Riesenblindschleichen

In unseren Breitengraden sind Reptilien ja ziemliche Mangelware, und man kann sich in der Regel schon glücklich schätzen, wenn man am Ende des Jahres die gesehenen Arten nicht mehr an einer Hand abzählen kann. Vor allem sind unsere heimischen Reptilien alle relativ klein, und selbst die Schlangen sind nicht besonders eindrucksvoll. Eigentlich wollte ich irgendwann noch mal einen Post über einige heimische Reptilien und Amphibien machen, die ich dieses Jahr schon gesehen, und photographieren konnte, aber bevor ich das mache, wollte ich noch über etwas spezielleres schreiben. Die mitteleuropäischen Arten mögen zwar in der Regel nicht besonders groß sein, und können niemals Exemplare hervorbringen, welche mit den tropischen Arten wie Waranen oder Riesenschlangen konkurieren könnten, aber trotzdem schaffen es einige manchmal, für ihre Verhältnisse wirklich erstaunlichen Größen heranzuwachsen.

Hier soll es um überdurchschnittlich große Blindschleichen gehen. Man sieht ja immer mal wieder welche, leider oftmals überfahren oder gar von irgendwelchen Idioten zertreten auf den Straßen und Wegen, besonders groß sind sie aber selten. Die meisten die man sieht, sind in der Regel zwischen 20 und 30cm lang. In der Literatur oder auch auf Wikipedia liest man zwar dass Längen von 35-45cm normal seien, doch das ist weit entfernt von der Wirklichkeit. Das wird einem erst richtig bewußt, wenn man tatsächlich einmal eine Blindschleiche dieser Größe vor sich hat, und sieht wie groß der Unterschied zum eigentlichen Durchschnitt ist.

Durch einen glücklichen Zufall kam ich vor einiger Zeit in den Besitz einer wirklich gewaltigen Blindschleiche. Beim Spazierengehen hatte ich an einem Weinberg eine tote Blindschleiche am Wegrand entdeckt, allem Anschein nach durch Gewalteinwirkung gestorben, denn aus dem Maul hingen ausgequetschte und getrocknete Gedärme hervor. Nicht einmal zwei Meter weiter entdeckte ich dann eine weitere, die ich erst für noch lebendig hielt, da sie vollkommen unverletzt war, und scheinbar auf natürliche Weise zusammengerollte. Bei genauerem Hinsehen merkte ich aber, dass die Augen schon leicht eingetrocknet waren, und der Körper auch schon ganz steif war. Die Blindschleiche war eindeutig tot, wie ich später feststellte hatte sie getrocknetes Blut an den Nasenlöchern, aber keinerlei Verletzungen, so dass anzunehmen ist, dass sie vielleicht durch Pestizide aus den Weinbergen, oder auch durch vergiftete Nacktschnecken umgekommen ist.

