Wie man eine Lebendrekonstruktion von Megaladapis macht: Über die Hintergründe des Covers von „Die Insel des Grauens“

Ich dachte vielleicht würde es den einen oder anderen interessieren, was sich eigentlich genau hinter dem Cover von „Die Insel des Grauens“ verbirgt. Wie in den Kommentaren zum letzten Post bereits verraten, handelt es sich um eine Rekonstruktion des Riesenlemuren Megaladapis, welche ich extra für das Titelbild angefertigt habe. Vielleicht zunächst einmal ein bisschen über Megaladapis selbst, was genau war das für ein Tier? Wenn man es genau nimmt, handelte es sich gar nicht um eine einzelne Art, sondern um eine ganze Gattung mit bisher drei bekannten Arten, nämlich Megaladapis edwardsiMegaladapis grandidieri und  Megaladapis madagascariensis. Sie unterschieden sich vor allem in der Größe, wobei der auch auf dem Titelbild abgebildete Megalapis edwardsi die größte Art war, und etwa so groß wie ein sehr großer Schimpanse war. Die Megaladapidae waren nicht nur aufgrund ihrer im Vergleich zu den lebenden Lemurenarten enormen Größen bemerkenswert, sondern auch aufgrund einer Reihe anatomischer Besonderheiten, vor allem im Bereich des Schädels. Dieser war, zunächst einmal, wahrlich riesig. Die größten Megaladapis-Schädel die man kennt, sind größer als jene von Gorillas, und entsprechen in ihrer Größe und den Proportionen eher einem mittelgroßen Eselschädel, wobei dazu gesagt werden muss, dass bei Megaladapis der Kopf im Verhältnis zum übrigen Körper ausgesprochen groß war. In seiner Form, aber teilweise auch in bestimmten Merkmalen der Bezahnung, ähnelte der Schädel tatsächlich eher einem wiederkäuendem Huftier wie etwa einem Rind oder einer Ziege. Ich möchte jetzt gar nicht sehr viel weiter in die anatomischen und biologischen Hintergründe eingehen, sondern vor allem einmal zeigen, wie ich das Modell gemacht habe.

Es gibt nicht allzu viele Rekonstruktionen von Megaladapis, und ich muss gestehen, dass mir die meisten nicht sonderlich gut gefallen, vor allem die bei diesen Tieren wirklich ungewöhnliche Nasenregion, wird vielfach einfach „unterschlagen“. Darum wollte ich nicht einfach den Kopf als solchen modellieren, sondern erst einmal den Schädel, um von diesem ausgehend, den eigentlichen Kopf zu rekonstruieren. Dafür habe ich eine Minuaturversion des Schädels samt Unterkiefers hergestellt. Natürlich habe ich mich hierbei nicht in allen Einzelheiten an das Original gehalten, das wäre nur mit einem extremen Zeitaufwand möglich gewesen, abgesehen davon, war ja ohnehin klar, dass er übermodelliert werden würde. Wichtig war vor allem, dass die Proportionen und die Form des Schädels stimmten, vor allem an jenen Bereichen, an denen viel Weichgewebe aufmodelliert werden musste. Ich habe mich dabei möglichst genau an verschiedenen Originalschädeln orientiert, damit die Form möglichst naturgetreu wird. Zur Stabilisierung des Schädels habe ich ein feines Metallgeflecht genommen, das sich für solche Sachen prima eignet, da man es sehr leicht verformen kann, und des trotzdem sehr stabil bleibt, denn Fimo allein hätte da nicht genug Halt.

Der Schädel stimmt nicht 100%, beispielsweise sieht das Kiefergelenk und der Jochbeinbereich in Wirklichkeit anders aus, außerdem habe ich peinlcherweise im Eifer des Gefechtes nur zwei statt drei Prämolaren pro Kieferquadrant modelliert, weil ich mich unglücklicherweise bei der Bezahnung an einem Schädel orientiert habe, bei dem man das schlecht gesehen hat…Mit viel Aufwand habe ich die Prämolaren dann wieder teilweise abradiert, und aus zwei Prämolaren jeweils drei gemacht. Als nächstes habe ich dann verschiedene Möglichkeiten durchprobiert, wie weit das Maul beim fertigen Modell geöffnet sein sollte, und habe die gewünschte Endposition dann mit Fimo fixiert, und gehärtet, außerdem war zu diesem Zeitpunkt auch schon der Gaumen und die Zunge ausgearbeitet. Zudem habe ich aus etwas Metallgitter eine Unterkonstruktion für den Hals gemacht, vor allem um das Modell besser halten zu können. Danach habe ich mal provisorisch etwas Masse auf dem Schädel aufgebaut:

