Interessanter als gedacht, der Haustruthahn

Abgesehen von Hühnern kann man sich wohl kaum einen langweiligeren Vogel vorstelln als den Truthahn (Meleagris gallopavo), vielleicht noch abgesehen von Tauben und Spatzen. Wie bei den allermeisten anderen Lebewesen auch, stellt sich bei genauerer Betrachtung aber heraus, dass Truthähne keineswegs langweilig sind, sondern viel mehr in vieler Hinsicht äußerst spektakulär. Ungeachtet der Tatsache dass allein in Deutschland täglich tausende dieser Tiere geschlachtet werden, um dann auf mehr oder weniger delikate Weise zubereitet zu werden, handelt es sich um wirklich erstaunliche Tiere, die eine Menge Interessantes bereithalten. Viele Menschen haben im Zweifel noch nicht einmal einen richtigen Truthahn gesehen, sondern bestenfalls das oftmals vollkommen fade und relativ geschmacksneutrale Brustfleisch der domestizierten Haustruthähne auf den Teller bekommen (mal als kleiner Tipp nebenbei, die Keulen schmecken weitaus besser und interessanter als das trockene Brustfleisch). Da diese Tiere in regelrecht industriellem Maßstab hochgezüchtet werden, bekommt man sie auch kaum jemals zu sehen. Die auf maximalen Fleischertrag gezüchteten Sorten erreichen teilweise Gewichte von bis zu 25kg, womit sie zu den größten Vögeln überhaupt zählen. Allerdings werden die allermeisten von ihnen niemals so schwer, da sie noch während ihrer Jugendzeit geschlachtet werden, um die Futterverwertung und den Fleischgewinn möglichst wirtschaftlich zu nutzen. Bei manchen dieser Hochleistungssorten ist der Brustbereich so groß gezüchtet worden, dass die Männchen Schwierigkeiten bei der Paarung haben, und daher Paarungen nur noch durch künstliche Befruchtung möglich sind. Neben diesen üblicherweise komplett weiß befiederten Hochzuchtrassen gibt es aber auch noch eine ganze Reihe anderer Zuchtlinien, die sich vor allem in der Färbung des Gefieders, aber auch der Größe unterscheiden. Diesen schwärzlich schimmernden männliche Truthahn habe ich im Gehege eines Kleintierzüchtervereins photographiert.

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Was neben den seltsam breiten, und beihan wie Dachziegel wirkenden Federn besonders auffällt, ist der völlig unbefiederte Hals und Kopf. Die grell gefärbte Haut ist aufgetrieben und faltig, ganz ähnlich wie bei Kasuaren. Besonders seltsam ist der schon beinahe rüsselartig verlängerte Hautlappen der Hähne, der vom Schnabelansatz aus nach unten hängt.

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Bei den Hennen sind Hals und Kopf ebenfalls unbefiedert, allerdings in weit weniger spektakulärem Maße auffällig, denn sie besitzen weder die bunten Farben der Hähne, noch die massiv ausgeprägten Hautlappen und -blasen.

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Wie bereits erwähnt, erreichen einige Hochzuchtrassen Gewichte bis zu einem halben Zentner, aber auch bei den ursprünglicheren Schlägen sind 10kg durchaus nicht ungewöhnlich. Unter den tausenden von Vogelarten erreichen nur sehr wenige eine vergleichbare Masse. Besonders wenn die Hähne ihre Federn sträuben,  wirken wirklich riesig. Der Truthahn war auch eines der wenigen Tiere, die in Südamerika domestiziert, und auch in Europa eingeführt wurden. Meerschweinchen wurden dagegen bekanntlich bei uns fast ausschließlich zu echten Heimtieren (abgesehen von jenen die das Pech haben als Labor-oder Futtertiere gezüchtet worden zu sein), während Lamas auch primär nur von Liebhabern gehalten, und nur extrem lokal als echtes Nutztier gezüchtet werden. Lediglich die Moschusente, welche die Stammform der Warzenente ist (in der Gastronomie als Flug-oder Barbarie-Ente vertrieben), erlebte eine ähnliche Verbreitung, wenngleich sie auch nicht in den riesigen Massen gezüchtet wird wie Truthähne.

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 Die Haustruthähne sind in der Regel relativ unauffällig in Bezug auf die Farbe, die Hochzuchtrassen sind in der Regel weiß, andere entweder wie im obigen Beispiel schwärzlich, oder haben ein aus Braun-, Schwarz- und Weißtönen bestehendes Gefieder. Teilweise zeigen die Federn dabei noch einen gewissen metallischen Glanz, vielfach ist dieser aber völlig verloren. Man würde daher kaum vermuten, wie enorm farbenprächtig wilde Truthähne sind. Dabei stehen sie selbst vielen Fasanen nur unwesentlich nach, wie man auf den beiden folgenden, von Wikipedia stammenden, Photos sieht.