Erste Riesenblindschleiche

Auf den ersten Blick fiel mir nur auf, dass es sich um ein recht großes Exemplar handelte, aber als ich es dann versuchsweise mit einem Stock herumdrehte, merkte ich erst dass diese Blindschleiche wirklich riesig war. Da sie noch ziemlich frisch war, entschloss ich mich dann sie mitzunehmen. Zu Hause habe ich sie dann einmal grob vermessen. Da sie durch die Leichenstarre ziemlich steif war, wollte ich sie aus Angst sie zu beschädigen, nicht gerade ausstrecken, darum nahm ich einen Faden, und legte in der Rückenlinie an. Ich hatte ein ziemlich langes Stück abgeschnitten, und dachte, dass es auf jeden Fall reicht. Ehrlich gesagt habe ich dann auch etwas schlampig gemessen, und nicht die exakte Krümmung in der Mitte nachgelegt, sondern den Faden nach Möglichkeit über lange Strecken immer relativ gerade gelegt, da ich trotz Gummihandschuhen nicht gerade darauf erpicht war, übermäßig viel Kontakt mit diesem toten Tier zu haben. Ich war dann schon ziemlich erstaunt, als ich merkte, dass er Faden nur gerade so reicht, und eher etwas zu kurz war. Noch größer war mein Erstaunen, als ich diesen Faden dann gemessen habe, denn er maß volle 45cm, und dass, obwohl ich noch nicht einmal die volle Krümmung berücksichtig habe, und den Faden auch nicht immer 100% genau liegen lasen konnte. Das heißt diese Blindschleiche war beinahe einen halben Meter lang, und obendrein auch noch ungewöhnlich kompakt. Das mag bedingt daran gelegen haben, dass Faulgase den Körper etwas aufgeblaßen haben, aber dieses Exemplar muss schon zu Lebzeiten außerordentlich dick gewesen sein. Mit Hilfe einer Spritze (gibt es in jeder Apotheke) habe ich dann in Maul, After und ein oder zwei anderen Stellen des Körpers dann Spiritus injiziert. Bei kleinen Reptilien muss man das nicht zwingend machen, aber be größeren ist es besser, da sonst die Gefahr besteht, dass sie von innen zu faulen anfangen, bevor sie komplett von außen mit Alkohol vollsaugen. Dann habe ich sie in ein Glas gelegt, und mit Spiritus aufgefüllt. Handelsüblicher Spiritus, den es für wenig Geld in Baumärkten gibt, ist ein ideales Mittel um Reptilien selbst über Jahre hinweg zu konservieren. Unvergälter Alkohol ist viel zu teuer und auch nicht besser, und Formalin ist giftig. Es kann zwar zu gewissen Entfärbungen kommen, aber gerade bei ohnehin nicht gerade farbenfrohen Arten wie Blindschleichen, ist das relativ egal. Ich habe schon warscheinlich 100 Jahre alte Alkoholpräparate von Reptilien gesehen, die so gut wie keine Entfärbung zeigten.

Riesenblindschleiche 1 von vorne

Hier noch ein Bild von hinten:

Riesenblindschleiche 1 von hinten

Durch die Krümmung des Glases kommt es zwar zu einer gewissen optischen Verbreiterung an manchen Stellen, aber ich denke man sieht ganz gut, dass es sich um eine wirklich ziemlich massive Blindschleiche handelt. Ich habe diese Bilder dann auf dem Laptop nochmal auf Originalgröße (ist ja kein Problem mit dem Geodreieck daneben) gebracht, und auf dem flach liegenden Bildschirm noch mal die Länge abgemessen. Diesmal kam ich sogar auf 48cm. Da ich an Stellen, an denen Vergrößereungen auftraten, diese möglichst ausgeglichen haben, und die Länge davon ja praktisch unbeeinflußt bleibt, dürfte diese Länge durchaus realistisch sein, zumal sie gut zu meiner anfangs zu gering abgemessenen Länge passen würde. Die 48cm sind beinahe so lang wie mein Arm (und ich habe recht lange Arme) und sind ziemlich viel für so ein Tier, wahrscheinlich dürfte diese Blindschleiche zu Lebzeiten sogar eine der größten freilebenden Echsen Deutschlands gewesen sein. Wie groß das ist, fällt auch auf wenn man bedenkt dass der Weltrekord (der echte, und nicht das was bei Wikipedia steht) bei 48,9cm liegt. Diese Blindschleiche lebte auf Portmouth (Fairfax 1965). Daneben gibt es noch den Fund eines 39cm langen Exemplares aus Steep Holm, das 1984 gefunden wurde. Es hatte einen regenerierten Schwanz, und hätte mit seinem Originalschwanz wahrscheinlich eine Länge von 53cm gehabt. Bei solchen Exemplaren handelt es sich eigentlich immer um alte Männchen, was man auch teilweise daran sehen kann, dass einzelne Schuppen auf dem Rücken von einem hellen Blau sind (was auch bei meiner Riesenblindschleiche der Fall war, auch wenn ich schon extreme Fälle von Blaufärbung bei Blindschleichen gesehen habe). Blindschleichen dieser Größe dürften auch schon ein enormes Alter auf dem Buckel haben, möglicherweise über ein halbes Jahrhundert. Diese Tiere gehören zu den wenigen Reptilien-Arten, bei denen Alter von mehreren Jahrzehnten in Gefangenschaft tatsächlich dokumentiert werden konnten. Es wäre durchaus interessant zu wissen, wie alt dieses Exemplar geworden ist, oder wie alt und vor allem wie groß es geworden wäre, wenn es nicht (allem Anschein nach auf unnatürliche Weise) verstorben wäre.

