Chimären Teil 3: Die Seekatze Chimaera monstrosa

Die Seekatze Chimaera monstrosa ist nicht nur eine der bekannsten Chimären, sondern zweifellos auch jene Art mit dem klangvollsten wissenschaftlichen Namen. Dass auch der Name „Seekatze“ nicht völlig aus der Luft gegriffen ist, kann man auch gut auf diesem Photo sehen (wie alle anderen in diesem Post von Wikipedia Commons):

Chimaera_monstrosa

Seekatzen sind wie ihre Verwandten primär Bodenbewohner und kommen bis in Tiefen von etwa 1000 m vor. Eine Anpassung an diesen Lebensraum sind die riesigen Augen, welche ähnlich wie die Augen von Katzen das Restlicht reflektieren.

Chimaera_monstrosa_NOAA

Seekatzen haben starke Kieferplatten, mit welchen sie die Schalen von Krebstieren, Mollusken und Stachelhäutern aufknacken.

Chimaera_monstrosa_head

Auf diesem Photo sieht man eine Seekatze in ihrem natürlichen Lebensraum:

Chimaera_monstrosa_deep_sea

 

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Chimären Teil 2: Die Australische Pflugnasenchimäre

In Anlehnung an die Seeratte auf dem letzten Bild des Tages gibt es heute eine Australische Pflugnasenchimäre (Callorhinchus milii) aus dem Aquarium von Melbourne, dieses Mal von Wikipedia:

Australische Pflugnasenchimäre (Callorhinchus milii) von Wikipedia

Pflugnasenchimären, welche im Englischen den kuriosen Namen „elephant-sharks“ tragen, gehören ebenso wie die Seeratten zu den Knorpelfischen. Sie werden bis etwa 120 cm lang, bleiben aber normalerweise kleiner. Sie ernähren sich vor allem von verschiedenen im oder auf dem Bodensediment lebenden Wirbellosen, wobei ihnen ihre kurios geformte Schnauzenpartie hilft diese zu finden. Diese ist interessanterweise assymetrisch geformt und zur Seite gebogen, so dass sie tatsächlich einem Pfug in der Form ähnelt.

 

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Chimären Teil 1: Die Gefleckte Seeratte

Heute gibt es wieder einmal ein Kuriosum der Natur, die Gefleckte Seeratte (Hydrolagus colliei). Diese Art gehört zu den Kurznasenchimären, einer Familie von Knorpelfischen die sehr weitläufig mit Haien und Rochen verwandt ist. Chimären leben vor allem am Meeresboden, teilweise auch in großen Tiefen, und ernähren sich vor allem von hartschaligen Wirbellosen wie Krebstieren, Muscheln und Schnecken, teilweise aber auch Fischen.

Aus dem Jagd-und Fischerei-Museum München

Aus dem Deutschen Jagd-und Fischereimuseum München

Ich vermute dass es sich bei der gefleckten Seeratte auf dem Photo nicht um ein Präparat, sondern um einen Abguss handelt. Sie war neben vielen anderen hochinteressanten Exponaten letztes Jahr in einer Sonderausstellung über Haie und Rochen des Deutschen Jagd-und Fischereimuseums in München ausgestellt.

 

 

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Bild des Tages: Pakarana

In Weiterführung der Serie über ungewöhnliche und eher wenig bekannte Säuger gibt es heute ein Photo einer Pakarana (Dinomys branickii), eines großen südamerikanischen Nagetiers. Pakaranas gehören nach den Capybaras zu den größten noch lebenden südamerikanischen Nagetieren und erreichen Gewichte von 10-15 kg. Dieses Exemplar steht in der Zoologischen Schausammlung in Heidelberg.

Pakarana Zoologische SchausammlungHeidelberg

 

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Bild des Tages: Weißbauchschuppentier

Ich versuche gerade den Blog wieder etwas zu beleben und wieder wenigstens mehr Bildes des Tages zu veröffentlichen. Das ist trotz einer riesigen Menge potentiell verwendbarer Photos in meinen Archiven weitaus schwieriger als man denken könnte, denn vieles würde eigentlich einen recht umfangreichen Begleittext erfordern, was aber aus Zeitgründen in der Regel schlichtweg nicht möglich ist. Daher versuche ich zumindest nach Möglichkeit Photos von Tieren zu veröffentlichen, die allgemein eher unbekannt und nach Möglichkeit auch interessant sind. Aus diesem Grund gibt es im Anschluss an das Braunborsten-Gürteltier und den Strandgräber heute ein weiteres kurioses Säugetier, das Weißbauchschuppentier (Manis tricuspis, beziehungsweise Phataginus tricuspis), photographiert in der Zoologischen Schausammlung in Tübingen.