Interessant ist auch der auffällige lange „Schweif“ an der Brust von wilden Truthähnen. Er kommt promär bei den Männchen vor, aber auch bei etwa 10% der weiblichen Tiere. Übrigens gab es durchaus schon Versuche, wilde Truthähne in Europa anzusiedeln, allerdings waren diese Auswilderungen kaum erfolgreich.

Der „normale“ Truthahn ist aber keineswegs der einzige, und trotz seiner erstaunlichen Farbenpracht noch nicht einmal der auffälligste Vertreter seiner Gattung. Der im Gebiet der mittelamerikanischen Halbinsel Yucatan lebende Pfauentruthahn Meleagris ocellata bleibt deutlich kleiner als sein nördlicher Vetter, ist aber dafür sogar noch bunter und schimmernder. Die beiden Arten wurden einmal in zwei verschiedene Gattungen gestellt, allerdings können Truthahn und Pfauentruthahn fruchtbaren Nachwuchs miteinander hervorbringen, was klar zeigt, dass sie relativ eng miteinander verwandt sind. Das erste Bild stammt aus dem Zoologischen Garten in Berlin, während das zweite von Wikipedia ist.

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10 Antworten zu Interessanter als gedacht, der Haustruthahn

  1. Jan sagt:

    Sehr interessanter Artikel, besonders wie schön die Wildform gefärbt war mir nicht bewusst.Allerdings hat sich auch ein kleiner fehler eingeschlichen:
    südamerikanischen Halbinsel Yucatan müsste eig mittelamerikanisch oder je nach Definitoun auch Nordamerikanisch heissen( wobei ich Ersteres bevorzuge)
    LG
    Jan

  2. Cronos sagt:

    Arrghhh, stimmt, da habe ich einen kleinen Fehler gemacht. Ich hatte es ursprünglich anders formuliert, aber dann noch mal geändert. Ich werde es gleich ändern.

  3. Martin sagt:

    Interessanter Artikel.
    Ich hätte Truthähne nie als langweilig oder uninteressant bezeichnet (selbst Tauben und Spatzen, oder überhaupt irgendein Tier ist uninteressant, man muss sich nur damit beschäftigen, dann findet man etwas Außergewöhnliches) und wenn der Kopf nicht wäre, wären sie sogar ausgesprochen hübsche Tiere.

    LG
    Martin

  4. Cronos sagt:

    Im Prinzip ist wirklich jedes Tier interessant, wenn man sich eingehender mit ihm befaßt. Darum habe ich ja auch diesen Artikel geschrieben, um auch einmal darauf aufmerksam zu machen, dass selbst hinter scheinbar völlig „normalen“ Tieren durchaus viel mehr stecken kann, als man allgemein vermutet.
    Ich finde Schönheit ist bei Tieren auch sehr relativ, gerade die nackte, aber dafür sehr bunte Haut des Kopfes hat durchaus etwas reizvolles.

  5. Sven sagt:

    Also wunderschön finde ich Truthähne nun auch nicht (wenngleich ich diesen Schweif an der Brust sehr ansprechend finde), aber wer erwartet schon von Futtertieren, dass sie hübsch sein sollen?! *lach*

  6. Cronos sagt:

    Ich finde es gibt durchaus diverse „Futtertiere“ die an sich sehr ansprechend aussehen, etwa die teilweise wirklich schön gezeichneten Wanderheuschrecken, auch wenn die natürlich eher selten auf dem Esstisch landen.

  7. Uwe sagt:

    Ich finde sie auch interessant und überhaupt nicht hässlich. Im Opelzoo in Kronberg habe ich auch mal einen hübschen erwischt 🙂

    http://www.photos.mainview.de/nature/opelzoo/slides/IMG_3540q.html

  8. Cronos sagt:

    Tolles Bild Uwe. Im Hagenbeck-Zoo Hamburg und der Stuttgarter Wilhema gibt es übrigens auch Wildtruthähne.

  9. Isabelle sagt:

    Schöner Artikel. Noch zu erwähnen wäre, dass Truthähne in der Lage sind, Gesichter zu erkennen und sie können sehr anhänglich werden, wenn man sie nicht vorzeitig essen will. Wir haben einen handzahmen Giant White, die schönen sattbraunen Bourbon Red und Royal Palms, welche in Deutschland glaub ich als Kröllwitzer bezeichnet werden.

  10. Evelyn sagt:

    Früher fand ich Truthühner ulkig – besonders den lustigen Ruf des Truthahns.
    Nachdem ich, erfreulicherweise, die Gelegenheit bekam, sie näher kennenzulernen, bin ich überrascht und sehr angetan! Habe mich, insbesondere mit dem Hahn schnell angefreundet – Liebe auf den ersten Blick – Er balzt mich auch an und ich sage ihm: Du bist der Allerschönste – und das meine ich auch so!
    Schönheit liegt im Auge des Betrachters.
    Ganz faszinierend finde ich, wie er die Farben seines „Gebamsels“ an Kopf und Hals verändern kann . . .

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