Kann ein Aal zu einem Monster wachsen?

In der kryptozoologischen Literatur findet man eine ganze Reihe von teils sehr verschiedenen Untieren, welche die Seen Großbritanniens, insbesondere von Irland bevölkern sollen. Einige sollen wie Drachen ausgesehen haben, andere wie Schlangen oder sogar säugerähnlich gewesen sein. Einige von ihnen wurden auch als riesige Aale beschrieben. Vor einiger Zeit kam auch die Hypothese in Umlauf, dass solche Kreaturen, insbesondere das Monster von Loch Ness, auf Aale zurück gehen sollen, die nicht zum Laichen in die Sargasso-See abwanderten, sondern in den Seen blieben, dort uralt wurden, und immer weiter wuchsen. Hört sich ja an sich ganz plausibel an, und würde auch eine ganze Reihe von Fragen beantworten, etwa warum nicht ganze Populationen von Monstern existieren müssen, oder wie sie in teils winzigen Gewässern überleben könnten.

Doch der Teufel steckt hier im Detail, denn der Urheber dieser Vermutung, wußte allem Anschein herzlich wenig über das Wachstumsverhalten von Aalen. Wie viele andere ist er dem Irrglauben aufgessesen, dass Fische ihr ganzes Leben lang immer weiter wachsen, und so theoretisch jede beliebige Länge erreichen, und so zu Monstern heranwachsen können. Nun ist es tatsächlich so dass die allermeisten Fische ab einer gewissen Größe so gut wie gar nicht mehr wachsen, meist nach Erlangen der Geschlechtsreife. Auch wenn danach das Wachstum noch anhält, ist es bei den meisten Arten so gering, dass es kaum noch ins Gewicht fällt. Andernfalls gäbe es unter vielen Fischen, insbesondere solchen die im Aquarium gehalten, und so gut über einen langen Zeitraum beobachtet werden können, enorme Größendifferenzen unter den geschlechtsreifen Tieren. Nun gibt es tatsächlich Fische, bei denen auch nach dem Erlangen der Geschlechtsreife das Wachstum noch vergleichsweise stark ist, und bei denen in der Regel die größten Exemplare tatsächlich schon ziemlich alt sind. Dank einer Studie aus den Jahren 1987 und 1988, bei der insgesamt 8612 weibliche Aale aus dem Burrishole-System in West-Irland vermessen, und ihre Wachstumsraten anhand von Gehörsteinuntersuchungen ausgewertet wurden, liegen für die Wachstumsraten von Flussaalen sehr gute Daten vor. Interessant war dass von dieser riesigen Menge Aale nur ein winzigen Bruchteil eine Länge von mehr als 62 cm hatte, nämlich nur 0,6% ´87 und 0,7% ´88. Jene übergroßen Aale zeigten auch ein anderes Wachstumsverhalten als ihre kleineren Artgenossen. Sie wuchsen nicht nur geringfügig schneller, sondern auch länger schnell. Anhand der an den Gehörsteinen feststellbaren Wachstumsraten konnten auch Diagramme angefertigt werden, die die Zuwachsraten im Verlauf der Jahre zeigen. Unter den Aalen mit einer Länge von mehr als 62 cm konnten Alter von 32-57 Jahren ermittelt werden, und bei jenen unter 62 cm Alter von 8-42 Jahren. Das schnellste Wachstum fand im ersten Lebensjahr statt, bei den kleinen Aalen hielt ein relativ schnelles Wachstum etwa 17 Jahre an, bei den großen dagegen etwa 34 Jahre. Die durchschnittliche Längenzunahme bei den normalen Aalen betrug 1,42 cm, das der großen 1,6cm pro Jahr, der Unterschied war also relativ gering. Die großen Aale übertrafen ihre Artgenossen also nicht einfach dadurch deutlich an Größe, dass sie über einen sehr langen Zeitraum wuchsen, sondern vor allem weil sie langanhaltend relativ schnell wuchsen. Die Wachstumskurven verlaufen anfangs bei beiden Variäteten in etwa gleich, bei den normalen Aalen wird die Kurve allerdings deutlich flacher, bei den großen Aalen dagegen nur relativ geringfügig, wenngleich ebenfalls stetig. Anhand der Abnahme der Steilheit der Wachstumskurve läßt sich berechnen bei welcher Länge das Wachstum so weit abgenommen hätte, dass es zu überhaupt keinem Längenzuwachs mehr kommt. Bei den normalen Aalen wäre das eine Länge von 99,9cm, bei den großen eine hypothetische Länge von 204,5cm,  bei einem Alter das irgendwo zwischen 150 und 200 Jahren liegen würde (genaue Angabe fehlt hier).