Weißbauch-Schuppentier

 

Es gibt so vieles über Schuppentiere auf dass es sich näher einzugehen lohnen würde, aber das würde bereits viel zu weit gehen, sowohl in Bezug auf ihre Evolution, ihr Verhalten als auch auf ihre wirklich sehr, sehr bizarre Anatomie.

 

 

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Bild des Tages: Strandgräber

Das heutige Bild des Tages ist ein Strandgräber (Bathyergus suillus) aus der Zoologischen Schausammlung in Tübingen.

Bathyergus suillus Zoologische Schausammlung Tübingen

Diese bis etwa 35 cm groß werdenden südafrikanischen Nagetiere leben vor allem unterirdisch, was sich auch stark in ihrem Körperbau wiederspiegelt. Ihr Körper ist kräftig und kompakt, mit großem Kopf und kurzen Beinen, feinem dichten Fell und kurzem Schwanz. Die Augen und Ohrmuscheln sind wie bei vielen anderen under der Erde lebenden Säugern sehr klein, dafür sind die Nagezähne stark vergrößert, da sie zum Graben benutzt werden. Die Lippen können auch bei geöffneten Kiefern geschlossen werden, so dass sie beim Graben keine Erde ins Maul bekommen.

Hier sieht man noch eine sehr schöne Zeichnung eines Strandgräber-Skeletts (von Wikipedia):

Bathyerggus suillus Skelett (von Wikipedia)

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Bild des Tages: Braunborsten-Gürteltier

Die Blogposts über meine Kreta-Reise haben sich bisher als sehr langwierig zu schreiben erwiesen, daher möchte ich zwischendurch wieder ein paar kürzere Artikel, beziehungsweise Bilder des Tages veröffentlichen, bis der nächste Teil fertig ist.

Das heutige Bild des Tages ist das Photo eines Brauborsten-Gürteltieres (Chaetophractus villosus) samt zugehörigem Schädel aus dem Rosenstein-Museum in Stuttgart:

Braunborsten Gürteltier Rosenstein-Museum

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Naturerkundung auf Kreta Teil 2: Am Kournas-See

Panorama

Eines der schönsten Ausflugsziele auf meiner Kretareise war der Kournas-See in derNähe von Georgioupolis. Der See ist das einzige größere natürliche Gewässer der Insel, und malerisch direkt vor hochaufragenden Berghängen gelegen. Er erstreckt sich auf einer Länge von etwa 1,5 km und ist bis circa 45 m tief, an den meisten Stellen aber erheblich flacher. Leider führt kein Weg um den ganzen See, sondern nur vom natürlichen Abfluss im Norden bis zu seinem südwestlichen Bereich. Der Rest ist größtenteils von dichtem Gestrüpp bewachsen, und praktisch unpassierbar.

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Eines der ersten Tiere das ich am See gesehen habe war dieser Kreta-Wasserfrosch (Pelophylax cretensis):

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Leider blieb er auch so ziemlich der einzige Frosch den ich am ganzen See gesehen habe.

Wenn man direkt vom Abfluss des Sees aus nach Osten läuft, findet man mehrere kleine Tümpel, welche mehr oder weniger direkt mit dem See verbrunden sind.

Es lohnt sich sehr diese Tümpel einmal genauer anzuschauen, da sich in ihnen eine Reihe interessanter Tiere finden. So entdeckte ich beispielsweise ein paar kleinere Kaspische Bachschildkröten (Mauremys caspica) zwischen den Ästen versunkener Bäume. Allerdings waren diese sehr scheu, und es war auch sehr schwer von ihnen Photos zu machen.

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Ein Blick über einen der tümpelartigen Seeausläufer in Richtung des Abflusses nach Norden.

