rackelhahn, eine Kreuzung aus Auerhahn und Birkhuhn:

Rackelhahn

Fasane können aber nicht nur mit Auerhähnen Nachkommen zeugen, sondern auch mit Haushühnern, wie die beiden folgenden Hybriden zeigen:

 Fasan-Huhn-Hybride

Hybrid-Fasan

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Bizarre Hirsche Teil 6: Geweihfehlbildungen bei Rehen

Dies ist jetzt vorerst mal der letzte Teil der „Bizarre Hirsche“-Reihe. Ich hätte noch jede Menge weiteres Material über lebenden und ausgestorbenen Hirsche, aber das kommt dann mal in einer zweiten Reihe. Heute soll es mal wieder um Miss-und Fehlbildungen gehen, genauer um die Fehl-und Missmildunge bei Rehgeweihen. Dass ich ausgerechnet Rehe hier anführe hat einen einfachen Grund. Denn da diese die häufigsten Hirsche in Mitteleuropa sind, und auch noch dort vorkommen wo es schon lange keine Rothirsche mehr gibt und auch keine ohnehin nicht heimischen Damhirsche oder andere Arten eingeführt sind, finden sich auch entsprechend viele ungewöhnliche Geweihe. Natürlich kommen auch bei den anderen Hirsche gelegentlich sehr seltsame Geweihe vor, aber davon habe ich leider bei weitem nicht so viel Bildmaterial wie für Rehe. Die hier gezeigten Geweihe stammen allesamt, mal wieder, aus dem Jagd-und Forstmuseum im dänischen Hørsholm. Die Anzahl von dort ausgestellten Abnormitäten ist wirklich enorm, und ich muss mich hier leider auf einige besonders interessante Fälle beschränken, anderfalls würde ich hier stundenlang – nun ja, nicht grade wirklich stundenlang, aber schon wirklich ziemlich lange – nur damit beschäftigt sein, Bilder hochzuladen und in diesen Blogpost einzufügen. Außerdem möchte ich ja auch mal wieder über was anderes bloggen, allen die die letzten Beiträge im Allgemeinen und Hirsche im Besonderen langweilig finden, sei gesagt dass nicht mehr allzu viel zu diesem Thema kommt, zumindest für eine Weile. Oder auch nicht, ist ja schließlich mein Blog, und ich kann schreiben worüber ich will.

Hier sieht man einmal einen großen Teil der Geweihe:

Abnorme Rehgeweihe Hörsholm

Wenn man sich all jene Abnormitäten ansieht, fragt man sich natürlich, wie es überhaupt zu so etwas kommen kann. Tatsächlich sind die Ursachen dafür äußerst vielfältig. Zum Einen kann eine Verletzung der Geweihknospen, zumal in der Jugend, zu verschiedensten Fehlformen des Geweihs führen, die dann auch zweitlebens beibehalten werden. Andererseits kann auch lediglich das im Wachstum begriffene, und noch weiche Geweih durch Verletzungen (und wahrscheinlich auch Krankheiten) deformiert oder verletzt werden, wobei in einem solchen Fall aber die Fehlbildung auch einmalig sein kann, also bei später geschobenen Geweihen nicht mehr auftritt.

Es gibt natürlich auch genetisch bedingte Abnormitäten, tatsächlich ist es sogar so, dass die allermeisten Hirsche (ich weiß nicht wie es bei Rehen ist, da ihr Geweih weit weniger komplex ist) gewisse Abnormitäten zeigen, freilich in verschiedenem Grade. Wenn man sich einmal die Geweihe großer Mengen von Hirschen, oder eben wie hier auch Rehen ansieht, merkt man schnell dass ein enormes Potential bezüglich der individuellen Variabilität besteht. Es gibt sehr kurze und sehr lange, sehr dicke und sehr dünne, mehr oder weniger stark gebogene Geweihe. Natürlich ist das immer auch teilweise vom Alter abhängig, sowie dem Ernährungszustand, aber nichtsdestotrotz sind die individuellen Grundformen im Allgemeinen genetisch festgelegt.