Üblicherweise werden sie aus verschiedenen Gründen gar nicht erst so groß, entweder weil sie teilweise noch in sehr hohem Alter abwandern, oder, falls dies in einem Gewässer ohne Meereszugang passiert, weil sie schlicht und einfach auch nicht unsterblich sind, und irgendwann einmal den Löffel abgeben, bevor sie so eine Länge erreichen könnten. Tatsächlich stammen die größten Aale meist aus Gewässern, in denen sie eingesetzt wurden, aber mangels fehlender Abwanderungsmöglichkeiten nicht ins Meer konnten. Die größten bestätigten Längen für Europäische Flussaale liegen bei etwa 1,5m. Man liest zwar gelegentlich auch von 2m, aber allem Anschein gibt es dafür keine Beweise, weshalb es sich hier auch um Anglerlatein handeln kann. Warum diese Unterschiede im Wachstumsverhalten überhaupt aufkommen, ist nicht ganz klar, vielleicht hängt es mit einer unterschiedlichen Ernährungsweise zusammen, die bei den großen Aalen vor allem aus Fisch besteht, möglicherweise hat es auch genetische Hintergründe.

Dass es sich hier um Aale aus einem irischen Gewässer (das obendrein einen sehr guten Fischbestand aufweist und nicht wie viele andere überfischt wurde), ist besonders praktisch, wenn man Vergleiche mit angeblichen Riesenaalen in irischen Seen machen möchte.

Das Wachstum dieser Tiere hat natürlich noch ein paar andere wichtige Komponenten, etwa die Verfügbarkeit und Menge der Nahrung, sowie die Wassertemperatur. Ein Aal der bei einer optimalen Temperatur (diese liegt beim Aal bei 26°C) und optimaler Nahrungsversorgung aufwächst, überdurchschnittlich gute genetische Anlagen besitzt und nicht ins Meer abwandern kann, wäre sicher in der Lage ein noch stärkeres Wachstum als die „großen“ Aale zu zeigen, und auch eine etwas größere Länge zu erreichen. Aber auch die würde in Anbetracht der limitierten Lebensjahre wohl kaum die 2m erreichen.

In Anbetracht dieser Fakten kann die Hypothese, dass Aale, welche nicht abwandern und in Gewässern bleiben, zu Monstern heranwachsen können, guten Gewissens zu den Akten gelegt werden. Selbst wenn ein Aal Jahrzehnte lang und obendrein noch ungewöhnlich schnell wachsen würde, wäre er selbst nach 100 Jahren weit davon entfernt, auch nur annährend echte Monster-Maße erreichen. Bedenkt man dass beispielsweise im Loch Ness mit einer maximalen Wassertemperatur von 6-7°C auch noch alles andere als optimale Bedingungen für das Abwachsen von Aalen herrschen, verliert die „Nessie-ist-ein-uralter-Riesenaal“-Hypothese gänzlich an Glaubwürdigkeit. Dass dies auch für eine Reihe von anderen Fischen zutrifft, soll später auch irgendwann noch bearbeitet werden.

Quellen:

VARIABILITY IN GROWTH RATE IN. EUROPEAN EEL ANGUILLA ANGUILLA. (L.) IN A WESTERN IRISH CATCHMENT. W. Russell Poole and Julian D. Reynolds.
                                                                                                                                             

H. Kuhlmann: Der Einfluß von Temperatur, Futter, Größe und Herkunft auf die sexuelle Differenzierung von Glasaalen(Anguilla anguilla)

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12 Antworten zu Kann ein Aal zu einem Monster wachsen?

  1. allosaurus sagt:

    Nessie ist doch schon wiederlegt worden, auserdem sind die behrümtesten sichtungen, die von schwanenhalsähnlichen Hälsen außerhalb des Wassers. Das spricht gegen einen Aal, eher für optische Täuschungen.

  2. Cronos sagt:

    Ich persönlich bin auch schon lange davon überzeugt dass es im Loch Ness kein Monster, gleich welcher Art, geben kann. Aber es gibt eine ganze Menge Leute die das Gegenteil glauben, selbst wenn von diesen glücklicherweise nicht alle so naiv sind, an eine Plesiosaurier-Population zu glauben. Vermutungen wie die von immer weiter wachsenden Aalen haben dagegen in letzter Zeit durchaus einen gewissen Zulauf gefunden, und ich wollte einfach mal zeigen, dass dies von völlig falschen Grundlagen ausgeht.