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Was speziell in diesen kleinen Tümpeln auffällt, ist die riesige Menge an kleinen Fischen. Es handelt sich dabei um Koboldkärpflingen (Gambusia affinis), eine Art welche eigentlich aus dem südlichen Bereich des nordamerikanischen Kontinents stammt, und nahe mit den bekannten Guppys verwandt ist. Zur Bekämpfung von Moskitolarven wurden diese Fische aber in vielen Teilen der Welt ausgesetzt, und sind daher nun auch in weiten Gebieten des Mittelmeerraumes zu finden, wobei ihre Fähigkeit sowohl in Süßwasser als auch in Brackwasser zu leben sicherlich dazu beigetragen hat, auch eine Vielzahl unterschiedlicher Lebensräume zu besiedeln.

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Die kleinen Fische zu photographieren ist gar nicht so einfach, vor allem wegen der Lichtbrechung und der starken Sonneneinstrahlung.

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Wenn man genau hinschaut, sieht man teilweise außer den Koboldkärpflingen auch kleine durchsichtige Süßwassergarnelen.

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Um welche Garnelenart es sich hierbei handelt, kann ich aber leider nicht sagen.

Leider führt kein Weg zu den hinter dem See gelegenen Bergen.

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Hier einmal eine Sicht vom südlichsten Bereich des Sees den man noch erreichen kann. Man sieht im Hintergrund diverse Tavernen und Bootsverleihe. In diesem Bereich in welchem der See auch seine Quellen hat, ist er auch am tiefsten. Ich hatte leider keine Zeit auch noch eine Fahrt mit einem Tretboot zu machen, sonst hätte ich mir auch das Süd-und Westufer des Sees näher anschauen können.

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Neben einigen Bachschildkröten welche ich im dichten Gestrüpp nahe dem Ufer entdeckte, waren dies die ersten Exemplare von denen ich einigermaßer brauchbare Bilder machen konnte. Allerdings waren selbst diese Schildkröten extrem scheu, und sprangen von dem Ponton ins Wasser, obwohl ich mich noch in einer Entfernung von etwas 50 m befand.

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Während meines gesamten Urlaubes habe ich nach Gottesanbeterinnen Ausschau gehalten, aber leider konnte ich keine einzige entdeckten. Diese an einen Stein geklebt Oothek war der einzige Hinweis auf sie, den ich finden konnte.

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Vögel habe ich am See insgesamt nur recht wenige gesehen, insbesondere Wasservögel konnte ich fast keine entdecken, dafür aber immerhin einen wunderschönen Distelfink beim Trinken:

Distelfink

Neben den Koboldkärpflingen gibt es auch zahlreiche Goldfische im Kournas-See. Diese sind dort zweifellos schon vor längerer Zeit ausgesetzt worden, denn ihrer Anzahl und Größe nach haben sie sich dort inzwischen schon in mehreren Generationen vermehrt. Dabei fiel mir auch auf, dass unter den Goldfischen zahlreiche ungefärbte Exemplare waren. In der Goldfischzucht werden diese ausselektiert (was mich nicht davon abgehalten hat gerade einen wildfarbenen Shubukin für einen meiner Teiche zu kaufen), in der Natur ist aber tendenziell eher das Gegenteil der Fall. Auffallend war auch die Größe der Goldfische. Schon die auf dem Photo zu sehenden waren wohl schon etwa im 20-25 cm-Bereich, und deutlich größer als die meisten Teichgoldfische. Auch waren sie keineswegs verfettet, wie man das sonst oft sieht, sondern entsprachen in ihrer Körperform genau der Wildform, dem Giebel. Ich entdeckte dort auch den zweitgrößten Goldfisch den ich jemals gesehen habe, welcher eine Länge von etwa 35 cm hatte, und in seinen Dimensionen eher einem kleineren Kapfen entsprach. Der allergrößte den ich je gesehen habe schwimmt übrigens in einem der Teiche im Zoo Hellabrunn. Viele machen sich nicht bewusst, dass Goldfische durchaus das Potential haben erhebliche Größen zu erreichen. Dafür brauchen sie aber nicht nur einen entsprechenden Lebensraum, sondern auch Zeit, was ein Grund dafür ist, dass wirklich große Goldfische auch ziemlich teuer sind.

