Spekulative Paläontologie

Seit Menschen angefangen haben gezielt nach Fossilien zu suchen und diese zu untersuchen, wurden Unmengen von Resten fossiler Lebewesen gefunden, und ständig werden es mehr. Seit bekannt ist dass sich Lebewesen aus anderen Lebewesen entwickeln, und jede einzelne Art aus einer anderen, ganz ähnlichen Art hervorgegangen ist, konnte man anhand des Fossilrekordes für viele Arten, Gattungen und Familien teils sehr gute und in manchen Fällen sogar beinahe lückenlose Abfolgen von Abstammungslinien erstellen. Man weiß heute schon ziemlich gut wie sich aus Fischen Amphibien, aus Amphibien Reptilien, aus Reptilien Säuger und letztendlich über die Dinosaurier auch Vögel entstanden sind, um nur mal ein paar der ganz großen Langzeitransformationen zu nennen. Man kennt unzählige ausgestorbene Arten, und ständig findet man neue, die teilweise Lücken zwischen zwei Arten oder Gruppen füllen können. Da Fossilation allerdings nur unter extrem günstigen Umständen stattfindet, und die Chancen genau jene Fossilien vor ihrer Zerstörung durch Erosion oder geologische Aktivitäten auch noch zu finden extrem gering sind, kennt man nach wie vor nur einen kleinen Bruchteil aller bisher existierenden Arten. Viele Tiere wurden überhaupt nie fossil überliefert, etwa weil sie nur Weichgewebe besaßen, das nur außergewöhnlich selten als Abrdruck erhalten bleibt, oder weil sie in Gegenden lebten, in denen kaum Fossilation stattfinden konnte, etwa im Regenwald. Insofern ist es kaum verwunderlich dass viele Arten teils nur von unvollständigen oder gar nur fragmentarischen Resten bekannt ist, und in manchen Fällen tatsächlich noch riesige Lücken in den Entwicklungslinien bestimmter Arten herrschen.

Da nun aber jede einzelne Tier-oder auch Pflanzenart eine lückenlose Reihe von Vorfahren gehabt hat, muss es auch unzählige noch unentdeckte Zwischenformen gegeben haben. Hierbei muss ich anmerken dass mir der Begriff Zwischenformen etwas missfällt. Jede Zwischenform war an sich zu ihrer Zeit eine eigene „saubere“ Art, und da Evolution pratktisch immer schleichend verläuft, und keine rasanten Sprünge macht, kann man keineswegs immer abgrenzen. Selbst unter lebenden Tieren ist es schwierig genug zwischen Arten, Unterarten und Rassen abzugrenzen, und die Frage wie man sie überhaupt genau definieren soll, hat schon zu vielen bösen Worten geführt. Tatsache ist doch dass es bei Transformationen, die über kleine Änderungen geschehen, andauernd gewisse Graustufen gibt, und es in aller Regel unmöglich ist, genau abzutrennen, und genau den Moment zu finden, an dem man sagen kann „so, und jetzt ist es ein Vogel“. Etwa ab wann ein lungenatmender Fisch mit Füßen ein Amphibium ist, oder eben doch noch ein hochentwickelter Fisch.

Auf was ich eigentlich hinaus wollte, ist dass es unzählige spektakuläre Tiere gegeben haben muss, von denen wir bisher nichts gefunden haben, und in manchen Fällen wohl auch nie finden werden. Wenn man beispielsweise bedenkt was für fantastische Lebewesen sich auf abgelegenen Inseln entwickelten, fällt es schwer sich auszumalen was in prähistorischen Zeiten alles auf Inseln gelebt haben muss. In einigen wenigen Fällen hat man Fossilien von Dinosauriern und anderen Tieren gefunden, die einst auf Inseln gelebt haben, und unter ihnen waren viele, teils extrem bizarre Formen, etwa winzige Sauropoden, räuberische Riesenigel oder fünfhörnige (ja, Hirsche mit Hörnern, das gab´s auch)Hirsche. Das sind aber extreme Ausnahmen, die meisten Inseln die vor Jahrmillionen existiert haben, dürften längst wieder im Meer verschwunden sein, oder trockengefallen und von der Erosion abgeschliffen worden sein. Folglich kann man in vielen Fällen nur spekulieren, was für Wesen im Laufe der Erdgeschichte womöglich entstanden sind. Hier geht es nicht nur darum möglichst sinnvolle Zwischenformen in Stammbäumen zu konstruieren, sondern auch darum, sich zu überlegen zu was sich einige bekannte Arten womöglich entwickelt haben könnten. 

 Betrachtet man etwa die auf Inseln allgemein üblichen Entwicklungstrends, so kann man fast mit Sicherheit davon ausgehen, dass viele urtümliche kaltblütigen Reptilien auf Inseln Riesenformen entwickelt haben, das große warmblütige Arten verzwergten, und sie vielleicht in der Abgeschiedenheit ähnlich fantastische Eigenheiten ausbildeten wie etwa die Paradiesvögel auf Neu-Guinea, deren Vorfahren recht triste starenähnliche Vögel waren. Unter anderem hat mich die Frage interessiert, ob sich vielleicht auf abgelegenen Inseln flugunfähige Pterosaurier entwickelt haben könnten, und wie diese womöglich ausgesehen haben könnte. Was dafür und was dagegen spricht, wollte ich eigentlich mal in einem eigenen Beitrag abhandeln.

Aber wo es schon gerade um Pterosaurier geht, so sollte erwähnt werden, dass gerade diese sehr interessant für die „Disziplin“ der spekulativen Paläontologie sind. Das Problem ist nämlich dass man zwar eine ganze Reihe verschiedenster mehr oder weniger hochentwickelter Flugsaurier gefunden hat, in ihrer Evolutionsgeschichte aber Zwischenformen praktisch vollkommen fehlen. Ähnlich sieht es bei Fledermäusen aus, denn schon die allerältesten Fossilien unterscheiden sich nur relativ geringfügig von den heutigen Arten. Das mag vor allem daran liegen dass es sich um sehr kleine und grazile Tiere handelte, die kaum jemals versteinerten, und deren Körper in den Wäldern oder Dschungeln in denen sie wahrscheinlich lebten, kaum jemals erhalten bleiben konnte, und innerhalb weniger Tage restlos recyclet wurden. Fossilien von Pterosaurier oder urtümlichen Fledermäusen stammen praktisch immer von Tieren die über dem Wasser abstürzten von Sediment eingeschlossen, und so konserviert werden konnten. Betrachtet man die heutigen Tropenwälder, dann ist die Wahrscheinlichkeit das vergleichbare Tiere einmal fossil erhalten bleiben, ziemlich gering, und die Tatsache dass einige frühe Gleitflieger überhaupt gefunden wurden, schon ein ziemlicher Glückstreffer ist. Und so bleibt es in vielen Fällen nach wie vor nur möglich zu spekulieren.

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