Im Leben scheint es ja tatsächlich so etwas wie Zufälle zu geben, denn nur kurze Zeit später fiel mir eine (diesmal nicht selbst gefundene) Blindschleich in die Hände, die ebenfalls eine sehr respektable Größe aufwies. Da sie sich noch problemlos der Länge nach ausbreiten ließ, konnte ich auch exakt die Länge bestimmen, es waren genau 41,7cm.

Riesenblindschleiche 2

Diese Blindschleich war ausgesprochen dünn, und zusammengerollt sah sie nicht einmal besonders groß aus, aber ausgelegt, wurde ihre ungewöhnliche Länge erst richtig auffälllig. An was sie gestorben ist, kann ich nicht genau sagen, aber sie zeigte zahlreiche kleine Verletzungen, die aussahen, als kämen sie von Krallen. Katzen sind leider ein sehr großes Problem für Blindschleichen, und in manchen Gebieten fallen ihnen große Teile der Blindschleichenpopulationen zum Opfer.

Hier sieht man sie mal im Detail, wobei auch einige der Krallenspuren zu sehen sind:

Riesenblindschleiche 2 Kopfansicht

Keine der Verletzungen sah wirklich tödlich aus, und es waren auch keine größeren Blutspuren erkennbar, so dass ich vermute, dass die Blindschleiche die Attacke eine Weile überlebte, aber durch die Verletzungen so geschwächt war, dass sie letztendlich daran zugrunde ging. Das würde auch den ungewöhnlich dünnen Körper erklären. Übrigens hing noch ein Reststück alte Haut am Schwanzende, was bedeutet, dass sie sich erst vor recht kurzer Zeit gehäutet haben muss. Mit dieser Blindschleiche bin ich dann ebenso verfahren, wie mit der ersten, und habe sie in Spiritus konserviert.

Dieser Beitrag wurde unter Reptilien veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

10 Antworten zu Riesenblindschleichen

  1. lorena sagt:

    ich finde das mit dem glas echt eglich aber ich liebe tiere und auch blindschleichen aber ihr tut die ja blos tot in gläser

  2. Cronos sagt:

    Nun, das ist eben nicht jedermanns Sache, aber es ermöglicht solche Tiere auf einfache Art und Weise zu konservieren, was gerade bei solchen absoluten Ausnahmeexemplaren auch von wissenschaftlichem Interesse ist.

  3. Titus123 sagt:

    Natürlich^^. Ich finde es auch eine gute Idee, so hat man ja dann auch was von den Tieren…. Ich fände es schinde es auch nicht gut wenn man sie vorher töten müsste. Aber wenn man es tot auffinden ist das ja nicht mehr schlimm.

  4. Gundula sagt:

    habe grad gegoogelt, weil mir hinterm gartenzaun, wo schon immer blindschleichen sind,vor mir ein extrwem dickes und langes exemplar von schlange oder schleiche weggehuscht ist, vor schreck hab ich nicht genau hingesehen, aber die war auf jedenfall doppelte daumendicke unds mindestens 60 cm lang, und für ne ringennatter (die sind bei uns eher länger) zu gedrungen und kompakt, hatte angst, es wär ne kreuzotter, wie gesagt hab nur auf länge und dicke , nicht auf die zeichnung geachtet, ES beruhigt mich jetzt doch, dass es so große blindschleichen gibt, mich haben schon die jungen ringelnattern erschreckt, die waren fast schwarz und dann die gelben „Ohren“ (halbmondzeichnung), an eidechsen, blindschleichen hab ich mich ja im garten gewöhnt, aber heute haben mich dei kleinen und das dike ding erschreckt, ich werd wohl den alten rasenteppich hinterm zaun, den ich wegen der wuchernden brenesseln da hingelegt hatte, entsorgen, das ist mir zu öko