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Mit etwas Glück entdeckt man neben den schwer zu übersehenden Goldfischen auch dunkle Schlangen im oder am See. Hierbei handelt es sich um eine schwarze Form der Würfelnatter (Natrix tessellata). Diese sind für Menschen völlig ungefährlich und ernähren sich größtenteils von Fischen. Die über den Grund schwimmende Würfelnatter ist sehr schlecht zu sehen, daher habe ich sie einmal mit einem roten Kreis eingerahmt.

Würfelnatter

Auf meinem Rückweg zum Nordende des Sees entdeckte ich plötzlich im Gestüpp auf der Gegenseite eine Bewegung, die ich aber absolut nichts zuordnen konnte. Ich sah lediglich dass etwas orangenes ruckartig unter den Ästen zuckte. Ich stellte die Kamera auf maximale Vergrößerung und machte einfach mal auf Gutglück ein Bild. Erst am Abend konnte ich dann am Bildschirm des Laptop sehen, dass es sich um eine Würfelnatter gehandelt hat, welche einen Goldfisch gefangen und ans Ufer gezogen hat. Das hier zu sehende Photo ist nur ein Teilausschnitt des ursprünglichen Photos, entsprechend ist es leider etwas unscharf. Aber immerhin scheinen sich die eingeführten Goldfische, und vermutlich auch die Koboldkärpflinge, zumindest dahingehend positiv auszuwirken, als dass sie Beutetiere für die ansässigen Fischfresser sind.

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Im Kournas-See gibt es auch Süßwasserkrabben der Art Potamon potamios, welche teilweise auch im Uferbereich zu sehen sind. Leider konnte ich aber am See direkt keine einzige sehen, lediglich eine ihrer in den Uferschlamm gebauten Wohnhöhlen mit aufgeschichtem „Turm“.

Süßwasserkrabben-Burg

Erstaunlicherweise machte ich einige der schönsten Photos nicht am See selbst, sondern etwas entfernt auf dem Weg zurück Richtung Georgiopoulis an einer kleinen Brücke über einen schmalen Teil des Wassergrabens welcher vom See aus zum Meer fließt. Dort entdeckte ich insgesamt fünf Kaspische Bachschildkröten, welche im Gegensatz zu ihren Artgenossen am See alles andere als scheu waren, und sich von der Brücke aus sehr gut photographieren ließen.

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Eine der Schildkröten war noch sehr klein, mit einer Panzerlänge von weniger als 10 cm. Man sieht auch dass die am Hinterrand des Panzers gelegenen Zacken noch stärker ausgeprägt waren als bei dem erwachsenen Exemplar auf dem vorigen Photo.

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Bei einer der Schildkröten handelte es sich ganz offensichtlich um ein Männchen, welches ins offensichtlch amouröser Absicht ein Weibchen verfolgte. Unten links im Bild sieht man übrigens auch eine der in diesem Graben recht zahlreichen Meeräschen, welche von der Mündungs aus bis kurz vor den See geschwommen sind.

Bachschildkröten und Meeräsche

Zwischen den Schildkröten konnte ich auch die erste und einzige Süßwasserkrabbe entdeckten, aber leider war sie nur so kurz zu sehen, dass ich kein Photo von ihr machen konnte.

Auf der anderen Seit der Brücke entdeckte ich dann noch ein brütendes Teichhuhn.

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Als es nach einiger Zeit aufstand, konnte man auch sein  Gelege bewundern.

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Wer im Nordwesten Kretas Urlaub macht, dem sei unbedingt ein Ausflug zum Kournas-See empfohlen, denn er ist sicher einer der schönsten Orte auf der Insel.

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Bild des Tages: Zauneidechsen

Endlich mal wieder ein Bild des Tages, dieses Mal drei Zauneidechsen (Lacerta agilis), welche ich vor ein paar Tagen auf einer Trockenmauer in einem Weinberg photographieren konnte:

Zauneidechsen

Die oberste Eidechse ist ein Weibchen, während es sich bei den beiden darunter liegenden um Männchen handelt. Leider auf dem Photo nicht zu sehen ist eine weitere Eidechse, die nur in etwa 30 bis 40 cm Entfernung oben auf der Mauer im Gras lag.

