Heute möchte ich etwas über den Mastodonsaurus schreiben. Dieser gewaltige Panzerlurch war eines der spektakulärsten Amphibien aller Zeiten, mit Ausmaßen, welche man sich für ein Tier dessen nächste lebende Verwandte etwa Frösche oder Molche wären, kaum noch vorstellen kann. Gemeinhin wird Mastodonsaurus als das größte Amphibium bezeichnet, das je gelebt hat. Es gibt allerdings Hinweise darauf, dass manche Arten noch deutlich größer wurden, etwa der langschnäuzige Prionosuchus plummeri dessen Fossilien man aus Brasilien kennt, und der eventuell sogar Längen von 9m erreichte. Aber unabhängig davon, ob es noch größere Amphibien gab oder nicht, Mastodonsaurus war in jedem Fall ein Gigant.
Mastodonsaurus ist vor allem aus dem deutschen Raum durch eine Reihe extrem gut erhaltenenr Fossilien bekannt, die teilweise fast vollständig sind. Selbst Fossilien von Mastodonsaurus-Larven sind bekannt. Mastodonsaurus giganteus erreichte eine Länge von mindestens 6m, fragmentarische Funde lassen aber sogar auf Tiere von 7m Länge schließen. Damit war Mastodonsaurus giganteus mindestens so lang wie die größten heutigen Krokodile. Da diese Tiere insgesamt aber etwas kompakter waren als Krokodile, dürften sie noch deutlich schwerer geworden sein, und Gewichte von mehr als 2 Tonnen erscheinen für die größten Exemplare keineswegs unrealistisch. Noch eine andere Eigenschaft verband Mastodonsaurus mit diesen heutigen größten fleischfressenden Räubern des Süßwassers: Er hatte Knochenplatten unter der Haut, ähnlich den Panzerechsen. Eine solche Knochenplatte kann man hier sehen (das Photo stammt aus dem Naturhistorischen Museum in Wien):
Das von Burian stammende Rekonstruktionsbild zeigt die alte Vorstellung, dass diese Tiere eine sehr kompakten Körper, und einen extrem kurzen Schwanz hatten, eine Ansicht, die sich über viele Jahrzehnte gehalten hat. Neurere Rekonstruktionen zeigen aber, dass Mastodonsaurus sehr wohl einen gut entwickelten Schwanz hatte, und weniger kröten-als viel eher krokodilsgestaltig war.
So wurde auch etwa dieses, an sich sehr schöne Modell im Stuttgarter Museum am Löwentor mit einem überaus kurzem Körper und Schwanz rekonstruiert:
Mir war diese Darstellung schon seit jeher etwas seltsam vorgekommen, denn ein solches Tier hätte sich kaum effektiv fortbewegen können. Die Beine sind ziemlich schwach, und hätten beim Schwimmen keine große Hilfe geleistet, und ein derartig kurzer Schwanz hätte gar keinen Nutzen bei der Fortbewegung gehabt. Folglich hätte ein derartig proportioniertes Wesen darauf warten müssen, dass ihm seine Beutetiere schon beinahe ins Maul geschwommen wären. Vor allem hätte auch eine Möglichkeit gefehlt, zumindest eine kurze Entfernung schnell zurücklegen zu können, wie es etwa Krokodile machen, wenn sie sich mit ihrem kräftigen Schwanz mehrere Meter hervorschnellen. Das in der aktuellen Ausstellung gezeigt Skelett, welches in extrem aufwendiger Arbeit mit Hilfe von per Hand aus Kupfer getriebenen Knochen rekonstruiert wurde, zeigt die tatsächlichen Proportionen dieses Tieres, welches nun deutlich krokodilähnlicher wirkt. Das Skelett darunter gehört übrigens Batrachotomus:
Das ganz oben zu sehende Bild zeigt eine Lebendrekonstruktion, welche auf diesen neuen Ergebnissen basiert, was man bei dieser Ansicht aber nicht sehen kann. Zugegebenerweise finde ich die Farbgebung etwas unstimming, zwar findet sich fast die gleiche Farbkombination bei Marmormolchen, aber irgendwie finde ich dass sie bei einem Tier wie Mastodonsaurus fehl am Platz wirkt. Naja, das ist eben die künsterlische Freiheit, und des ist ja nicht meine Rekonstruktion. Interessant wäre auch zu wissen, ob sich die Panzerplatten unter der Haut abhoben, oder ob sie praktisch versteckt unter der Haut waren.
