In Tierdokumentationen und den meisten Büchern wird über Löwen in der Regel ein ziemlich stereotypisches Verhalten propagiert, nämlich dass er in Rudeln lebt, die vor allem aus Weibchen und ihren Jungen bestehen, und von ein oder zwei männlichen „Paschas“ dominiert wird, welche nicht selbst jagen, sondern von den Tieren fressen, die die Weibchen erlegt haben. In aller Regel stimmt das auch mehr oder weniger, aber Löwen sind weitaus anpassungsfähiger in Bezug auf ihre Lebensweise, sowohl in Hinsicht auf ihre Jagdstrategien und bevorzugten Beutetiere, als auch auf ihr Sozialverhalten, als allgemein bekannt ist. In der Regel besteht die Nahrung der meisten Löwenrudel aus mittelgroßen und relativ einfach zu tötenden Huftieren wie Gnus oder Zebras. Es gibt aber auch eine ganze Reihe von Rudeln, die sich auf deutlich wehrhaftere und größere Beutetiere spezialisiert haben. In manchen Gegenden werden etwa bevorzugt Kaffernbüffel gejagt, in anderen Giraffen-Bullen. Im Tsavuti haben sich sogar Löwenrudel darauf spezialisiert ausgewachsene (!) Elefanten zu töten. Oft geht eine solche Adaption an solche Beutetiere mit einer Veränderung der Sozialstruktur einher.
Besonders interessant sind hier bestimmte Löwenrudel im Virunga-Nationalpark in Zaire. In diesem Gebiet gibt es weder Zebras noch Gnus, und die kleineren solitär lebenden Gazellenarten sind keine lohnende Beutetiere für die Löwen. Dafür kommen dort große Mengen an Kaffernbüffeln und Flusspferden vor. Um dort also überleben zu können, mußten sich die Löwen den dortigen Gegebenheiten anpassen. Einige Rudel spezialisierten sich auf die Kaffernbüffel, während andere bevorzugt Flusspferde jagen. Der bekannte Naturbuchautor Vitus Dröscher schilder in seinem Buch „Die Welt in der die Tiere leben“ eindrucksvoll eine selbst beobachtete Flusspferd-Jagd im Virunga. Schon das Rudel an sich war sehr ungewöhnlich, sowohl in seiner Zusammensetzung, als auch in seinem Verhalten. Es bestand aus fünf ziemlich großen Männchen, und einem einzelnen Weibchen, dass sich allerdings bei der Jagd nicht beteiligte. Dass diese Löwen sich überhaupt an ausgewachsene Flusspferde herantrauen, ist schon beachtlich, denn diese Tiere gehören zu den größten Landtieren überhaupt, und erreichen oft Gewichte von mehr als zwei Tonnen. Zudem sind sie alles andere als ungefährlich, und jedes Jahr fallen wütenden Flusspferden eine große Anzahl von Menschen zum Opfer, und auch gegen andere Tiere zeigen sie zuweilen sehr aggressives Verhalten. Auch gegen Räuber wie etwa Krokodile wissen sie sich in der Regel mit ihren riesigen Hauern sehr gut zur Wehr zu setzen. Nur an Land sind sie für die Löwen überhaupt angreifbar. Normalerweise verhalten sich Löwen bei der Jagd extrem ruhig um ihre Beute nicht zu verjagen, diese Löwen brüllten dagegen in Angesicht iher Beute laut herum, möglicherweise um das Flusspferd einzuschüchtern. Der Angriff erfolgte zuerst durch zwei Löwen von hinten, die sich in die Hinterbeine ihres Opfers verbissen, was sie dreimal wiederholten, bis das Flußpferd seine Hinterbeine nicht mehr aufrecht halten konnte, und sein Hinterteil herabsackte. Daraufhin sprangen es die drei anderen Löwen-männchen mit der geballten Masse von über einer halben Tonne von der Seite her an und warfen es um, woraufhin es mit einem Kehlbiss getötet wurde.
Eine solche Jagd ist natürlich weitaus gefährlicher als kleinere Zebras oder Gnus zu jagen, auf der anderen Hand sichert hier eine einzige erfolgreiche Jagd auf mehrere Tage hinaus eine ausreichende Fleischversorgung. Da männliche Löwen deutlich größer und stärker sind als Löwinnen, konnte sich hier eine auf relativ brachialer Gewalt basierende Jagdstrategie auf verhältnissmäßig riesige und gefährliche Beutetiere entwickeln, die für ein normales aus weiblichen Löwen bestehendes Rudel wahrscheinlich kaum bezwingbar wäre. Die Flusspferd-Killer müssen weder besonders schnell noch besonders leise sein, wichtig ist vor allem dass sie genug Kraft besitzen, um ihre langsame Beute auf den Boden bringen zu können, wo sie dann getötet werden kann. Insofern ist es auch nicht verwunderlich, dass solches Verhalten die Selektion besonders großer und starker, aber sozial kompetenter Löwen fördert. Andererseits führt dies zu einer massiven Umverteilung des Geschlechterverhältnisses, da auf diese Männchen-starken Rudel nur ein oder zwei Weibchen kommen, deren Zweck lediglich im Austragen und Aufziehen der Jungen liegt.
Das ist nur eine von mehreren ungewöhnlichen Lebensweisen bei Löwen, und zeigt auch gut wie Tiere in der Lage sind, ihr Verhalten den gegebenen Umständen entsprechend anzupassen, und dass oftmals propagiertes stereotypes Verhalten in der Natur ganz anders aussehen kann.
Irgendwann wollte ich auch mal über die Elefanten-jagenden Tsavuti-Löwen und über einige skurrile Entwicklungen bei der Jagd auf Kaffernbüffel schreiben.
Quelle: Vitus. B. Dröscher „Die Welt in der die Tiere leben – Meine Expeditionen auf sechs Kontinenten“ Rasch und Röhring-Verlag 1991
Kenne den Artikel von Dröscher. Habe aber meine Zweifel, ob er wirklich Zeuge der Jagd war. Allein die Beschreibung des Rudels, fast nur Männchen, glaube ich nicht.
Die Elefanten jagenden Savuti-Löwen haben die Struktur, wie andere Löwenrudel auch, detto die auf Kaffernbüffel spezialiserten. Mit der Anpassung an das Beuteangebot hast du recht, an Jagdtechniken gibt es auch einiges an Vielfalt, nicht jedoch im Grundmuster der Sozialstruktur.
Weiterer Zweifel an Dröschers Darstellung: Von den Hippos jagenden Virunga-Löwen gibt es keine Filme, von den Savuti-Löwen schon einige sehr gute.