Während Pakicetus noch eindeutig an Land relativ gut zu Fuß gewesen ist, gab es auch bereits weitaus besser an ein Leben im Wasser angepasste Formen wie Ambulocetus natans, welche sich an Land nur noch recht unbeholfen fortbewegt haben dürften. Ambulocetus war ein sehr großes und massiges Lebewesen, dass eine Länge von etwa drei Metern erreichte. Sein Kopf war riesig, mit sehr weit oben liegenden Augen, seine Kiefer sehr lang wie bei einem Krokodil, die Vorderbeine wie bei vielen anderen amphibisch lebenden Säugern wie Ottern oder Bibern sehr kurz, und die Hinterbeine dagegen lang und kräftig. Wieder einmal war es Carl Buell der sich besonders intensiv und als einer der allerersten mit der Rekonstruktion dieser Tiere befasst hat:
Bei ihnen spielten die Hinterbeine sicherlich noch eine wichtige Rolle bei der Fortbewegung unterwasser, und sorgten zusammen mit dem kräftigen Schwanz für den Antrieb. Die Ohren waren bereits stark zurückgebildet, und die äußeren Ohrmuscheln dürften äußerst klein, oder schon gar nicht mehr vorhanden gewesen sein. Manch einer wird Ambulocetus noch aus der BBC-Doku „Die Erben der Dinosaurier“ kennen, allerdings war er dort wie so viele andere Arten (speziell Basilosaurus und Dorudon!) nicht unbedingt ganz richtig rekonstruiert, was auch die Unterschiede zu der Darstellung von Carl Buell bedingt. So war der Schädel des BBC-Ambulocetus beispielsweise viel zu breit, und auch die Nasenknorpel wurden mal wieder unterschlagen, weshalb bei ihm die Nasenöffnungen weiter hinten lagen. Im Vergleich zu Pakicetus hatte Ambulocetus sehr große Hinterfüße, und sicherlich wird er auch entsprechend große Schwimmhäute besessen haben, wie man sie bei praktisch allen anderen vergleichbaren Säugern findet, seien es Biber, Desmane oder wie hier ein Schwimmbeutler, welcher in der Zoologischen Schausammlung Heidelberg zu sehen ist:
Man sieht bei einer ähnlichen Körperhaltung sehr gut wie sich die beiden überhaupt nicht verwandten Arten im Körperbau ähneln, wenngleich Ambulocetus bereits noch stärker ans Wasser angepasst war.
Interessant ist auch dass die Unterschiede zu Pakicetus trotz allem relativ gering sind, und im Endeffekt nur eine Weiterentwicklung der Merkmale darstellen, welche sich bereits bei Indohyus in schwächerer Form zeigten. Also ein immer größer und länger werdender Kopf mit immer stärkerer Anpassung auf eine carnivore und später piscivore, also aus Fischen bestehende Nahrung, eine Dorsalverlagerung der Augen, eine Verkürzung der Vordergliedmaßen, eine allgemeine Tendenz zu mehr Körpergröße und robusteren Proportionen.
Heutzutage gibt es eigentlich kein Lebewesen mehr dass sich wirklich mit Ambulocetus vergleichen ließe, am ehesten käme vielleicht noch ein südamerikanischer Riesenotter in Frage, doch auch diese sind erheblich kleiner und verfügen vor allem nicht über den enormen „Krokodilsschädel“. Aufgrund von Isotopenanalysen der Fossilien weiß man dass sich Ambulocetus sowohl im Süßwasser als auch im Salzwasser aufgehalten hat. Möglicherweise kann man hier geringe Analogien zu Manatis ziehen, welche in manchen Gebieten ebenfalls zwischen Meer, Mangrovengebieten, Brackwasser und Flüssen wechseln. Hier noch ein weiteres äußerst dynamisches Bild von Ambulocetus beim Jagen, wie die vorigen von Carl Buell:
Was sehr interessant ist, sind die Proportionen des Schädels und die Anordnung und Form der Zähne, welche bereits recht stark selbst schon vollaquatischen Formen wie Dorudon ähneln. Besonder gut kann man das am Skelett erkennen (im Hintergrund mit dem Skelett von Pakicetus):
Die extrem weit oben am Schädel liegenden Augen von Ambulocetus sind zugegebenerweise recht seltsam, da spätere Wale viel tiefer liegende Augen hatten (wobei sich bei bestimmten noch viel späteren Formen die Augen wieder stark nach oben hin entwickelten). Allerdings hatten auch bereits Indohyus and Pakicetus sehr weit oben am Kopf liegenden Augen, und entweder haben sich die späteren Wale von Ambulocetus-ähnlichen Urformen mit noch etwas weniger extrem nach dorsal verlagerten Augen entwickelt, oder die Augen sind tatsächlich nach einer sehr weit oben liegenden Phase im weiteren Verlauf der Evolution wieder an die Seiten des Schädels gewandert. Interessanterweise findet man auch bei Krokodilen eine ähnliche Entwicklung. Die größtenteils im Süßwasser lebenden und mit den heute lebenden Arten vergleichbaren Urkrokodile besaßen allesamt ganz oben am Kopf liegende Augen, welche es ihnen ermöglichten noch beinahe komplett untergetaucht über die Oberfläche zu sehen. Ein Grund dafür war sicherlich zum einen der Fang von Beutetiere an der Oberfläche oder am Ufer, zum anderen um Ausschau nach potentiellen Gefahren vom Ufer oder von oben zu halten. Überdies sehen Krokodile unter Wasser nicht besonders gut, und orientieren sich dort größtenteils mit Hilfe von über ihren Körper verteilten Druckrezeptoren.
Dagegen hatten die durchaus mit den Archaeoceti vergleichbaren und extrem an ein marines Leben angepassten Metriorhynchidae welche zu Paddeln umgebildete Gliedmaßen und auch eine gut ausgebildete heterozerke Schwanzflosse besaßen, seitlich am Kopf liegende Augen. Möglicherweise konnten sie besser unter Wasser sehen als ihre Vorfahren, und womöglich spielte der Sehsinn unter Wasser auch eine größere Rolle beim Beutegreifen als bei konventionelleren Crokodiliern. Auch bei den Walen kann sehr gut eine ähnliche Entwicklung vonstatten gegangen sein, welche anfangs während der Entwicklung einer terrestrischen zu einer immer mehr amphibischen Lebensweise zu einer Dorsalorientierung der Augen führte, und später bei einer immer weiteren Spezialisierung auf offene marine Lebensräume wieder zu einer Seitwärtsverlagerung der Augen.
Auch war Ambulocetus keine völlig singuläre Gattung, man kennt auch mit der Gattung Gandakasia aus Pakistan und Himalayacetus aus dem Himalajagebiet auch ähnliche Gattungen, welche jedoch leider nur durch sehr fragmentarische Reste bekannt sind. Es ist durchaus wahrscheinlich dass es noch mehr gegeben hat.
Gleich drei Kommentare… Ja ist denn heute Weihnachten?! Ach ja, ist es 😀
Sehr spannend, beide Beiträge wieder! Und die Bilder sind einsame Spitze. Und mal schauen wie viele Beiträge es noch werden bis wir bei den modernen Walen sind.