Besonders wichtig waren dabei die beiden großen Kaumuskeln, der an Schläfe und Scheitel ansetzende Musculus temporalis und der an der Außenseite des Unterkiefers ansitzende Musculus masseter. Diese Muskeln waren bei Megaladapis sehr gut ausgeprägt, und hatten einen entscheidenden Anteil an der Form des Kopfes. Bei uns sind diese Muskeln, vor allem der M. temporalis, relativ klein, und tragen nur einen vergleichweise kleinen Teil zur äußeren Form von Kopf und Gesicht bei. Man sieht auch, dass ich das Jochbein, welches beim Modellschädel noch zu klein war, noch etwas weiter ausgearbeitet habe. Den Hals habe ich mal ganz bewußt nur relativ grob vormodelliert, da dieser bei Lemuren ohnehin üblicherweise von voluminösem Fell bedeckt ist, das beinahe jegliche anatomischen Einzelheiten der darunter liegenden Muskulatur verdeckt. Wie man sieht sind auch die vorgehärteten Augen bereits eingesetzt, und die darum liegenden Muskulatur (wie der Musculus orbicularis oculi) angedeutet.

Danach habe ich den teilweise mit Muskulatur aufgebauten, und teilweise noch nackten Schädel weiter mit einer dünnen Schicht aufgebaut, wobei mir die mit zahlreichen schrittweisen Rekonstruktionen ausgestatteten Illustrationen von Mauricio Anton in verschiedenen Büchern von Alan Turner sehr hilfreich waren (einige habe ich bereits auch auf dem Blog rezensiert). Die Gesichtsmuskulatur ist zum Glück be Lemuren nicht übermäßig ausgebildet, weshalb es hier nur sehr bedingt nötig war, den genauen Verlauf nachzubilden. Wichtig waren hierbei primär die Lippen, welche auch teilweise die Zähne verdecken. Selbst die ziemlich eindrucksvollen oberen Schneidezähne wirken nun deutlich kürzer. Besonders schwierig war die Nasenregion, denn diese war bei Megaladapis anders als bei jedem anderen Lemuren, was eine Rekonstruktion mangels Vergleichsmöglichkeiten deutlich erschwert. Das Nasenbein ist extrem nach vorne verlagert, so dass auch der knorpelige Anteil der Nase teilweise nach unten gekippt gewesen sein muss. Möglicherweise hat Megaladapis mit seiner Nase auch Blätter ins Maul gezogen, ähnlich wie Spitzmaulnashörner. Ich habe mich primär mal entschieden, eine moderat konservative Rekonstruktion zu machen, und habe die Nase nicht als großen, mit der Oberlippe verschmolzenen Zipfel modelliert, sondern nur leicht überhängend. Der ganze Schädel war nun jeweils der Lage entsprechend mit einer Schicht Fimo überzogen, und rein provisorisch zum besseren Abschätzen ein Ohr angefügt. Damit hätte man nun ungefähr das Bild, eines völlig haarlosen Megaladapis.

Da aber gerade Lemuren oftmals ein relativ langes und voluminöses Fell besitzen, musste teilweise noch erheblich zusätzliche Masse aufgebaut werden. Die typische „flauschige“ Struktur von Lemurenfell läßt sich fast nicht als Modell umsetzen. Ich habe mich darum um einen Kompromiss bemüht, und an den Stellen an denen das Fell lang und voluminös sein sollte, also vor allem am Hals, eine neue Technik versucht, um die besondere Fellstruktur wiederzugeben. Außerdem wollte ich noch eine leichte Hals-oder Backenkrause anmodellieren, wie man sie auch bei vielen der lebenden Lemuren findet, welche wieder eine andere Haarstruktur hat, während die Haut am restlichen Teil des Kopfes nur von einem sehr dünnen und feinen Fell bedeckt sein sollte.