Mastodonsaurier waren Raubtiere, welche anderen Wirbeltieren nachstellten, vermutlich in ähnlicher Manier wie heutige Krokodile. Allerdings unterscheidet sich ihre Bezahnung beinahe grundlegend. Während Krokodile eine relativ geringe Variationsbreite von Zahngrößen besitzen, waren bei Mastodonsaurus zwei völlig unterschiedliche Zahnformen vorhanden. Der Großteil der Kiefer wurden von sehr kleinen Zähnen gesäumt, welche Ähnlchkeiten zu jenen heutiger Amphibien oder auch vieler Fische habe. Zusätzlich hatten sie aber auch drei Paar riesige Fangzähne, jeweils zwei im Ober-und eines im Unterkiefer. Die Fangzähne im Unterkiefer waren so lang, dass sie selbst bei geschlossenen Maul durch Löcher in der Schnauze nach außen ragten. Zweifellos waren diese Zähne außerst effektiv um große Beutetiere festzuhalten. Bei den größten Exemplaren konnten diese Fangzähne gut 15cm lang werden. Von diesen Zähnen leitet sich auch der Name der Tiere ab, denn Mastodonsaurus bedeutet „Zitzenzahnechse“, wobei hier der Begriff Echse natürlich völlig fehl am Platz ist. Im Querschnitt weisen diese Zähne eine äußerst ungewöhnliche Fältelung auf, welche unter anderem von Quastenflossern bekannt ist.
Einen etwas besseren Einblick in die Bezahnung bekommt man auf diesem Photo eines Mastodonsaurus-Schädels:
Gut erkennbar sind auch die mächtigen Kiefer, welche bis zu 90° aufgerissen werden konnten, und stark genug waren, um selbst bei größeren Beuteieren deutliche Spuren an den Knochen zu hinterlassen. Man kennt Zahnabdrücke an Knochen von Plagiosauriern, welche etwa 70cm lang wurden, aber auch von landbewohndenden Thekodontiern, welche bis zu 5m lang wurden. Allerdings ist mir hier nicht bekannt, wie groß die Exemplare waren, an denen die Spuren gefunden wurden. Interessant ist auch, dass diese verheilt waren, was bedeutet, dass sie von Mastodonsaurus in Krokodilmanier angegriffen worden sein müssen, und nicht etwa nur an einem im Wasser treibenden Kadaver herumgefressen haben. Man kennt sogar Bissabdrücke dieser Tiere an anderen Mastodonsauriern, was bedeutet, dass es sich wahrscheinlich um nicht gerade sonderlich umgängliche Wesen gehandelt hat.
Mastodonsaurus verbrachte mit Sicherheit den größten Teil seines Lebens im Wasser, worauf auch die Rinnen am Schädel deuten, welche einst nur im Wasser wirksame Seitenlinienorgane beherbergten. Allerdings sind auch Spuren bekannt, welche diese riesigen Panzerlurche an Land hinterlassen haben müssen, und zeigen, dass sie sich dort nur sehr schwerfällig fortbewegten.
Wer sich für dieses und ähnliche Themen interessiert, dem seien noch zwei Bücher ans Herz gelegt:
Rainer Schoch: Saurier – Expedition in die Urzeit
Ernst Probst: Deutschland in der Urzeit – Von der Entstehung des Lebens bis zum Ende der Eiszeit
Beide Bücher behandeln vor allem Funde aus dem süddeutschen Raum, von denen auch viele in der Dauerausstellung des Stuttgarter Museums am Löwentor bestaunt werden können, aber es werden auch eine ganze Reihe von anderen Funden abgedeckt. Das Buch von Ernst Probst ist schon etwas älter, und enthält ein paar wenige Fehler, etwa ein noch froschartige Darstellung des Mastodonsaurus. Das Buch von Rainer Schoch ist auf dem neuesten Stand der Wissenschaft, und geht auch sehr detailliert auf die Evolution und Biologie der Dinosaurier ein, mit vielen Details und Entdeckungen, die ich bisher nur aus Internet und Fernsehen kenne, aber bisher noch nicht aus der Populärliteratur. Es enthält auch haufenweise Farbphotos der Rekonstruktionen, welche für die Sonderausstellung „Saurier – Erfolgsmodelle der Evolution“ hergestellt wurden. Wer sich für Urzeit interessiert, sollte sich dieses Buch unbedingt kaufen.
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Ganz schöner Artikel, allerdings hätte ich gerne erfahren, wann genau diese Amphibie überhaupt gelebt hat. Sonst sehr gut.
Mastodonsaurus lebte in der Trias, also in einem Zeitraum von vor etwa 200 bis 250 Millionen Jahren. Auf wann genau die jüngsten und ältesten Funde datiert wurden, kann ich aber leider auch nicht sagen.
War Mastodonsaurus ein Lauerjäger oder jagte er seine Beute auf andere Weise?
Das lässt sich so nicht wirklich beantworten, sondern lediglich Vermutungen aufstellen. Es ist allerdings gut möglich dass er sich ähnlich wie viele heutige Amphibien oder auch Krokodile teilweise an Beutetiere herangepirscht hat. Andererseits kann es genauso gut sein dass Mastodonsaurier teilweise erspähte Beutetiere auch in kurzen Spurts durchs Wasser über kurze Entfernungen auch aktiv gejagt haben.