Abnorme Rehgeweihe Hörsholm (2)

 

Abnorme Rehgeweihe Hörsholm (9)

Abnorme Rehgeweihe Hörsholm (13)

Abnorme Rehgeweihe Hörsholm (18)

 Ein besonderes Kuriosum sind Rehkühe welche leichte Geweihe entwickeln. Unter den Hirschen bilden normalerweise lediglich bei den Rentieren auch die Weibchen ein Geweih aus, bei anderen Arten ist so etwas abnorm. Auch erreichen die Geweihe weiblicher Hirsche nicht die Größe jener der Männchen, wie man auch bei der unten gezeigten Rehkuh mit Geweih sieht.. Die Ursachen liegen dabei vermutlich bei Hormonstörungen.

Abnorme Rehgeweihe Hörsholm (15)

Gelegentlich können Verletzungen auch zum völligen Verlust eines einzelnen Geweihsprosses führen, so dass nur noch ein einzelner Ast ausgebildet wird. Man achte auch auf die ungewöhnlich langen und schlanken Geweihe welche man hier neben dem „Einhorn“ sieht. Besonders das Geweih ganz rechts sieht beinahe schon etwas aus wie die Hörner einer Antilope, da keinerlei Gabelung vorhanden ist.

Abnorme Rehgeweihe Hörsholm (21)

Abnorme Rehgeweihe Hörsholm (6)

Eine der spektakulärsten Fehlbildungen von Hirschgeweihen, sind die sogenannten Perücken. Sie zeigen auf besonders eindrucksvolle Weise wie stark die Geweihbildung von Hormonen bestimmt wird, insbesondere von Testosteron. Wird beispielsweise ein junger Rehbock, bzw irgend ein anderer männlicher Hirsch, im frühen Alter kastriert, bildet er gar kein Geweih aus. Die einzige Ausnahme mache hier die Rentiere, da bei ihnen die Geweihbildung nicht geschlechtsabhängig ist, und ja auch die Weibchen ein Geweih bekommen. Werden bei einem bereits geschlechtsreifen Hirsch die Hoden während der Geweihbildung geschädigt oder entfernt (sowas passiert manchmal bei schlechten Schüssen, wie es auch eine ganz Reihe anderer äußerst unappetitlicher Verletzungen gibt, welche durch schlechte Treffer bei der Jagd passieren können, und den Tieren oftmals grauenhafte aber vielfach nicht gleich tödliche Verletzungn zufügen), kommt es zu einem Perückengeweih, der Bast wuchert einfach immer weiter. Kommt es aber zu einem Verlust der Testosteron-bildenen Zellen wenn der Bast bereits abgestreift ist, so wird das Geweih sofort abgeworfen, und ein neues Geweih fängt an zu wachsen, welches aber nicht mehr besonders groß wird, ständig mit Bast bedeckt ist, und auch nicht mehr abgestoßen wird.  

Abnorme Rehgeweihe Hörsholm (10)

Abnorme Rehgeweihe Hörsholm (8)

Hier sieht man mal einen ganz besonders krassen Fall eines Perückengeweihs, welches sogar die Augen praktisch vollständig überwucherte.

Abnorme Rehgeweihe Hörsholm (22)

Ich bin mit nicht ganz sicher was das ist, aber ich glaube hierbei handelt es sich um ein Perückengeweih, bei welchem der Bast entfernt wurde.

Abnorme Rehgeweihe Hörsholm (3)

Es gibt noch andere Störungen und Merkwürdigkeiten, welche zu gestörtem Wachstum des Geweihs führen können. So kann man durch Einspritzen von weiblichen Geschlechtshormonen bei einem in der Geweihbildung befindlichen Hirsch bereits vorhandenes knorpeliges Kolbengeweih vorzeitig zum Verkalken bringen.

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