Heute soll es nun um Megaloceros gehen, den sicherlich mit Abständ populärsten ausgestorbenen Hirsch überhaupt. Dass er weder der größte Hirsch aller Zeiten war, noch das proportional zur Körpergröße gewaltigste Geweih hatte, ist ja schon in den letzten zwei Blog-Posts dargelegt worden. Nichtsdestotrotz war Megaloceros ein wirklich äußerst beeindruckendes Tier. Das wird einem am ehesten dann bewußt, wenn man einmal ein Skelett oder eine Lebendrekonstruktion in voller Größe sieht. Diese wirklich wunderschöne Bronzeplastik etwa, welche zusammen mit einigen anderen lebensgroßen Bronzefiguren von lebenden und ausgestorbenen Tieren im Tierpark Berlin zu sehen ist, macht das gut deutlich, zumindest wenn man vor ihr steht:
Hier fehlt nun leider mal wieder ein passender Größenvergleich, aber wenn man bedenkt dass die Schulterhöhe von Megaloceros giganteus bei etwa 2 m gelegen ist, bekommt man eine gewisse Vorstellung von der Größe. Man muss auch dazu sagen, dass diese Bronzeplastik ein wirklich enorm lebendigen Eindruck macht, und wirklich ungemein eindrucksvoll ist. Sie zeigt auch wirklich gut die gewaltige Größe des Geweihs, für welches diese Tiere auch am bekanntesten sind. Relativ oft wird der Riesenhirsch, vor allem im Englischen, auch als „Irischer Elch“ bezeichnet. Das ist natürlich eine ziemlich unglückliche Bezeichnung, welche auch eine völlig falsche Vorstellung dieser Tiere macht. Denn sie waren weder Elche, noch lebten ausschließlich in Irland. Dieser Name rührt vor allem daher, dass in Irland besonders viele und besonders gut erhaltene Reste von Riesenhirschen gefunden wurden, vor allem beim Abbau von Torf, doch das liegt weniger an einer einstmals ganz besonders reichen Population, sondern an günstigen Konservierungs-und Fundbedingungen der Fossilien. Das tatsächliche Verbreitungsgebiet war weitaus größer und umfaßte große Teile Europas bis hin nach Sibirien, China und Nordafrika.
Megaloceros giganteus war nur eine einer ganzen Reihe ähnlicher Arten, welche teilweise recht bizarre Geweihformen hervorbrachten. Bei keiner wurde sie aber so groß wie bei Megaloderos giganteus, bei welchem das Geweih in Ausnahmefällen Spannweiten von mehr als 3,5 m erreichen konnte, bei einem Gewicht von bis zu 40 kg. Wie bereits in den früheren Teilen der Reihe „Bizarre Hirsche“ erwähnt, war dieses Geweih proportional gesehen noch nicht einmal so gewaltig, und im Verhältnis zum Körpergewicht sogar noch deutlich leichter als große Geweihe von Rentieren. Es wird teilweise behauptet, dass die Größe des Geweihs von Megaloceros in direktem Verhältnis zur Körpergröße steht, und das besonders große Hirsche besonders große Geweihe ausbilden. Das ist aber so nicht richtig. Im Verhältnis zur Körpermasse erreicht selbst das Geweih von Alaska-Elchen nur etwa die Hälfte von dem des Megaloceros, bei den europäischen Elchen ist es oft sogar noch weitaus leichter. Dass gerade die im Allgemeinen nicht besonders großen Rentiere die proportional gesehen schwersten Geweihe unter allen bekannten lebenden und ausgestorbenen Hirschen ausbilden, spricht da auch deutlich dagegen. Europäische Rothirsche können Geweihe ausbilden, welche proportional gesehen mehr als 10% schwerer sind, als jene des Megaloceros, wohingegen die Geweihe der nahe verwandten und größeren Wapitis trotz der eindrucksvollen totalen Größe relativ gesehen deutlich hinter ihren kleineren europäischen Verwandten bleiben. Nicht zuletzt variierte unter den Megaloceros-Arten selbst die Geweihgröße beträchtlich. Der japanische Sinomegaceros yabei etwa, welcher fast ebenso groß war wie Megaloceros giganteus, hatte nur etwa halb so lange Geweihstangen, welche auch nur etwa ein Drittel so viel wogen.
Eine weitere Aussage die öfter einmal vorgebracht wird, nämlich dass das Riesengeweih des Megaloceros ausschließlich zum Imponieren gebraucht wurde, und nicht zum Kämpfen, ist höchst unwahrscheinlich. Zwar besaß das Geweih einen relativ hohen Anteil spongiöser, also schwammartig aufgebauter Knochensubstanz und nur relativ dünne Compacta-Anteile an den Außenbereichen, doch war es nichtsdestotrotz sehr stabil und durchaus in der Lage den enormen Kräften standzuhalten, welche bei Kämpfen zwischen Riesenhirschbullen auftraten. Hier noch ein Photo eines der beiden Schädel welche im Berliner Humboldt-Museum ausgestellt sind:
Und hier noch ein Photo des zweiten Schädels, man sieht gut die Unterschiede in der Form des Geweihs:
Aufgrund der vielen Fossilien und einigen erhaltenen Höhlenmalereien sind wir recht gut über das Aussehen des Riesenhirsches informiert. Der nächste lebende Verwandte des Riesenhirsches ist ausgerechnet der nicht besonders große Damhirsch (Dama dama), welcher ein recht helles und durch Muster strukturiertes Fell hat. Höhlenzeichnungen des Riesenhirsches weisen darauf hin, dass auch dieser ein recht helles Fell hatte, mit einem dunklen Streifen auf dem Rücken, einer größeren dunklen Stelle im Bereich der Wirbelfortsätze über den Vorderbeinen und einen hellen Kehlfleck. Höhlenzeichnungen zeigen den Bereich über den Schulter besonders ausgeprägt, und es ist gut möglich, dass über den dort besonders langen Wirbelausläufern und der daran ansetzenden Muskulatur lokal etwas Fett gespeichert wurde. Ein solches lokales Fettdepot (wenngleich auch in den Ausmaßen keineswegs vergleichbar mit dem von Kamelen und Dromedaren) verhindert eine zu schnelle Überhitzung, besonders im Sommer.
Es gäbe noch weitaus mehr über den Riesenhirsch zu schreiben, etwa darüber dass er unter allen Hirschen am stärksten auf schnelles Rennen angepasst war. Doch das würde jetzt alles doch noch etwas zu weit gehen, darum noch ein paar Worte über das Aussterben dieser Tiere. Megaloceros war eines der wenigen europäischen Eiszeit-Großtiere, welches zumindest lokal noch ins Holozän überlebte. In Schottland und auf der Isle of Man hat man Fossilien von Megaloceros gefunden, welche auf etwa 9000 Jahre datiert wurden. Interessanterweise hatten die Riesenhirsche auf der Isle of Man eine geringere Körpergröße als ihre Festland-Verwandten, aber proportional gesehen sogar noch größere Geweihe. In Westsibirien fanden sich sogar Knochen des Riesenhirsches, welche gerade einmal 7600 Jahre alt waren. Das wirft natürlich wieder Fragen bezüglich der Gründe für das Aussterben aus, und warum sie wann und wo überall nun tatsächlich ausgestorben sind.