Die letzten Beiträge haben ja praktisch ausnahmslos von Meeressäugern gehandelt, und um etwas Abwechslung in den Blog zu bringen, gibt es nun eine neue Reihe. Diese soll sich um einige – leider völlig zu Unrecht – beinahe unbekannte fossile Riesenfische drehen. Aus irgendeinem Grund bekommen fossile Fische so gut wie keine Aufmerktsamkeit, abgesehen von ein paar ganz wenigen Arten wie Megalodon, Dunkleosteus und vielleicht noch Xiphactinus. Dabei gab es so viele spektakuläre Arten von riesigen und bizarren Fischen, die allemal mit Dinosauriern und anderen bekannteren prähistorischen Arten mithalten können.
Häufig ist es ziemlich schwierig überhaupt genügend Informationen oder auch vor allem Bildmaterial zu diesen Fischen zu bekommen, aber glücklicherweise habe ich doch noch einiges zusammengekriegt. Nicht selten findet man auch in paläontologischen Museen die partiellen Fossilien von Riesenfischen, wenngleich diese nur in den seltensten Fällen viel Aufmerksamkeit bekommen. Ein Grund mehr diesen faszinierenden Tieren etwas mehr Beachtung zu schenken, zumindest hier auf dem Blog.
Den Einstieg in die Reihe macht eine ganz besonders obskure Art, der Riesenflösselhecht Bawitius, den man in der oberkreidezeitlichen Bahariya-Formation Ägyptens fand. Diese Art bewohnte ein Süßwasserökosystem in dem nicht nur verschiedene andere extrem große Süßwasserfische lebten, sondern auch bizarre Krokodile wie das planktivore Riesenkrokodil Stomatosuchus oder der riesige fischfressende Spinosaurus. Leider habe ich nur sehr wenige Informationen über Bawitius, aber dank Joschua Knüppe (dessen DeviantArt-Seite ich wirklich nur sehr empfehlen kann) habe ich eine sehr schöne Lebendrekonstruktion, vermutlich sogar die erste überhaupt. Vielen Dank an dieser Stelle an Joschua, der kurzfristig noch das Bild angefertigt hat.
Bawitius war ein sehr großer Fisch, wobei die bekannten Fossilien des Holotypus etwa fünfmal so groß waren, wie von modernen Flösselhechten, was darauf hindeutet dass sie deutlich über zwei Meter groß werden konnten, möglicherweise sogar bis um die drei Meter. Damit erreichte er ähnliche Ausmaße wie der Arapaima (der ja entgegen immerwieder fälschlicherweise vorgebrachten Behauptungen keine 4,5 m lang wird, sondern „nur“ Rekordlängen von etwa 3 m), und war sicherlich auch einer der wichtigsten Unterwasserräuber in seinem Lebensraum. Dennoch ist es ziemlich wahrscheinlich dass selbst ein Gigant wie Bawitius noch von anderen Räubern wie Spinosaurus und vermutlich auch großen Krokodilen wie Sarcosuchus gejagt wurde, möglicherweise war die Existenz einer diversen Fauna von extrem großen Süßwasserfischen überhaupt erst der Grund warum sich diese Apexprädatoren überhaupt entwickeln konnten. Aufgrund bestimmter Merkmale seiner Schuppen und Flossen wurde Bawitius übrigens eine eigene Gattung innerhalb der Flösselhechte verliehen.