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Ein paar Fakten über Alligatorschildkröten, Geierschildkröten und Schnappschildkröten

Was wäre das für ein Sommer gewesen, wenn es nicht noch irgendein Sommerloch-Monster gegeben hätte? Nach ausgerissenen Kaimanen, vermeintlichen Krokodilen sowie dackelfressenden und wadenbeißenden Welsen soll jetzt auch noch eine bissige Schildkröte in einem deutschen See ihr Unwesen treiben. Wie so oft siegt der Sensationalismus über den Rationalismus, und es werden eine Menge falsche Darstellungen in Umlauf gebracht. Ich schreibe ja normalerweise nicht über aktuelle Meldungen, aber in diesem Fall halte ich es doch für sinnvoll, ein paar Richtigstellungen zum Thema aufzuzeigen. Zunächst, für alle die es nicht mitbekommen haben, noch einmal der eigentliche Fall:

In einem Badesee nahe Irrsee bei Kaufbeuren, ist ein achtjähriger Junge beim Baden in den Fuß gebissen worden, wobei ihm eine Achillessehne durchtrennt wurde.

Der See wurde gesperrt, der Uferbereich wurde von Feuerwehrleuten mit Harken durchsucht, teilweise niedergemäht und in einem Anfall von Hysterie sogar letztendlich das ganze Wasser abgelassen und die Fische in einen 2 km entfernten Teich verfrachtet, um den Schlamm nach dem „Monster“ abzusuchen, sogar mit Hilfe eines Spürhundes. Es wurde sogar davon gesprochen im Notfall den Teichgrund auszubaggern.

Tatsächlich gesehen wurde der Angreifer nicht, es wurde lediglich verlautbart, dass es sich den Bissspuren nach um eine Alligatorschildkröte gehandelt haben soll, mit einer vermuteten Größe von circa 40 cm und etwa 14 kg Gewicht. Oder um eine Schnappschildkröte. Oder um eine Geierschildkröte.

Geierschildkröte (Photo von Wikipedia)

Das Problem ist, dass zahlreiche Journalisten allem Anschein nach einige Dinge nicht ganz verstanden haben, denn es werden Schnapp-, Geier- und Alligatorschildkröten munter durcheinander gewürfelt. An dieser Stelle zunächst einmal eine Klarstellung, um weitere Missverständnisse möglichst zu vermeiden. Zum einen gibt es die Schnappschildkröten der Gattung Chelydra, welche im Englischen „snapping turtle“ genannt wird. Zum anderen gibt es die Alligatorschildkröte Macrochelys temminckii, die im Deutschen synonym wegen ihres hakenförmigen Schnabels Geierschildkröte genannt wird, und im Englischen „alligator snapping turtle“. Die Schnappschildkröten umfassen drei Arten, die Gemeine Schnappschildkröte (Chelydra serpentina)  sowie die Mittelamerikanische Schnappschildkröte (Chelydra rossignonii) und die Südamerikanische Schnappschildkröte (Chelydra acutirostris). Teilweise wird für die Gewöhnliche Schnappschildkröte noch die Unterart Chelydra serpentina osceola aufgeführt, doch wird diese inzwischen nicht mehr als eigene Unterart angesehen. Die Geierschildkröte ist dagegen monotypisch, es gibt nur eine Gattung (Macrochelys) mit einer Art (Macrochelys temminckii). Geier-und Schnappschildkröten gehören zu unterschiedlichen Gattungen, aber immerhin noch zur gleichen Familie, den Chelydridae oder Alligatorschildkröten. Das kann natürlich leicht zu Missverständnissen führen. Ich werde daher für die Art M. temmincki ausschließlich den Begriff „Geierschildkröte“ verwenden, und Alligatorschildkröten (wohlgemerkt im Plural) für die Familie.