  5. Markus Bühler sagt:

    Ich vermute mal eher dass es keine Blindschleiche war, oder zumindest dass in der „Schrecksekunde“ die Größe überschätzt wurde. Das mehr als 45 cm lange Riesenexemplar das ich habe ist etwa fingerdick und ziemlich kompakt, doppelte Daumendicke wäre da doch noch mal deutlich mehr. Über 60 cm wären ebenfalls gigantisch, da die allergrößten dokumentierten Exemplare nur etwa 50 cm groß waren. Falls Du das Tier zufällig noch mal siehst, versuche am besten ein Photo zu machen. Wie war denn die Farbe? Ringelnattern sind grau, während Blindschleichen oft eher leicht bräunlich oder gräulich-kupferfarben sein können.

  6. Achim Zähringer sagt:

    Erst einmal möchte ich meinen Respekt für diese sehr gelungene Web-Site aussprechen. Ich bin durch Zufall darauf gestoßen und werde mich die nächsten Monate durch den gewaltigen Bestand an Artikeln lesen. Ich muss sagen, irgendwie freue ich mich schon auf verregnete Wochenenden! 🙂
    Zu diesem Artikel fällt mir spontan ein, daß es laut Wikipedia im Feldberggebiet (Südschwarzwald) einen Enedemit, einen „Badischen Riesenregenwurm“ geben soll.
    Bin mir nicht ganz sicher, ob sich da nicht jemand einen Scherz erlaubt hat. 😉 Aber vielleicht könnten Sie das bei einer passenden Kurzreise verifizieren.
    Zu dem Artikel mit Ihrem Kurzurlaub in Bad Krozingen: In dem kleinen Tal nördlich des Staufener Schlossbergs liegt ein Weingut namens Rothof. Der Nordhang dieses Tales ist mit hochstämmigen Obstbäumen bepflanzt, so dass der ganze Hang einer einzigen Streuobstwiese gleicht. Dort habe ich selbst Dutzende von Gottesanbeterinnen an einem einzigen Nachmittag gesehen.
    Dies nur als Tipp, falls Sie wieder mal in der Nähe sind.

  7. Markus Bühler sagt:

    Den Badischen Riesenregenwurm Lumbricus badensis gibt es tatsächlich, und ich hatte schon länger einmal vor über ihn zu schreiben. Bei meinem bisherigen kurzen Ausflug in den Südschwarzwald bin ich bisher allerdings noch nicht dazu gekommen einmal aktiv nach welchen zu suchen, was ja auch ohne Schaufel ohnehin nur bei entsprechend passend schlechtem Wetter erfolgversprechend wäre.
    Das mit den Gottesanbeterinnen hört sich wirklich sehr interessant an. Ich hatte bisher leider nicht das Glück welche in Deutschland zu sehen, weder im Breisgau noch in der Pfalz, wo Mantis religiosa teilweise auch vorkommt (etwa in der Gegend von Landau), obwohl ich durchaus aktiv gesucht habe. Dies kann aber auch an der Jahreszeit gelegen haben. Ich würde mich jedenfalls ausgesprochen freuen diese Art welche ich in natura bisher nur einmal auf Samos entdecken konnte, auch mal in heimischen Landen zu sehen. Interessanterweise gibt es vom Spitzberg bei Tübingen einen dokumentierten Einzelfund einer Mantis religiosa, eine Population konnte dort aber nicht nachgewiesen werden.

  8. paulos tsigas sagt:

    very interesting, you have used isopropyl alcohol or a simple ethanol;

  9. Markus Bühler sagt:

    I used simple spiritus, what worked great. I have a slow-worm in my collection which I found (probably killed by a bike) during my elementary school time. It is my first and oldest specimen in a jar, and looks still unchanged. I used it also for various other small vertebreates and invertebrates. Ir has two big advantages, it is very cheap and easy to get.

  10. paulos tsigas sagt:

    I have over 10 years of boas and pythons in a product called Alcoholic Lotion contains 93% ethanol, glycerol, Cologne, shows up in good conserved but do not know the results in coming years

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert