Bild des Tages: Deformierter Pottwalschädel

Ich habe ja schon öfter mal von Pottwalen gelesen, welche stark deformierte Kiefer aufwiesen, und dank des Internets kannte ich auch bereits ein Photo eines solchen, aber mit eigenen Augen zu sehen bekam ich ich solches Exemplar leider noch nie. Umso erstaunter war ich darum, als ich im Hamburger Museum für Zoologie solch einen deformierten Pottwalkiefer zu sehen bekam:

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Wie man sieht ist der Kiefer so stark nach rechts gewachsen, dass er schon beinahe einen geschlossenen Kreis bildet. Was die genaue Ursache solcher Deformationen ist, ist schwer zu sagen, aber wahrscheinlich entstehen sie durch ein einseitig verstärktes Wachstum des Kiefers. In diesem Fall muss die linke Hälfte des Unterkiefers stärker gewachsen sein als die rechte, wobei sie einen kontinuiertlichen Druck auf die rechte ausübte. Als Folge dessen kam es wohl auch zu einem gewissen Knochenabbau auf der rechten Seiten (Üblicherweise bildet sich Knochen zurück wenn Druck auf ihn ausgeübt wird, und verstärkt sich wenn Zug ausgeübt wird), was dann in dieser massiven Deformation endete.

Hier sieht man noch einmal eine Nahaufnahme des Kiefers, der leider keinen einzigen Zahn mehr aufwies:

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Diese Deformation mag sehr drastisch aussehen, doch tatsächlich kennt man von Pottwalen sogar noch weitaus massivere Wachstumsstörungen des Kiefers. Ich kenne ein Photo eines Pottwalunterkiefers aus einem Museum in den USA, dessen Form and die Spitze eines Korkenziehers erinnert, auf den man mit einem Hammer geschlagen hat.

Eine gewisse Assymetrie des Schädels ist bei Zahnwalen an sich nichts ungewöhnliches, besonders bei langschnäuzigen Formen, sowohl lebenden als auch ausgestorbenen, findet man nicht selten eine leichte Bogenform. Besonders ausgeprägt findet man dies relativ häufig bei Amazonas-Flussdelphinen, auch wenn der Grad der Assymetrie keineswegs an den hier gezeigten Pottwalkiefer heranreicht. Das hier gezeigte Exemplar stammt, wie man im Vergleich zum Schädel eines erwachsenen Pottwales erkennen kann, von einem Jungtier:

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Das eigentlich erstaunliche an diesen Deformationen an Pottwalkiefern ist nicht dass sie es gibt, denn auch bei anderen Tieren kommt es zuweilen im Embryonalstadium oder auch im späteren Verlauf des Wachstums zu massiven Wachstumsstörungen. Das wirklich besondere bei den Pottwalen ist die Tatsache, dass selbst solche gravierenden Missbildungen scheinbar keinen Einfluss auf die Nahrunsaufnahme haben, denn man hat sie nicht nur bei Kälbern gefunden, welche ja noch von ihren Müttern gesäugt wurden, sondern auch bei ausgewachsenen Exemplaren, die sich erstaunlicherweise in ansonsten ausgezeichneter und wohlgenährter Verfassung befanden. Man hat neben Exemplaren mit Wachstumsstörungen aber auch schon solche gefunden, welche gebrochene oder sogar abgebrochene Unterkiefer aufwiesen, wahrscheinlich eine Folge von Rivalenkämpfen bei den Bullen, und auch jene befanden sich in gutgenährten Zustand. Das bedeutet zum Einen dass der Unterkiefer trotz seiner großen Länge scheinbar keine gravierende Rolle bei der Nahrungsaufnahme des Pottwales spielt, und zum Anderen dass wir nur ziemlich wenig über das Fressverhalten dieser Art wissen. Tatsächlich basiert hierbei vielen auf Spekulationen und Mutmaßungen. Man weiß nicht genau wie der Pottwal seine Beute fängt, noch genau wie er sie frisst. Da teilweise sogar die Kadaver großer Riesen-und Kolosskalmare in relativ unbeschädigten Zustand in den Pottwalmägen gefunden wurden, müssen sie in aller Regel am Stück heruntergeschluckt worden sein. Das Zungenbein und die an ihnen ansetzende Muskulatur ist beim Pottwal sehr gut ausgeprägt, weshalb man davon ausgehen kann, dass sie mit ihrer Hilfe fähig sind, einen starken Unterdruck aufzubauen, und damit ihre Beutetiere wie ein Staubsauger einsaugen können. Ähnliches ist auch bei Schnabelwalen der Fall, und auch von den Ichthyosauriern sind bei einigen Formen ähnliche durch das Zungenbein bewegbare Saugvorrichtungen gefunden worden. Interessanterweise scheint dies besonders bei solchen Meeressäugern und Reptilien aufzutreten, die sich zu einem großen Teil von Kopffüßern ernähren, oftmals gekoppelt mit einer mehr oder weniger starken Reduktion der Zähne. So treten ja auch beim Pottwal die Zähne des Oberkiefers üblicherweise überhaupt nicht aus dem Knochen, und bei den jungen

Dabei ist es erstaunlich dass die große Masse der Beutetiere des Pottwales in der Regel nicht wie vielfach behauptet aus Riesenkalmaren vesteht, sondern aus nur relativ kleinen Kalmaren und Fischen, die häufig nur etwa einen halben Meter groß sind. Wie ein Pottwalbulle von teilweise mehr als 50 Tonnen es schafft, jeden Tag mehr als 1000kg Nahrung in Form von vergleichsweise winzigen Beutetieren zusammenzubekommen, ist wirklich erstaunlich, und wieder einmal ein wunderbares Beispiel dafür, wie wenig wir immer noch über viele Tiere wissen.

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