Heute gibt es zwei Photos eines wunderschönen Exponates aus der Wirbellosen-Abteilung des Naturhistorischen Museums Wien zu sehen, eine gewaltige Riesenmuschel. Leider kann ich nicht sagen um was für eine Art es sich genau handelt, da ich darauf damals leider nicht geachtet habe, möglicherweise handelt es sich aber um eine Große Riesenmuschel (Tridacna gigas).
Was mir an diesem Exponat besonders gut gefällt, ist die Rekonstruktion der Weichteile. Die leere Schale sieht mit ihrer gewaltigen Größe schon sehr spektakulär aus, doch das wirklich sehr gut modellierte „Innenleben“ zeigt die Muschel erst in ihrer wirklichen Pracht. Muscheln und Schnecken gehören nicht unbedingt zu den populärsten Meeresbewohnern, und nur selten wird ihnen in allgemeiner gehaltenen Büchern oder erst Recht im Fernsehen etwas mehr Aufmerksamkeit geschenkt, dabei gibt es unter ihnen nicht nur eine ganze Reihe sehr bizarrer Arten (vor allem unter den Schnecken), sondern teilweise auch enorm große. Es gab auch einige extrem große fossile Formen, über die man aber leider so gut wie nie etwas lesen kann. Vielleicht finde ich ja mal etwas Zeit über die zu schreiben.
Die lebenden Riesenmuscheln der Gattung Tridacna können teilweise wirklich monströse Ausmaße erreichen. Ich kenne mich mit ihnen nicht gut genug aus um die Größenangaben kritisch hinterfragen zu können. Man findet teilweise Längenangaben bis zu 1,40 m und Gewichte bis 400 kg, aber bei solchen Sachen ziehe ich es normalerweise vor etwas Eigenrecherche zu betreiben. Ich habe daher mal schnell in „The Guiness Book of Animal Facts & Feats“ fon Gerald Wood nachgeschlagen. Dort wird für die größte Riesenmuscheln ein Exemplar aus dem American Museum of Natural History genannt, welches eine Schalengröße von 109 mal 73 cm hat, und ein Gewicht von 263, 4 kg. Desweiteren wird ein Exemplar aus dem Great Barrier Reef östlich der Nordostküste von Queensland erwähnt, das 1917 gesammelt wurde und dessen Lebendgewicht bei etwa 600 Ib, also etwa 270 kg gelegen haben könnte. Ein weiteres extrem großes Exemplar wurde 1817 nordöstlich von Sumatra gesammelt, welches 137 cm lang war und 230,4 kg gewogen hat. Das Australian Museum in Sydney besitzt ebenfalls ein ungewöhnlich großes Exemplar mit einem Gewicht von 227,2 kg. Diese Rekordexemplaren lassen ein Gewicht von bis zu 400 kg zugegebenerweise etwas fragwürdig erscheinen, auch wenn ich das jetzt nicht kategorisch vollkommen ausschließen möchte. Aber es ist schon sinnvoller bei den tatsächlich nachgewiesenen Angaben zu bleiben.
Der größte Teil des Gewichtes wird von den massiven Schalen ausgemacht, und nicht vom eigentlichen Körper, daher ist selbst bei einer mehrere Zentner schweren Riesenmuschel die Fleischausbeute verhältnismäßig gering. Betrachtet man jedoch das Gesamtgewicht, dann steht Tridacna gigas nicht einmal hinter den schwersten Riesenkalmaren der Art Architeuthis dux wirklich zurück. Entgegen weitverbreiteter falscher Angaben lagen die höchsten dokumentierten Gewichte für Riesenkalmare „nur“ bei 275 kg, und das waren schon ziemliche Ausnahmen, denn die allermeisten anderen waren deutlich kleiner. Im Endeffekt sind die paar Kilogramm Unterschied zwischen den größten Riesenkalmaren und den größten Riesenmuscheln auch nicht relevant, weshalb man bei durchaus gleichberechtig in der Liste der größten lebenden Weichtiere an zweiter Stelle führen kann. An erster Stelle kommt natürlich der Kolosskalmar Mesonychoteuthis hamiltoni.
Hie sieht man noch mal eine etwas nährere Ansicht der Riesenmuschel aus Wien:
Was ich auch sehr schön finde, ist das Minuaturdiorama mit Steinen und Korallen um die Riesenmuschel herum.
