Die Kragenhaie der Gattung Chlamydoselachidae sind in vieler Hinsicht bemerkenswert, denn sie zeigen eine ganze Reihe ungewöhnlicher anatomischer Merkmale und gehören einer recht isolierten und schon sehr lange eigenständigen Linie innerhalb der Haie an. Dennoch ist er keineswegs so urtümlich, wie man das teilweise immer noch oftmals lesen kann, und stellt keinen extremen Fall eines „lebenden Fossils“ dar, welches mit Urhaien aus dem Devon wie Cladoselache näher verwandt ist. Vielmehr gehört er wie alle anderen lebenden Haie und Rochen zu den Neoselachiern. Nichtsdestotrotz besitzen sie eine Reihe recht urtümlicher Eigenheiten, und ihre evolutionäre Linie lässt sich bis mindestens in die Kreidezeit zurück verfolgen.
Wass wohl zuallererst auffällt, ist der sehr lange und schlanke Körperbau mit den eng anliegenden Flossen, sowie auch die für Haie sehr ungewöhnliche Kopfform ohne ausgezogene „Nase“, wie man auf dieser schönen Zeichnung von Wikipedia sieht.
Betrachtet man die Kragenhaie noch etwas mehr im Detail, fallen noch viele weitere Merkwürdigkeiten auf. Glücklicherweise hatte ich Ende vorletzten Jahres die Gelegenheit ein Exemplar der Spezies Chlamydoselachus anguineus im Deutschen Jagd-und Fischereimuseum in München in einer Sonderausstellung über Knorpelfische zu sehen.
Auf diesen Bildern sieht man einige ihrer ungewöhnlchen Merkmale etwas besser, besonders die Kiemenschlitze. Die allermeisten Haie haben nur fünf Kiemenschlitze, doch bei den Hexanchiformes, zu denen neben den Kragenhaien auch die Kammzähnerhaie der Gattungen Hexanchus, Notorynchus und Heptranchias zählen, findet man bei der ersten Gattung auch sechs, und bei den beiden letzteren sogar sieben Kiemenschlitze. Bei den Kragenhaien sind die ersten Kiemenschlitze auf der Unterseite sogar miteinander verbunden (Photo von Wikipedia):
Die übrigens Kiemenschlitze sind teilweise immer noch ungewöhnlich weit nach oben und unten reichend, jedoch nicht mehr auf der Unterseite durchgehend.
Besonders interessant sind auch die Zähne der Kragenhaie. Sie sind wie ein Dreizack in jeweils drei lange Spitzen aufgeteilt, und sitzen deutlich voneinander abgesetzt in Reihen hintereinander, wie man besser als auf meinen Photos auf diesem Bild von Wikipedia erkennen kann:
Die Gabelform ist wahrscheinlich eine Anpassung an ihre Beute, welche vor allem aus Kopffüßern besteht, wenngleich auch teilweise verschiedene Tiefseefische ebenfalls gefressen werden. Was mir bei dem Exemplar in München besonders auffiel, war die Anordnung der Hautzähne im Bereich des Mundwinkels. Während sie auf dem restlichen Körper relativ klein sind, finden sich um den hinteren Bereich des Maules deutlich verlängerte und stark vergrößerte Dentikel:
Tatsächlich sind sie sogar von ähnlicher Größe wie die Spitzen der eigentlichen Zähne im Maul, und es scheint beinahe ein fließender Übergang zwischen ihnen zu bestehen, was vermuten lässt, dass sie helfen könnten die Beute festzuhalten. Dass Dentikel der Haut einen Beitrag zum Beutefang leisten könnten, wäre sicherlich ein äußerst bemerkenswertes Phänomen.
Kragenhaie sind auch in fossiler Form bekannt, wobei die ältesten aus dem Eozän Östereichs stammen. Desweiteren kennt man Funde aus dem Miozän Trinidads und dem Pliozän Italiens wie der Art Chlamydoselachus lawleyi. Die für Kragenhaie typische Dreizackform der Zähne sieht man besonders gut an diesem fossilen Zahn von Chlamydoselachus lawleyi: (Von Wikipedia)
Da Kragenhaien normalerweise in Tiefen von etwa 120-1280 m Tiefe leben, gibt es leider nur recht wenige Aufnahmen lebendender Tiere in ihrem natürlichen Lebensraum, wie etwa dieses Photo hier (von Wikipedia):
Allerdings gelangen gelegentlich einzelne Exemplare auch in deutlich flacheres Wasser, oder werden teilweise auch an Tiefsee-Langleinen gefangen. Ein Kragenhai konnte 2007 sogar, wenngleich auch nur für wenige Stunden, in einem Aquarium auf Honshu beobachtet werden.
