Fossile Wale Teil 2: Indohyus – der erste Schritt ins Wasser

Eigentlich wollte ich mit einer anderen Gruppe von Urwalen weiter machen, doch nach einiger Überlegung dachte ich dass es wahrscheinlich übersichtlicher ist, zumindest einigermaßen chronologisch vorzugehen, und mit den ältesten Formen anzufangen. Im ersten Artikel habe ich ja bereits einiges Grundsätzliche über die Darstellung von Archaeoceti geschrieben, und mit Indohyus bereits einen der allerersten bekannten Walvorfahren vorweg genommen. Aber natürlich fängt die Geschichte der Wale nicht erst mit bereits vollaquatischen Formen wie Dorudon an, sondern bereits sehr viel früher.

Lange Zeit herrschte große Ungewissheit über die tatsächlichen Vorfahren der Wale, doch vor allem in den letzten Jahren wurden aufgrund spektakulärer Fossilfunde sowie über Genanalysen das Wissen über die wirklichen Ursprünge stark erweitert. Es wurde zwar bereits seit langer Zeit angenommen dass Wale von den Mesonychiden, einem Zweig fleischfressender Urhuftiere, abstammen würden, und entsprechend wurden Arten wie der in Größe und Aussehen mit einem Wolf vergleichbare Mesonyx für die terrestrischen Vorfahren der Wale angenommen. Leider hat die in Dokumentationen zumindest früher häufig vorgebracht Behauptung Wale würden von wolfsartigen Raubtieren abstammen, immer wieder Leute die nicht genau zugehört haben, dazu gebracht hat zu glauben dass Wale von Wölfen abstammen. Das ist natürlich völliger Unsinn. Untersuchungen der DNS von Walen mit anderen heutigen Säugetieren haben gezeigt dass unter allen lebenden Arten Flusspferde ihre nächsten lebenden Verwandten sind. Leider konnte man daher vereinzelt auch lesen dass Flusspferde die Vorfahren der Wale sind, was natürlich ebenfalls Unsinn ist. Sie haben lediglich den letzten gemeinsamen Vorfahren mit den Walen, haben sich selbst allerdings seit dieser Zeit selbst ebenfalls erheblich weiterentwickelt. Die früher Walvorfahren sahen demnach weder wie Wölfe noch wie Flusspferde aus. Man kann sie sich wohl eher als eine Mischung aus einem kleinen Hund und einem der winzigen Hirschferkel vorstellen, etwa in der Größenordnung eines Fuchses.

Dies waren Tiere wie Indohyus, eine vor 48 Millionen Jahren lebende Gattung ursprünglicher Huftiere, deren Fossilien im heutigen Kaschmir entdeckt wurden. Man kennt zwei Arten der Gattung, Indohyus major und Indohyus indirae. Neben der im letzten Teil gezeigten Lebendrekonstruktion von Indohyus hat Carl Buell noch eine weitere wunderschöne Darstellung dieses Tieres angefertigt:

Indohyus major von Carl Buell

Indohyus war noch bei weitem kein ausgesprochener Wasserbewohner wie beispielsweise ein Fischotter, sondern primär ein Landbewohner der relativ häufig ins Wasser ging. Am ehesten lässt er sich wohl noch mit dem winzigen Afrikanischen Hirschferkel (Hyemoschus aquaticus) vergleichen, einem sehr urtümlichen kleinen Huftier. Diese kleinen Dschungelbewohner leben zwar primär an Land, sind allerdings auch ausgezeichnete Schwimmer und können auch mehrere Minuten tauchen, wobei sie ähnlich wie Flusspferde auch direkt auf dem Gewässerboden laufen können. Diese Fähigkeit nutzen sie nicht nur um sich im Wasser vor Feinden in Sicherheit zu bringen, sondern auch um beispielsweise am Boden von Urwaldflüssen liegende Früchte zu fressen, und gelegentlich sogar Fische zu fangen. Überhaupt fällt ihr Speiseplan keineswegs so vegetarisch aus wie man anhand ihres Aussehens vermuten könnte, denn sie fressen auch Insekten, Vogeleier, Aas und verschiedene kleine Wirbeltiere, ähnlich anderen kleinen in Urwäldern lebenden Huftieren wie den Duckern (mehr Informationen gibt es in diesem alten Artikel).