Riesenmuscheln werden gemeinhin ja oft auch Mördermuscheln genannt, und natürlich stellt sich die Frage inwieweit dieser doch recht blutdürstige Titel tatsächlich berechtigt ist. Zweifellos haben die an ein riesiges Maul erinnernden Schalen ihren Teil dazu beigetragen. Doch es gibt auch tatsächlich einige ernstzunehmende Berichte über von Riesenmuscheln getötete Taucher. Natürlich ist hierbei nicht von einem Fressakt die Rede, denn auch wenn die Schalen eine gewisse Ähnlichkeit mit einem klaffenden Rachen haben, so sind sie doch damit nicht in der Lage größere Lebewesen als Plankton zu fressen. Doch wenn ein Mensch aus irgendwelchen Gründen mit einer Hand oder einem Fuß zwischen die Schalen kommt, und diese zuklappen, besteht durchaus die Gefahr des Ertrinkens. Zweifellos sind Riesenmuscheln in der Lage ihre Schalen mit enormer Kraft zu schließen. Der berühmte Tauchpionier Hans Hass machte einmal vor vielen Jahren ein Experiment, bei welchem er eigentlich vorhatte die angebliche potentielle Gefahr der Riesenmuscheln zu widerlegen. Hierfür wurde das mit Gips augesgossene Bein einer Schaufensterpuppe kurz zwischen die klaffenden Schalen einer Riesenmuschel gesteckt, und wieder herausgezogen. Zumindest sollte es so funktionieren. Die Schalen der Muschel schlossen sich aber augenblicklich, und es war selbst mit größter Kraftanstrengung nicht möglich das Bein wieder frei zu bekommen. Erst als mit Hilfe eines an einen Stock gebundenen Messers der Schließmuskel der Muschel durchtrennt wurde, konnte das Bein wieder befreit werden. Obwohl es massiv mit Gips ausgegossen war, hatten die Schalenränder zentimetertiefe Eindrücke hinterlassen.
Ein französicher Naturforscher namens Vaillant machte 1883 ein Experiment um die Stärke der Riesenmuscheln zu ermitteln. Hierfür befestigte er an einer Schalenhälfte einer ungewöhnlich großen Riesenmuschel von 150 kg Haken, um dann mit kontinuierlich ansteigendem Druck daran zu ziehen. Hierfür verwendete er mit Wasser gefüllte Gefäße, so dass sich das Gewicht gut kalkulierbar und ohne viel Aufwand steigern lies. Erst bei 891 kg gab die Schalen nach und öffneten sich. Dies ist im Prinzip umso erstaunlicher, wenn man bedenkt dass die eigentliche Muskulatur nur einen verschwindend kleinen Teil der Gesamtmasse ausmacht. Selbst bei einem kleineren Exemplar hätte ein Mensch praktisch keine Chance wenn er aus welchen Gründen auch immer mit einem Fuß oder einer Hand zwischen den Schalen gefangen wärre, es sei denn er würde es irgendwie schaffen die Schließmuskeln zu zerschneiden. Wie viele Menschen nun tatsächlich auf solche Weise zu Tode gekommen sind, ist natürlich fraglich, die Anzahl dürfte ausgesprochen klein sein. Die wenigen Fälle haben teilweise auch durchaus stark legendenhafte Züge, weshalb es schwierig ist, ihre Glaubwürdigkeit zu beurteilen, etwa bei der angeblichen Entdeckungsgeschichte der Perle von Lao Tzu. Diese größte Perle der Welt hat einen Durchmesser von 24 cm und ein unglaubliches Gewicht von 6,4 kg. Man darf sich diese Monstrum einer Perle aber nicht als eine in zarten regenbogenfarben schimmernde Kugel vorstellen, sondern eher als einen reinweißen amorphen Klumpen Riesenkaugummie. Riesenmuscheln bilden an ihren Schaleninnenseiten kein Permutt, und lagern daher auch an eingedrungenen Fremdkörpern kein Perlmutt ab, daher erscheinen die in ihnen gebildeten Perlen eher porzellanartig. Hier sieht man ein Photo dieser Perle (aus Wikipedia):
Es gäbe noch jede Menge mehr was man über Riesenmuscheln erzählen könnte, über ihre Symbiose, ihre Bedrohung durch massive Ausbeuting, ihre Zucht in Aquakulturen und noch vieles mehr. Vielleicht kommt aber in nächster Zeit noch etwas mehr über Mollusken.
Hey hallo, sehr interessanter Bericht, lese hier sehr gerne, da mich Größenrekorde von Tieren immer schon extrem interessiert haben. Und da du nicht so aufreisserisch einfach irgendwelche Werte schreibst, sondern sehr seriöse Werte angibst (meistens mit Quelle) lese ich hier sehr sehr gerne…Aber zu der Muschel mit 300lbs das sind keine 270kg sondern „nur“ etwa 138kg, wollt ich nur mal sagen
Gruß
Sorry, war ein Schreibfehler von mir, aber die Angabe in Kg stimmt schon, es waren nämlich nicht 300 sondern 600 Ibs.