Heute gibt es nicht das Bild eines einzelnen Vogelschädels, sondern gleich mehrerer, und dazu noch ein ganzes Skelett und einzelne Knochen und Eier. Zudem handelt es sich um einen in vieler Hinsicht ziemlich ungewöhnlichen Vogel, der gleich mehrere Rekorde hält, nämlich der Afrikanische Strauß Struthio camelus.
Zuerst der Schädel eines Straußes, welcher im Museum Schloss Rosenstein in Stuttgart ausgestellt ist:
Hier ist noch eine komplett laterale Ansicht eines halben Straußenschädels, aus der Zoologischen Schausammlung Heidelberg:
Man sieht auf diesen beiden Photos vor allem zwei Dinge sehr gut, nämlich die sowohl in absoluter als auch in relativer Größe riesigen Augenhöhlen des Schädels sowie der erstaunlich fragil gebaute Schnabel.
Die nächsten Photos zeigen ein Straußenskelett welches im zoologischen und tiermedizinischen Museum in Hohenheim ausgestellt ist:
Interessant sind auch die anderen Skelette sowie die augestellten Eier. Das Ei ganz links ist von einem Nandu, das in der Mitte vom Strauß, das braune rechts von einem Kasuar und das ganz große hinten rechts ein Modell eines madagassischen Elephantenvogels (Aepyornis maximus), zu dem mehr in einem der nächsten Beiträge). Paradoxerweise legt der Strauß zwar einerseits die größten Eier unter allen lebenden Vögeln, aber im Verhältnis zu seiner eigenen Körpermasse sind es die kleinsten. Das Skelett vorne rechts war leider nicht beschriftet, aber es sieht aus als könnte es ein Sattelstorch gewesen sein.
Der Strauß ist ja bekanntermaßen flugunfähig, dennoch sind seine Flügel erstaunlich lang, und vor allem der Humerus sehr gut ausgebildet, wenngleich auch recht dünn.
Strauße benutzen ihre Flügel unter anderem zur Balance beim Rennen, außerdem kommen bei den Männchen die großen Schmuckfedern an den flugunfähigen Schwingen bei der Balz zum Einsatz.
Was man leider nicht mehr sieht, sind die Fingerkrallen. Tatsächlich besitzen eine ganze Reihe von Vögel kleinen dünne Krallen an ein oder zwei ihrer Fingerspitzen, der Strauß sogar an allen drei Fingern. Allerdings scheinen diese mit Horn überzogenen Spitzen beim vorliegenden Skelettpräparat gar nicht erst miteingebaut worden zu sein.
Ein weiteres sehr ungewöhnliches anatomisches Merkmal des Afrikanischen Strauß sind die hufartigen Füße. Als einziger unter allen Vögeln sind sie die ursprünglich vier vorhandenen Zehen zu nur noch zwei Zehen reduziert.
Ein weiteres sehr schönes und lehrreiches Exponat in Hohenheim ist dieser Oberschenkelknochen von einem Strauß, welcher der Länge nach durchgeschnitten ist:
Wenn man noch einmal kurz hochscrollt, und sich diesen Knochen innerhalb des Skelettes ansieht, erkennt man dass er sowohl in seiner Größe, als auch in seinen Proportionen einem Oberschenkelknochen von einem Rind nicht wirklich nachsteht. Doch der Schein trügt, denn trotz des massiven Aussehens, ist der Knochen größtenteils hohl, und die Compacta an der Außenseite nur sehr dünn, während die schwammartig aufgebaute Spongiosa das Hauptvolumen ausmacht.
Das nächste Photo ist leider nicht sehr gut geworden, da ich durch eine Scheibe photographieren musste. Es stammt ebenfalls aus der Zoologischen Schausammlung in Heidelberg, und zeigt oben das Brustbein einer Hausgans, und unten das Brustbein eines Strauß. Für sich genommen ist dies vielleicht der merkwürdigste Knochen im ganzen Straußenskelett. Irgendwie erinner er mich in seiner Form sehr an die Schädel bestimmter Meiolaniiden, großer bis sehr großen Landschildkröten mit Hörnern und Keulenschwänzen, deren letzte Vertreter auch erst zu Beginn des ersten Jahrtausends ausstarben.
Der Kiel den man sowohl beim Gänsesternum als auch bei jedem Grillhähnen während des Zerlegens sehr gut sehen kann, und der Flugmuskulatur als einer der wichtigsten Ansätze dient, ist wie man sieht komplett zurück gebildet.
Eigentlich sollte dies nur ein kurzes Bild des Tages werden, allerdings hat der Beitrag eine gewisse Eigendynamik entwickelt, und ist jetzt doch deutlich länger geworden als geplant.
Die Fotos sind wirklich sehr aufschlussreich – und gut kommentiert!
Schon seit langem frage ich mich jedoch, ob der Kiel am Brustbein bei den „flachbrüstigen“ Straußen überhaupt „zurückgebildet“ ist (wie allgemein nachzulesen) – oder ob er überhaupt NIE ausgebildet wurde? (Es sind ja keine auffälligen atavistischen Relikte erkennbar.) Könnten Strauße etwa die direkten Nachfahren der Straußensaurier (Hypsilophodonten o.Ä.) sein, d.h. ohne „Umweg“ über den Archaeopteryx? Was sagen da die paläontologischen oder molekulargenetischen Befunde …? (Es ist ja sogar strittig, wie eng Strauße etwa mit Nandus und gewissen fossilen Formen verwandt sind)
Dass Strauße definitiv echte Vögel und keine „Para-Vögel“ sind, steht außer Frage. Zunächst einmal sind Hypsilophodonten ja nicht einmal „Straußensaurier“ gewesen, ja noch nicht einmal Saurischier, insofern waren diese meilenweit von jeglicher Vogelverwandtschaft entfernt. Auch die echten Straußensaurier wie Gallimimus waren immer noch vom Strauß ziemlich verschieden, so dass kein Grund besteht anzunehmen dass die Straußenvögel in irgendeiner Weise mit ihnen näher verwandt sind. Zwar stellen die Ratiden einen Zweig dar der sich sehr früh von den anderen modernen Vögeln abgespalten haben, aber so groß sind ihre anatomischen Unterschiede dann doch nicht dass man bei ihnen einen völlig anderen Ursprung annehmen kann. In Anbetracht der Tatsache dass die Vorfahren des Straußes mit größter Wahrscheinlichkeit schon sehr, sehr lange komplett flugunfähig sind, verwundert es auch nicht dass man bei ihnen keinen Kiel mehr am Sternum findet.