Geier-und Schnappschildkröten sehen sich oberflächlich ähnlich, weshalb sie auch häufig miteinander verwechselt werden. Sie unterscheiden sich jedoch in einer ganzen Reihe von Merkmalen, Verhaltensweisen und der Verbreitung. Die Geierschildkröte kommt im Osten von Texas, Teilen von Florida, dem Nord-und Südosten von Kansas, Missouri, dem Südwesten von Iowa, dem Westen von Illinois, dem Süden von Indiana, dem Westen von Kentucky und dem Westen von Tennessee vor. Insgesamt also eher die wärmeren Gebiete der Vereinigten Staaten. Dagegen reicht das Verbreitungsgebiet der Gemeinen Schnappschildkröte viel weiter nordwärts, bis in den Südosten Kanadas. Auch kommen sie insgesamt in einem weitaus größerem Gebiet vor als die Geierschildkröte, wie man auf dieser Karte von der englischen Wikipedia-Seite sehen kann:

Verbreitungsgebiet der Gewöhnlichen Schnappschildkröte (von Wikipedia)

Die Mittelamerikanische Schnappschildkröte kommt in Belize, Guatemala, Honduras und Mexiko vor, die Südamerikanische Schnappschildkröte in Kolumbien, Costa Rica, Ecuador, Honduras, Nicaragua und Panama.

Bei Schnappschildkröten in Europa handelt es sich eigentlich praktisch immer um die Gemeine Schnappschildkröte, wobei besonders jene aus dem nördlichen Verbreitungsgebiet erstaunlich kälteresistent sind, und an geeigneten Stellen ohne Probleme auch kalte mitteleuropäische Winter überstehen. Aber auch ausgesetzte Geierschildkröten haben erwiesenermaßen schon viele Jahre „wild“ in Europa überlebt.

Wer sich mit den verschiedenen Arten nicht auskennt, kann durchaus Probleme haben Geier-und Schnappschildkröten voneinander zu unterscheiden, doch eigentlich ist es gar nicht schwer. Da wäre zum Beispiel der Umstand dass die Geierschildkröte ganz erheblich größer wird als Schnappschildkröten. Wie groß genau ist schwer zu sagen, da es eine ganze Reihe von mehr oder weniger legendären, und teilweise sicherlich übertriebenen Größenangaben gibt. Doch kann man zweifelsfrei sagen, dass Geierschildkröten in Einzelfällen gut über 100 kg schwer werden können, mit Panzerlängen von über 80 cm. Dabei muss man aber wie immer bedenken, dass es sich hier um Ausnahmen handelt, der Durchschnitt liegt deutlich darunter. Zuweilen liest man dass Geierschildkröten die größten Wasserschildkröten der Welt sind. Allerdings erreichen auch verschiedene Weichschildkröte ähnliche, und wahrscheinlich auch noch etwas größere Dimensionen. Im Archiv des Museums für Naturkunde in Berlin ist ein riesiges Exemplar ausgestellt, dessen Kopf in etwa so groß ist wie der eines Kindes:

Geierschildkröte im Museum für Naturkunde in Berlin

Schnappschildkröten wiegen dagegen im Durchschnitt „nur“ bis etwa 16 kg, wobei einzelne Exemplare in seltenen Fällen auch zwischen 30 und 40 kg wiegen können, und damit durchaus sie Dimensionen einer kleineren Geierschildkröte erreichen.

Eine Besonderheit der Geierschildkröte ist ihre Zunge, denn auf ihr sitzt ein wurmförmiges bewegliches Organ, mit dessen Hilfe sie Fische praktisch bis zu ihrem Maul locken. Bei diesem Fortsatz handelt es sich um ein eigenständigen Teil, und nicht um die Zunge selbst.

Geierschildkröte mit geöffnetem Maul (Photo von Wikipedia)

Diesen wurmförmigen Zungenauswuchs sieht man allerdings auch nur bei genauem Hinsehen, und natürlich auch nur wenn die Geierschildkröte ihr Maul offen hat. Besser zur Artbestimmung geeignet ist der Kopf an sich, denn dieser ist für eine Schildkröte extrem groß und breit, und natürlich auch nicht mehr unter den Panzer einziehbar. Zwar haben auch Schnappschildkröten einen relativ großen Kopf, doch ist dieser im direkten Vergleich deutlich kleiner. Neben der Größe des Kopfes fällt auch der sehr stark ausgeprägte „Geierschnabel“ auf, welche auch im Unterkiefer stark hakenförmig gekrümmt ist. Zudem haben Geierschildkröten an Kopf und hals kleine „Zotten“ welche wahrscheinlich der Tarnung dienen, und die bei Schnappschildkröten nicht vorhanden sind.