Ich habe bisher immer bewußt von „Kragenhaien“ im Plural geschrieben, denn tatsächlich gibt es nicht nur eine einzige Art, sondern zwei. Die bekanntere Art Chlamydoselachus anguineus hat dabei ein äußert großes Verbreitungsgebiet (Karte von Wikipedia):
Dagegen hat der Südafrikanische Kragenhai (Chlamydoselachus africana) ein weitaus kleineres Verbreitungsgebiet, welches sich vor allem um die westliche Südspitze Afrikas beschränkt. Diese Art wurde erst 2009 beschrieben, entsprechend findet man sie auch nur in den allerwenigsten Büchern. Mit einer Länge von nur wenig über einem Meter sind sie auch kleiner als ihre etwas größeren Verwandten, bei welchem zumindest die Weibchen bis 2 m lang werden können, und die Männchen immerhin noch bis etwa 1,5 m. Neben der geringeren Größe unterscheidet sich der Südafrikanische Kragenhai auch in anderen Merkmalen von seiner Schwesternart, etwa durch eine geringere Wirbelzahl oder eine geringere Anzahl der Spiralwindungen des Darmes.
Eine weitere Besonderheit der Kragenhaie ist ihre Vermehrung. Wie viele andere Haie auch, bekommen die Weibchen lebende Junge, welche bereits im Körper der Weibchen aus Eiern schlüpfen, und dann in der Gebärmutter verweilen, bis sie weit genug entwickelt sind. Dies dauert aber ungewöhnlich lange, nämlich zwei Jahre, möglicherweise sogar bis zu dreieinhalb Jahren. Ähnlich lange Entwicklungszeiten findet man allerdings auch bei Alpensalamandern (Salamandra atra), womit die Kragenhaie in dieser Eigenschaft nicht ganz so isoliert stehen.
Abschließend sei noch zu bemerken, dass selbst so bizarre und scheinbar besonders urtümliche Wesen wie die Kragenhaie keineswegs so kryptisch sein müssen, dass sie sich jedweder Entdeckung und Erforschung entziehen müssen, selbst in Anbetracht der Tatsache dass sie größtenteils extreme und schwer erreichbare Tiefen bewohnen. So wurde etwa Chlamydoselachus anguineus bereits 1884 wissenschaftlich beschrieben. Wenngleich auch noch sehr viel in den Ozeanen zu entdecken sei dürfte, sind sie dennoch bereits weitaus besser erforscht als manch einer annimmt. Auch der Umstand dass selbst von den Kragenhaien zumindest einige Fossilien aus verschiedenen Gegenden der Welt bekannt sind, ist an dieser Stelle bemerkenswert.
Haizähne sind Homologe der Placoidschuppen, daher ist dieser „fließende Übergang“ in den mundwinkeln gar nicht überraschend. Er illustriert die Herkunft aber sehr schön, passenderweise bei einem Tier mit einem sehr urtümlichen Aussehen.
Ich denke es ist schon insofern überraschend, als das man es selbst bei Knorpelfischen so praktisch nicht findet, zumal hier in diesem Fall sogar die einzelnen Zacken der dreispitzigen Zähne im Maul fast die gleiche Größe und Form wie die größten Dentikel im Mundwinkel haben, sich also sekundär zusammen entwickelt haben müssen.
Wieder ein sehr gelungener Artikel.
Von Kragenhaien hatte ich tatsächlich im Jahre 2007 zum ersten Mal gehört, als sich ein offenbar krankes Exemplar in Japan ins Seichtwasser verirrt hatte und gefilmt wurde.
http://www.youtube.com/watch?v=mneDhOtVEQw
Ja, ist schon wirklich toll so ein Tier auch mal in guter Filmqualität lebend zu sehen.