Eigentlich sollte jetzt ein Teil über einige andere Archaeoceti folgen, aber ich habe mich kurzfristig entschieden, vorher doch noch einmal im Speziellen auf Makaracetus bidens einzugehen. Ich habe bereits vor Jahren hier über Makaracetus geschrieben, wollte aber, da ich diese Art vor kurzem nochmals ausführlich mit meinem Freund Cameron McCormick diskutiert habe, doch noch einmal einen kurzen Blogpost widmen. Zunächst einmal noch ein paar kurze Vorbemerkungen. Makaracetus wurde 2005 anhand von Fossilien beschrieben, welche aus der frühe Mitte des Eozäns Pakistans stammten, aus einem Gebiet das einstmals an der Küste des Tethys-Meeres lag. Leider hat man außer dem Schädel nur sehr fragmentische Reste des restlichen Körper gefunden, so dass man schwer sagen kann inwieweit er noch amphibisch oder möglicherweise schon vollaquatisch gewesen ist.
Aufgrund der besonderen Merkmale des Schädels ging man teilweise davon aus, dass Makaracetus eine Art kurzen Rüssel hatte. Doch hatte er das wirklich? Letztendlich wird man es niemals erfahren wie dieser bizarre Archaeocet zu Lebzeiten ausgesehen hat. Zweifellos hatte Makaracetus eine ungewöhnliche Schnauze, und sicherlich weitaus mehr Weichgewebe als verwandte Arten. Ein großes Problem ist, dass man selbst bei den heutigen Tieren aufgrund der Schädelform kaum sagen kann, ob sie so etwas wie einen Rüssel haben oder nicht, beziehungsweise wie groß er ist, oder wie er aussieht. Wirklich viele Tiere mit Rüsseln gibt es ohnehin nicht, Elefanten sind die einzigen die einen echten Rüssel haben, daneben gibt es noch Arten wie Tapire, die ebenfalls einen recht gut entwickelten kurzen Rüssel haben, sowie eine Reihe von anderen Arten wie Saigas, Dik-diks und andere, welche ebenfalls so etwas wie einen (sehr) kurzen Rüssel haben. Dann gibt es noch Arten mit sehr fleischigen Nasenregionen, wie etwa Elche, oder auch schwer definierbare Entwicklungen wie man sie bei Seeelefanten oder Klappmützen findet. Dabei finden sich ganz verschiedene Schädel-und Nasenformen, und es lässt sich so gut wie kein klarer Zusammenhang zwischen Form und Ausbildung des einen mit dem anderen zu erkennen.
Makaracetus hatte große Nervkanäle und Ansätze für Muskeln die ein Organ im Schnauzenbereich bewegten, doch dies muss nicht unbedingt ein Rüssel gewesen sein. Es könnten auch sehr stark ausgebildete fleischige Lippen gewesen sein, nicht ganz unähnlich jenen von Seekühen oder Walrossen. Mein Freund Cameron McCormich hat vor einiger Zeit eine Rekonstruktionszeichnung angefertigt (tatsächlich eine der allerersten überhaupt), welche nicht von einem Rüssel ausgeht, sondern eher von sehr muskulösen dicken Lippen, ähnlich wie bei Seekühen. Interessanterweise haben auch unter den modernen Walen einige sehr dicke und bewegliche Lippen, nämlich die Belugas, welche ebenfalls größtenteils am Boden ihre Beutetiere finden. Ähnlich wie bei Manatis hat Cameron die Lippen mit kurzen steifen Borsten dargestellt. Das ist zwar bloße Spekulation, aber durchaus gut vorstellbar.
Ich habe zum Vergleich noch einmal ein paar andere Schädel moderner Tiere mit mehr oder auch weniger stark vergrößerten „Nasen“ oder Lippen in den Artikel eingebracht, welche sowohl am Schädel als auch am lebenden Tier sehr unterschiedlich sein können. Hier etwa der Schädel einer Klappmütze (aus dem Rosenstein-Museum Stuttgart):
Bei diesem ebenfalls im Rosenstein-Museum ausgestellten Seeelefantenschädel sieht man ebenso wie bei der Klappmütze dass die Nasenhöhle nach hinten verlängert ist, um entsprechenden Platz für das aufblähbare Nasenorgan zu bieten. Bislang kennt man nur einen einzigen Schädel von Makaracetus, daher ist es kaum zu sagen, ob ihre seltsame Schnauzenregion vielleicht wie bei Seeelefanten und Klappmützen möglicherweise nur bei Männchen ausgeprägt war, und vielleicht gar nichts mit der Nahrungssuche zu tun hatte.
Ein weiterer schöner Schädel aus dem Rosensteinmuseum, hier eines Manatis. Diese Seekühe haben extrem vergrößerte und komplexe Lippen um Pflanzen abzuweiden, und auch bei ihnen lassen sich einige Parallelen zum Schädel von Makaracetus erkennen.
Schweine haben seitlich am Schädel Einbuchtungen an denen Muskeln für die Bewegung der Schnauzenspitze sitzen, welche den Muskelansatzstellen am Schädel von Makaracetus sehr ähnlich sehen, doch der Rest der Schnauzenregion ist völlig verschieden. Man kann die Einbuchtungen hier sehr gut im mittleren Drittel dieses Wildschweinschädels aus dem Rosenstein-Museum Stuttgart sehen, zwischen der Augenhähle und dem großen Foramen infraorbitale auf der linken Seite.
Zuletzt noch ein Schädel der in den Proportionen seiner Nasenregion womöglich noch am nächsten an den von Makaracetus kommt, nämlich der eines Elches. Interessanterweise ist bei diesem das Nasenbein sogar noch erheblich weiter nach hinten versetzt als bei Makaracetus. Leider habe ich kein gutes Photo welche einen Elchschädel in Seitenansicht zeigt, daher eine Frontalaufnahme eines Schädels aus der Zoologischen Schausammlung Tübingen:
Weiteres speziell über die problematische Rekonstruktion von Makaracetus findet man auf Biological Marginalia, dem neuen Blog von Cameron, hier und hier .