Gelegentlich liest oder hört man auch, dass Geierschildkröten den stärksten Biss aller Tiere haben, doch auch das entspricht nicht der Wahrheit, tatsächlich ist ihre Bisskraft noch nicht einmal besonders hoch, geschweige denn die höchste unter allen Tieren.

Ein weiteres typisches Merkmal der Geierschildkröte sind die stark ausgeprägten Höcker des Panzers, welche auch ein ausgeprägtes Oberflächenprofil haben, das man besonders gut auf dem ersten Photo am Anfang des Blogposts sehen kann. Junge Schnappschildkröten haben ähnliche Panzer, doch werden bei ihnen die Höcker im weiteren Verlauf des Lebens immer unscheinbarer, was auch an der stärkeren Abnutzung aufgrund ihrer aktivieren Lebensweise liegt. Bei erwachsenen Schnappschildkröten sieht man in der Regel nur noch drei eher unscheinbare flache Längsgrate oben auf dem Panzer.

Sowohl die Höcker des Panzers als auch den extrem großen Kopf kann man sehr gut an diesem nicht mehr ganz farbechten Präparat einer Geierschildkröte im Flur der Zoologischen Staatssammlung in München sehen:

Geierschildkröte in der Zoologischen Staatssammlung München

Dagegen ist der Kopf und Schnabel dieser Schnappschildkröte im Nymphaea-Tierpark in Esslingen deutlich kleiner, und auch dier Panzer ist weitaus glatter und weniger strukturiert. Zum Vergleich eine davor liegenden „normale“ Schildkröte, eine Gelbbauch-Schmuckschildkröte (Trachemys scripta scripta):

Schnappschildkröte und Gelbbauch-Schmuckschildkröte (Trachemys scripta scripta) im Nymphaea Tierpark, Esslingen (3)

Schnappschildkröten haben einen für Schildkröten ziemlich großen Kopf und einen gut ausgeprägten Schnabel, aber eben doch in weitaus weniger extremen Maße als Geierschildkröten.

Schnappschildkröte im Nymphaea Tierpark, Esslingen (5)

Auffallend ist auch der ausgesprochen dicke Hals der Schnappschildkröten, welcher allerdings selten zur vollen Länge aus dem Panzer ragt, und erstaunlich lang ist.

Schnappschildkröte im Nymphaea Tierpark, Esslingen (4)

Während die Panzer junger Schnappschildkröten noch relativ stark strukturiert sind, zeigen ältere Exemplare als einzige offensichtliche Besonderheit drei mehr oder weniger stark ausgeprägte Längskiele:

Schnappschildkröte im Nymphaea Tierpark, Esslingen (2)

Wie bereits weiter oben geschrieben, unterscheiden sich Geier-und Schnappschildkröten auch im Verhalten. Erstere leben fast ausschließlich im Wasser, und kommen so gut wie nie ans Land, ausgenommen natürlich Weibchen welche ihre Eier ablegen. Schnappschildkröten dagegen kommen durchaus häufiger ans Land und entfernen sich auch weit von Gewässern, und sie können erstaunlich schnell laufen und sogar kleine Sprünge machen. Sogar Maschendrahtzäune können sie erklettern.

Schnappschildkröten im Nymphaea Tierpark, Esslingen (6)

 

Einzelne Exemplare der Schnappschildkröten werden wirklich riesig. Die bisherigen Photos zeigen leider kaum einen Größenvergleich, zudem war keines der Exemplare übermäßig groß, und wahrscheinlich maximal im Gewichtsbereich von 10 bis maximal 15 kg. Mein Freund Cameron McCormick entdeckte in der Sammlung des Environmental Education Center der Audubon Society of Rhode Island einen Schnappschildkrötenschädel von fast 15 cm Länge.

Schnappschildkrötenschädel (Photo Cameron McCormick)

 

Anhand von Vergleichsdaten von Schnappschildkröten mit bekannter Schädel-und Panzerlänge aus der Literatur hat Cameron die Panzerlänge (wohlgemerkt die tatsächliche und nicht über den gewölbten Panzer gemessene Länge) des Exemplars auf etwa 48 cm hochgerechnet.