Die Kotletten waren zu diesem Zeitpunkt wie die Ohren nur provisorisch angefügt. Ich mache so etwas häufig, um das Endergebnis besser abschätzen zu können, auch wenn klar ist, dass die Details erst zu einem viel späteren Zeitpunkt ausgearbeitet werden können. Ich war mit den Kotletten in dieser Form auch nicht so ganz zufrieden, darum habe ich sie einfach umgedreht, mit dem voluminöseren Anteil nach oben:

Der bisher noch ziemlich formlose Hals wurde jetzt auch weiter ausgearbeitet, und eine Schulterpartie leicht angedeutet. Zudem habe ich am Hals dicke Falten anmodelliert, welche als Grundform für das voluminöse Fell dienen sollten. Das Modell war selbst zu diesem Zeitpunkt schon extrem viel Arbeit, doch das Fell ist wirklich eine Katastrophe gewesen. Obwohl das Modell ja nun wirklich nicht besonders groß ist, der Zeitaufwand allein für die paar Quadradzentimeter das Fell zu modellieren war enorm. Ich habe die Zeit die ich für dieses Modell gebraucht habe nicht gezählt, aber es war zweifellos das bisher aufwändigste das ich gemacht habe. Um das Fell herauszuarbeiten, bin ich wirklich tagelang an praktisch nichts anderem gewesen, als winzige Härchen zu modellieren. Wenn man einmal ansieht wie viel, bzw wie wenig Platz eine Fläche von 10 x 10 Härchen einnimmt, kann man sich ja ungefähr denken dass es schon einige tausend geworden sind. Allerdings finde ich auch dass sich der Aufwand gelohnt hat. Hier sieht man einen weiteren Zwischenschritt, die linke Seite ist schon größtenteils fertigmodelliert, das Ohr ist aber nach wie vor nur provisorisch, außerdem sind die Augenlieder und die Nasenpartie noch weiter ausgearbeitet.

 

Wenn man tagelang nichts weiter gemacht hat, als Fell zu modellieren (und das ist wirklich ziemlich schnell langweilig), kann es einen schon fast wahnsinnig machen, wenn man dann sieht dass man auf der anderen Seite grade noch mal das gleiche machen darf…

Einzelne Details wie etwa der Übergang der Nasenpartie zum Gaumen waren auch mangels Vergleiche nur schwer zu modellieren. Megaladapis hatte wie viele Huftiere keine oberen Schneidezähne, sondern einen harten hornigen Gaumen. Diese spezielle Partie zu modellieren, war daher auch etwas spekulativ. Glücklicherweise hat mich mein guter Bekannter Carl Buell, der schon seit mehreren Jahrzehnten hauptberuflich augestorbene Tiere illustriert (ich bin sicher beinahe jeder der das hier liest hat schon Bilder von ihm gesehen), und ein enormes Wissen über Tieranatomie besitzt, bei einzelnen Punkten beraten können.

Ich habe dann den Kopf zu ca. 95% fertig gestellt und gehärtet, nur die Ohren haben noch gefehlt. Diese habe ich dann extra modelliert, was ebenfalls ein nicht ganz unerheblicher Aufwand gewesen ist. Herausgekommen ist dann das:

Ich war selbst etwas überrascht wie es dann im Endeffekt herausgekommen ist, denn es ist einfach etwas anderes ein Tier dreidimensional vom Schädel aus zu rekonstruieren, anstatt nur auf Papier. Hätte ich einfach nur den Kopf frei anhand zeichnerischer Rekonstruktionen modelliert, wäre er wahrscheinlich auch nicht so herausgekommen. Auf dieser Ansicht von oben kann man noch mal sehr gut sehen, inwiefern die Form des Kopfes der markanten Schädelform von Megaladapis entspricht:

Das fertige Modell habe ich dann noch koloriert und photographiert, damit es für das Cover des Buches weiterbearbeitet werden konnte. Es gibt gewisse Hinweise darauf, dass Megaladapis ein relativ wolliges helles Fell mit einigen dunklen Partien hatte, weshalb ich mich bei der Bemalung auch an dieser Vorlage orientiert habe. Durch das Photographieren, und dadurch dass das Cover ja eine nächtliche Szenerie zeigt, wirkt das Modell aber im Endeffekt deutlich dunkler. Da mir von vorneherein klar war, dass ich das Auge auf dem Modell niemals wirklich realistisch bemalen könnte, ist an dieser Stelle einfach digital das Auge eines echten Lemuren (Danke an Sven für das tolle Photo!) eingefügt worden.

