Vor einigen Wochen hatte ich die Gelegenheit eine äußerst interessante Beobachtung zu machen, als ich ein kleines (eigentlich sogar sehr kleines) von einer Quelle gespeißtes Steinbecken untersuchte. In ihm geben Feuersalamanderweibchen ihre Jungen ab, und jedesmal, wenn ich dort vorbeikomme, schaue ich wie sich diese entwickeln. Leider hat das Becken einen Überlauf am Rand, und zahllose Larven werden gerade wenn es nach einem starken Regen stärkere Strömung gibt, darüber hinaus in einen Abflussschacht geschwemmt. Entweder landen sie sie dabei in einem Auffangbehälter, oder werden aber gleich durch die Ritzen weggespült. Darüber liegt ein Metallgitter, und ich habe dort über die Jahre sicher schon dutzende von Larven vorsichtig aufgesammelt, und wieder ins Becken gesetzt. Leider holen von den angrenzenden Grundstücken viele Leute mit Gießkannen Wasser aus der Quelle, wobei sicherlich auch viele Larven zusätzlich aus dem Becken herausgeschwemmt werden, wenn daraus abgeschöpft wird. Mir ist schon im Winter aufgefallen, dass dort immer noch einige Feuersalamanderlarven drin waren, allem Anschein nach haben sie es nicht geschafft während des vorangegangenen Sommers ihre Metamorphose zu beenden, und haben darum notgedrungen überwintert. Ein Grund für die langsame Entwicklung dürfte dabei neben den immer sehr niedrigen Temperaturen des Wassers auch der massive Nahrungsmangel sein, denn das Becken misst nur etwa 50 mal 50cm und abgesehen von Kleintieren die hineinfallen oder mit hineingespült werden, dürfte es dort kaum etwas zu fressen geben. Das habe ich dann auch gemerkt, als ich dort beim letzten Mal vorbeigekommen bin. Mit einem mit einer Lupe ausgestattetem Beobachtungsbehältnis habe ich vorsichtig eine besonders große Larve aus dem Becken geholt. Diese Larve hatte eine Länge von etwa 5,5cm und war schon sehr weit entwickelt, auch das typische schwarzgelbe, bzw orangegelbe Muster war schon andeutungsweise vorhande. Dabei sollte noch erwähnt werden, dass in diesem Gebiet sowohl der gestreifte Feuersalamander Salamandra salamandra terrestris als auch der gepunktete Feuersalamander Salamandra salamandra salamandra nebeneinander vorkommen, und auch dieses Quellbecken beide zum Absetzen ihrer Larven nutzen. Dabei kommen bei Salamandra salamandra salamandra auch Exemplare vor die leicht orangene statt gelber Flecken haben.
Als ich die Larve beobachtete, fiel mir auf dass ihr Kopf seltsam deformiert erschien, als habe er vorne eine Art Auswuchs, fast wie ein großes Geschwür. Erst bei ganz genauem Hinsehen, merkte ich auf einmal. dass der „Auswuchs“ in Wirklichkeit ein Kof war, der zu Hälfte aus dem Maul der Larve herausschaute. Leider schaffte ich es nicht mehr, davon eine Aufnahme zu machen, denn plötzlich schüttelte sich der kleine Feuersalamander, und mit einem Mal waren statt einer zwei Larven im Glas:
Die andere Larve war dabei natürlich etwas kleiner als die große, und ich vermute dass es sich dabei vielleicht um eine diesjährige gehandelt haben könnte. Sie war schon tot, und ihre Schwanzspitze war schon deutlich angedaut, was auf den Photos allerding schlecht zu sehen ist. Ich finde es allerdings schon erstaunlich, was für einen sperrigen Brocken diese Larve fast vollständig heruntergewürgt hat. Dabei ist es auch interessant, dass sie vom Schwanz, und nicht vom Kopf aus gepackt wurde. Hier sieht man noch ein zweites Photo:
An sich ist Kannibalismus unter Molch-und Salamanderlarven nichts ungewöhnliches, vor allem wenn das Futter knapp ist, und verschieden alte, bzw verschieden große Exemplare nebeneinander leben. So etwas einmal direkt dokumentieren zu können, ist allerdings nicht so häufig. Ich sollte vielleicht noch dazu erwähnen, dass ich die Feuersalamanderlarve selbstverständlich wieder in das Becken zurückgesetzt habe, und, quasi als Wiedergutmachung für die verlorene Mahlzeit mehrere Regenwürmer hineingeworfen habe, die ihn ihrer Größe der kleineren Larven gleichkamen.
Interessanterweise wurde das Verhalten des Larvenkannibalismus sogar schon bei ausgestorbenen Amphibien in fossiliertem Zustand dokumentiert, namentlich dem Temnospondylen Apateon gracilis. Näheres dazu findet man in diesem äußerst interessanten Artikel von Dr. Florian Witzmann vom Naturkundemuseum Berlin:
18. WITZMANN, F. (accepted): Cannibalism in a small growth stage of the branchiosaurid Apateon gracilis (Credner, 1881) from the Early Permian Döhlen Basin of Saxony. Fossil Record.