Cameron entdeckte in einem Teich in Maine ein lebendes Exemplar das vermutlich noch größer sein dürfte. Es gelang ihm mehrere Photos zu machen, unter anderem eines das eine vernünftige Größenschätzung möglich macht:

Riesenschnappschildkröte (Photo Cameron McCormick)

Der Vergleich mit Camerons Hand auf dem Panzer zeigt ebenfalls dass dieses Exemplar wirklich gigantisch für eine Schnappschildkröte ist:

Riesenschnappschildkröte (Photo Cameron McCormick)

Dieses Exemplar ist weitaus größer als alle Schnappschildkröten welche ich im Esslinger Zoo gesehen habe, und es ist durchaus möglich dass ihre Panzerlänger sogar mehr 50 cm beträgt. Bei dieser Größe kann eine Schnappschildkröte durchaus gut über 30 kg wiegen.

Dennoch ist es vollkommen übertrieben aufgrund der bloßen Vermutung einer Schnapp-oder Geierschildkröte in einem Gewässer einen solchen Aufwand zu betreiben wie es in Kaufbeuren der Fall gewesen ist. Es macht ziemlich wenig Sinn wenn eine Gruppe von lärmenden Leuten mit Harken in der Hand der Uferbereich nach einer Schildkröte durchsucht. Geierschildkröten halten sich dort normalerweise ohnehin nicht auf, und Schnappschildkröten würden, ähnlich wie andere Wasserschildkröten auch, schnell ins Wasser flüchten wenn sie sich gestört fühlen würden. Schildkröten in freier Natur sind teilweise extrem scheu, und flüchten bereits ins Wasser wenn man noch 20 bis 30 Meter von ihnen entfernt ist. Den ganzen Badesee abzulassen ist ebenfalls geradezu absurd, vor allem wenn man bedenkt was für ein Schaden an den dort lebenden Wassertieren dabei angerichtet wird. Ob eine solche Schildkröte im matschigen Grund eines abgelassenen Gewässers besser zu finden ist, bleibt ohne fraglich. In ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet werden Schnappschildkröten und leider auch die teilweise schon stark bedrohten Geierschildkröten immer noch gefangen um sie zu essen. Eine der am häufigsten benutzten Methoden diese zu fangen, besteht in der Verwendung beköderter Reusen. Da diese Schildkröten gerne Aas fressen, ist dies eine sehr gute und auch einfache Methode sie zu fangen. Warum man sich in Kaufbeuren nicht darauf beschränkt hat, ist mir ein Rätsel.

Man muss sich ohnehin fragen ob man diese – nur durch ihre vermeintlichen Bissspuren vermutete Schildkröte – überhaupt ein Grund ist einen See zu sperren. In den USA leben diese Tiere in tausenden Gewässern in denen auch Menschen baden, und es gibt keinen (!) dokumentieren Fall in dem ein Schwimmer von einer Geierschildkröte verletzt worden wäre. Die wenigen Fälle in denen Menschen tatsächlich gebissen wurden, ereigneten sich üblicherweise wenn sie außerhalb des Wassers in die Hand genommen wurden, und sich die Schildkröten berechtigterweise verteidigten. Hier sei noch eines angemerkt: Man sieht häufig auf Bildern wie Schnapp-und Geierschildkröten am Schwanz hochgehoben werden. Das sollte aber unbedingt vermieden werden, da sich die Tiere dabei ernsthaft verletzten können. Es kann zu schweren Verletzungen des Schwanzes oder sogar zu Einrissen der im Schwanzwurzelbereich gelegenen Kloake führen, was für die Schildkröten nicht nur äußerst schmerzhaft, sondern unter Umständen sogar lebensbedrohend werden kann.

Abschließend noch ein Photo einer winzigen Babyschnappschildkröte mit einer Panzerlänge von damals gerade nur 3,5 cm, welche Cameron in einem Haufen Tang am Strand gefunden hat (was ein eher ungewöhnlicher Fundort dieser eher im Süßwasser lebenden Art ist):

Baby-Schnappschildkröte (Photo Cameron McCormick)

 

 

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