  3. Lulom sagt:

    Ich glaube nicht unbedingt das es Nessie gibt doch das es solche Monster gibt glaube ich auf jedenfall.
    Denn bis vor einigen jahren wusste man auch nicht das der Quastenflosser noch existiert und tata er exestiert noch.
    Es gibt genug Sichtungen von solchen Geschöpfen das es is ähnlich wie bei UFO’s verhält:
    Viele haben sie gesehen, es gibt Schwindler, Fotos…..
    doch exestieren tuen sie ob man es nun wirklich beweisen kann oder nicht.—–>z.B. UFO’s

  4. Cronos sagt:

    Den Quastenflosser immer wieder als Paradebeispiel anzuführen macht nicht wirklich viel Sinn. Warum glaubte man nicht dass er existiert? Schlicht und ergreifend deshalb, weil Quastenflosser nur von mehr als 65 Millionen Jahren alten Fossilien bekannt waren. Es gab hier keine Sichtungen oder ähnliches, wenn man mal die Einheimischen, welche diesen Fisch ja schon seit jeher fingen, einmal abzieht. Der Quastenflosser ist ein äußerst bemerkenswertes Geschöpf, aber im Prinzip ist er einfach nur ein großer Fisch, der auf einem Trawler gefunden wurde, wie unzählige andere neu entdeckte Arten auch.

  5. Simfisch sagt:

    Hallo, für mich bleibt es aber immer noch nicht ganz klar, welche Fische nun ihr ganzes Leben lang immer weiter wachsen und welche nur eine bestimmte Größe erreichen? So wie ich es verstehe, hängt es nicht nur von der Fischart sondern auch von dem Habitat ab. Gibt es aber konkret nachgewiesene Zusammenhänge?

    Danke und viele Grüße,
    Alex

  6. Markus Bühler sagt:

    Das ist eine ziemlich schwere Frage, die sich nicht so pauschal beantworten lässt. Das Habitat kann auf jeden Fall einen sehr großen Einfluss haben. In manchen Habitaten, etwa sehr nahrungsarmen Bächen kann eine Forelle unter Umständen über viele Jahre kaum wachsen, während sie in einem nahrungsreichen Bergsee zu einer massigen Seeforelle heranwächst, welche auch viel länger noch an Größe zunimmt.

  7. Niqel sagt:

    Sicher ist das Habitat für die Größe eines Fisches verantwortlich. Auch wie viel Nahrung ihm zur Verfügung steht. Bei der Forelle zum Beispiel gibt es die Steinforelle. Sie hat im Gegensatz zu ihrem Körper einen relativ großen Kopf. Sie hören ab einer bestimmten Größe auf zu wachsen, weil sie einfach zu wenig Nahrung haben.

  8. Markus Bühler sagt:

    Das kann man so nicht unbedingt pauschal sagen. Bachforellen zeigen eine ganz extreme phänotypische Plastizität und können sich ja auch in See-und Meerforellen entwickeln wenn sie entsprechend frühzeitig umgesetzt werden. Aber nicht jede Art ist dermaßen variabel. Natürlich ist aber die Nahrung ein sehr wichtiger Faktor, aber selbst dann ist das Wachstum natürlich nicht unbegrenzt steigerbar.

  9. Christian sagt:

    Meines Wissens nach ist Nessie schon widerlegt worden. Zudem sind Sichtungen, von schwanenhalsähnlichen Hälsen außerhalb des Wassers gesehen worden. Das spricht gegen einen Aal. Vielmehr könnte es an einer optischen Täuschung liegen, oder nicht?

    VG
    Christian

  10. Markus Bühler sagt:

    Bei Nessie handelt es sich nicht um ein Wesen im eigentlichen Sinne, sondern um ein multikausales Phänomen. Da spielt eine ganze Menge mit hinein, von echten Tieren wie Fischen, Wasservögeln, Robben oder vielleicht auch sogar schwimmenden Hirschen über ungewöhnliche Wellenformationen, Fälschungen und Wunschdenken. Das erklärt auch warum es so viele unterschiedliche angeliche Sichtungen gibt.

  11. Vom Angler sagt:

    Selbst wenn das so wäre, dann müsste früher oder später doch irgendjemand so einen Aal fangen. Also meiner Meinung nach sind auch Aale beschränkt, was das Wachstum angeht.
    Trotzdem finde ich die Hypothese an sich sehr interessant.
    Viele Grüße vom Angler

  12. Markus Bühler sagt:

    Natürlich ist auch das Wachstum von Aalen beschränkt, wie auch bei allen anderen Tieren auch. Leider hält sich selbst heute noch aber immer noch bei vielen Leuten der Irrglabuen dass Fische theoretisch zu allen möglichen Größen wachsen könnten, wenn sie nur alt genug würden.

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