Wer nun etwas mehr über Megaladapis erfahren möchte, etwa weitere Hintergründe über sein Aussehen und seine Biologie, oder welche Wesen der madagasischen Mythologie und Folklore höchstwahrscheinlich auf ihn zurückgehen, der kann das in „Die Insel des Grauens“ nachlesen. An dieser Stelle noch mal ein großes Dankeschön an alle die sich das Buch bisher gekauft haben.

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9 Antworten zu Wie man eine Lebendrekonstruktion von Megaladapis macht: Über die Hintergründe des Covers von „Die Insel des Grauens“

  1. dmaas sagt:

    Very nice! Verruckte Details auf die Zaehne!
    Ich muss mein Sculpey abstauben und was damit machen…

  2. Yoult sagt:

    Wirklich tolles Modell! Schade aber, dass du die colorierte Version bei Normalbeleuchtung nicht eingestellt hast.
    Die Kopfform von Megaladapis ist wirklich überraschend. Mich erinnert es irgendwie an eine Mischung aus Ratte und Esel, aber auch ein bisschen was von Wildschwein und Chalicotherium… naja, anders gesagt kaum beschreibbar. Wirklich ein interessantes Tier und ein tolles Modell.

  3. Markus Bühler sagt:

    Ehrlich gesagt sieht die Bemalung des Modells, naja, ich sage mal nicht sehr professionell aus, darum habe ich es auch nicht reingestellt. Zum Glück ist durch die entsprechende Beleuchtung beim Photographieren die Farbe völlig anders, und auch viel besser herausgekommen.

  4. Sven sagt:

    Melde mich aus dem Urlaub zurück 😉

    Wirklich ein klasse Modell, kann man nichts gegen sagen 🙂
    Und das Auge habe ich dir gern gegeben!

  5. Markus Bühler sagt:

    Hallo Sven! Hoffe Du hattest einen schönen Urlaub. Freut mich auch sehr dass das Auge von deinem Lemurenphoto so gut auf das Modell gepasst hat. Vielen Dank noch mal!

  6. Allosaurus sagt:

    Hallo! Ein super Modell ist das, wirklich sehr gelungen! Ist die Rohform des Schädels, besser gesagt der Schädelknochen und die Zähne, auch aus Fimo oder hast du dafür ein anderes Material genommen?

    LG 🙂

  7. Markus Bühler sagt:

    Das Untermodell besteht auch aus Fimo, allerdings aus einem, das ich sonst nicht verwende. Leider sind die Fimo-Sorten teilweise ziemlich inhomogen, obwohl sie ja alle vom gleichen Hersteller sind. Dieses Fimo ist laut Packung weiß, tatsächlich wird es aber leicht durchscheined, und sieht irgendwie seltsam aus. Aber für Teile die man später sowieso nicht mehr sieht, kann man das ja gut nehmen. Für ein paar wenige Sachen kann es durchaus von Vorteil sein, wenn das Fimo leicht transluzent ist, aber in aller Regel stört das.

  8. Allosaurus sagt:

    Was ist das eigentlich für ein Draht den du als Stütze verwendet hast? So einen könnte ich vielleicht auch einmal brauchen.

    LG

  9. Markus Bühler sagt:

    Das ist ein biegsames Metallgeflecht, wahrscheinlich aus Aluminium. Ich bin mir gar nicht mehr genau sicher woher das eigentlich ist, ich glaube aus einer alten Dunsthaube oder Spülmaschine oder so, da waren mehrere Lagen davon drin. Es ist wirklich extrem praktisch zum Arbeiten, da es sich sehr gut in Form bringen läßt und dabei sehr stabil bleibt, man kann es auch mit einem Hammer papierdünn schlagen, um so extrem dünnen Strukturen Halt zu geben, denn durch die Perforationen haftet das Fimo prima. Allerdings weiß ich nicht wo man so etwas einfach so herbekommt, ich habe auch schon im Baumarkt nach ähnlichen Sachen geschaut, aber leider nichts gefunden.

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