Diese Tiere werden kaum einmal in Zoos gehalten, und auch in Museen bekommt man sie nicht übermäßig oft zu sehen, und da man sie wegen ihres doch nicht gerade spektakulären Aussehens selten weiter beachtet, ist hier einmal ein Photo eines Hirschferkels (wie so oft von Wikipedia):

Afrikanisches Hirschferkel

Wie gut Afrikanische Hirschferkel schwimmen und tauchen können, und wie sie sich auf diese Weise vor Feinden verbergen können, kann man sehr eindrucksvoll in diesem Video sehen:

Afrikanisches Hirschferkel unterwasser.

Indohyus dürfte durchaus ganz ähnlich gelebt haben, wenngleich aufgrund seiner Zähne davon auszugehen ist dass er trotz seiner primär auf Pflanzen basierenden Ernährung vielleicht insgesamt etwas mehr tierische Kost gefressen haben dürfte als Hirschferkel. Sowohl bei Hirschferkeln als auch Flusspferden und Indohyus sind die Knochen schwerer gebaut als bei vergleichbaren Tieren, welche primär an Land leben. Durch eine dicke Compacta der Knochen haben diese eine größere Dichte, was den Gesamtauftrieb verringert, so dass ein Abtauchen und auch ein Laufen auf dem Gewässergrund viel einfacher wird. Anhand von Untersuchungen der Sauerstoffisotope in den Zähnen von Indohyus weiß man auch dass diese jenen von Tieren entsprechen die viel Zeit im Wasser verbringen. Um noch einmal Missverständnissen vorzubeugen, Hirschferkel sind ebenfalls nicht die Vorfahren der Wale, sie ähneln diesen lediglich in ihrer Ökologie und teilweise auch in der Anatomie.

Wenn man sich nun fragt, woher man weiß dass Indohyus überhaupt mit Walen verwandt ist, muss man sich seine Anatomie genauer ansehen. Glücklicherweise ist sind von Indohyus recht viele und auch recht gute Fossilien bekannt, so dass man recht gut anatomische Vergleiche mit anderen Arten anstellen kann. Besonders auffällig ist die ungewöhnliche knöcherne Ohrregion von Indohyus, welche am ehesten der hochspezialisierten Bulla ossea, der Gehörkapsel der Wale ähnelt. Aber auch sonst ähneln viele seiner Merkmale späteren, und bereits deutlich stärker ans Wasser angepassten Arten, wie etwa der relativ großen Kopf mit den langen Kiefern und der sehr lange kräftige Schwanz.

Weitere Informationen über Indohyus findet man hier:

Thewissen, J. G. M.; Cooper, LN; Clementz, MT; Bajpai, S; Tiwari, BN (2007). „Whales originated from aquatic artiodactyls in the Eocene epoch of India“. Nature 450 (7173): 1190–1194.

 

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2 Antworten zu Fossile Wale Teil 2: Indohyus – der erste Schritt ins Wasser

  1. Sven sagt:

    Wieder sehr spannend! Die Feiertage scheinen dir gut zu tun 😉

    Zu dem Bild: Ich hätte eher die Vorderbeine angewinkelt gezeigt, da sich auch Flusspferde und Hirschferkel viel mit den Hinterbeinen abstoßen und sich vorn „stromlinienförmig“ machen.

    Ganz ehrlich: Hast du mal über ein Buch zum Thema „Die Entstehung der Wale“ nachgedacht? Ich würde es kaufen (und/oder Fotos beisteuern 😉 )

  2. Markus Bühler sagt:

    Darüber habe ich tatsächlich auch schon nachgedacht, allerdings eher in Bezug auf die ganzen weniger bekannten späteren Urwale, von denen es wirklich haufenweise bizarre Arten gegeben hat.

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