Die Flösselhechte sind heute noch mit mehreren Arten auf dem afrikanischen Kontinent verbreitet, allerdings kommen sie mit Längen zwischen 30 cm und einem Meter nicht einmal mehr annäherungsweise an die Größe von Bawitius heran. Dennoch sind es ausgesprochen faszinierende Fische, die eine ganze Reihe höchst ungewöhnlicher und ursprünglicher Merkmale aufweisen. So können Flösselhechte ähnlich wie Lungenfische mit ihrer paarigen Lunge atmosphärische Luft atmen, und dadurch auch in stark sauerstoffarmen Wasser überleben. Ebenfalls an Lungenfische, vor allem die Australischen Lungenfische, erinnern die Brustflossen, welche fleischige muskulöse Basen aufweisen, beinahe wie kurze Stummelbeine. Ganz ähnlich wie Lungenfische benutzen sie diese auch um auf dem Gewässergrund oder zwischen Wasserpflanzen zu „laufen“. Gelegentlich bekommt man Flösselhechte im Zoohandel oder natürlich auch in Zoos zu sehen, und es ist wirklich sehr interessant sie eine Zeitlang zu beobachten. Ich kann mich nie ganz des Eindrucks verwehren, kleine Miniquastenflosser vor mir zu haben. Hier sieht man ein Photo von Polypterus endlicheri endlicheri von Wikipedia:
Auf dem nächsten Photo von Polypterus weeksii (ebenfalls von Wikipedia), kann man nicht nur sehr gut die fleischigen Ansätze der Brustflossen erkennen, sondern auch die besondere Anordnung der Schuppen. Diese laufen rautenförmig in schräger Anordnung um den Leib, ähnlich wie bei Knochenhechten. Wie diese besitzen auch Flösselhechte Ganoidschuppen, welche von einer zahnschmelzartigen Schicht überzogen sind, und eine sehr starke, aber durch die besondere Anordnung der Schuppen auch noch recht flexible Panzerung bilden. Ganoidschuppen finden sich auch bei vielen anderen fossilien Fischen, aber nur bei sehr wenigen lebenden Arten, welche allesamt sehr primitven Linien entstammen, wie etwa dem amerikanischen Schlammfisch Amia calva.
Man darf übrigens aufgrund der muskulösen Brustflossen nicht den Fehlschluss ziehen, diese wäre das namensgebenden Merkmal. Vielmehr sind die multiplen „Flössel“ auf dem Rücken hierfür verantwortlich, welche jeweils aus einem Hauptflossenstrahl und dessen feinen Verästelungen gebildet werden. Damit sind die Besonderheiten der Anatomie der Flösselhechte aber immer noch lange nicht erschöpft. So entspricht ihre assymetrische Schwanzflösse im Aufbau jener von anderen arachischen Fischen wie Knochenhechten, Schlammfischen und verschiedenen ausgestorbenen Linien, und nicht jener der modernen Knochenfische. Hier noch einmal ein Bild von Wikipedia, auf der man gut die ungewöhnliche Anordnung der Schwanzflossenstrahlen sowie der Rückenflössel sieht.
Sehr ungewöhnlich sind auch die äußeren Kiemen der Jungfische, welche ganz ähnlich wie die Kiemen von Molchlarven, oder auch verschiedenen neotenen Amphibienarten wie Axolotln oder Grottenolmen gebaut sind. Interessanterweise finden sich auch hier wieder Ähnlichkeiten zu Lungenfischen, denn auch diese besitzen als Larven und Jungfische gefiederte äußere Kiemen. Zur besseren Darstellung hier noch mal ein Photo eines Jungfisches mit äußeren Kiemen (von Wikipedia):
Neben den schon beschriebenen Merkmalen ähneln die Flösselhecht auch im Aufbau ihres Schädels eher primitiven Tetrapoden als modernen Knochenfischen. Man muss also keineswegs mit einem U-Boot in die Tiefen der Komoren oder vor Sulawesi tauchen um einen Quastenflosser zu sehen, wenn man einen extrem archaischen, andererseits aber auch hochspezialisierten „Urfisch“ sehen möchte. Unter Umständen reicht ein Besuch im nächsten Zoogeschäft.
Quelle:
Bawitius, gen. nov., a Giant Polypterid (Osteichthyes, Actinopterygii) from the Upper Cretaceous Bahariya Formation of Egypt
Barbara S. Grandstaff,*,1 Joshua B. Smith,2 Matthew C. Lamanna,3 Kenneth J. Lacovara,4 and Medhat Said Abdel-Ghani
Sehr schöner und ausführlicher Bericht. Bei dem Bild vom Polypterus weeksi handelt es sich jedoch um einen Polypterus ornatipinnis.
Danke, ist schon geändert 😉
Hallo, wer und wo sieht hier Polypterus ornatipinnis?
Ich sehe da nen P. delhezi. Bitte nicht die Leute verwirren!!!
P. delhezi ist der mit den Kiemen, P. ornatipinnis ist derjenige, der jetzt auch so bezeichnet wird. Ist doch alles korrekt.
Ich wusste gar nicht, dass es jemals so große Flösselhechte gab. Erstaunlich.
Sehr interesanter Artikel! Es ist faszinierend, was einst in unseren Gewässern herumschwamm.